Kultur: Tim Schleider (schl)

Vier Brüder hat Friedemann Vogel – und keiner hat es wie der Vater zum Ingenieur gebracht, sondern alle zum Theater verschlagen: zwei als Orchestermusiker, einer als Dramaturg beim Schauspiel. Roland Vogel, Nummer vier, war selbst einst Erster Solist beim Stuttgarter Ballett. Friedemann, der jüngste von den Stuttgarter Fünf, ist an der Akademie für klassischen Tanz in Monte Carlo ausgebildet worden. Aber seine eigenen allerersten Balletterlebnisse hat er eben im Großen Haus in Stuttgart gemacht: „Das ist doch das Verrückte: Ich habe hier schon als Kind den ,Onegin‘ gesehen und bewundert.“ Wer tanzte damals die Hauptrolle? „War es Richard Cragun? Der war jedenfalls auch in dieser Rolle fantastisch.“

 

Wie fantastisch auch Friedemann Vogel wirkt, konnte das Stuttgarter Publikum gerade jüngst beim „Lied von der Erde“ von Kenneth MacMillan erleben. Vogel hat da die Partie des „Ewigen“ verkörpert. Schlank, klar, vornehm, edel agiert er auf der Bühne. Nichts an seinem Einsatz ist zu viel, zu drastisch, wirkt überladen oder gar aufgesetzt. Er gibt dem „Ewigen“ eine Präsenz, dessen Stärke sich gerade in jenen Mahler-Liedern am stärksten auswirkt, in denen er gar keine große Rolle spielt, sondern nur zitathaft dazu kommt. Nur wenige Augenblicke ist er dann da – aber schon hat der Zuschauer den roten Faden des Abends, die Leitidee wieder präsent. Und dass es dann im sechsten Satz, beim „Abschied“ auch zu tänzerischer Bravour kommt – das ist bei einem Tänzer diesen Ranges beinahe selbstverständlich.

Ein Tänzer, der trotz aller Weltreisen das Stuttgarter Ballett weiter als seine Basis sieht: „Nirgendwo sonst hätte ich mich so entwickeln können, nirgendwo ist der Tanz auch im Publikum so gut verankert.“ Und da der Stuttgarter Intendant Reid Anderson ihm die Freiheit der Gastauftritte gibt, ist er viel unterwegs und doch immer wieder hier. „Die vielen Flüge sind gut zum Einstudieren neuer Rollen.“ Wie das, im Sitzen? „Erst mal studiere ich die Videos der Rollen auf meinem I-Pad. Dabei kann ich mir die einzelnen Schrittfolgen schon mal im Kopf abspeichern.“ Ist das nicht sehr kompliziert? „An sich ist das prima mit dem Tablet. Einziges Problem: man muss sich alles spiegelverkehrt merken, weil auf den Schirm sehe ich ja als Zuschauer, nicht die Tänzersicht.“ Der Tänzer als Hirnarbeiter, so haben wir das noch nicht gesehen. „Sie werden lachen“, sagt da Friedemann Vogel, „das Hirn ist auch für den Tänzer das wichtigste Organ.“