ZF im Krisenmodus: Hohe Schulden und Investitionsdruck machen dem Konzern zu schaffen. Der Automobilzulieferer will in den nächsten vier Jahren Tausende Stellen streichen - und so die Kurve kriegen.

Bittere Nachrichten vom Bodensee: Der Autozulieferer ZF will in den kommenden Jahren bis zu 14.000 Stellen in Deutschland streichen. Die 35 Standorte in Deutschland sollen schrumpfen, zugleich größere Verbünde und schlankere Strukturen entstehen. Das Wort Stellenabbau vermeidet das Traditionsunternehmen, das mit dem Wandel zur Elektromobilität und hohen Schulden zu kämpfen hat. Stattdessen ist von „Stärken stärken“ die Rede. Der Plan soll bis Ende 2028 umgesetzt werden.

 

Der Stellenabbau fällt auch höher aus als vom ZF-Gesamtbetriebsrat ursprünglich erwartet. Anfang des Jahres sei noch ein Abbau von bis zu 12.000 Stellen in Deutschland bis 2030 im Raum gestanden, hieß es. Das Szenario aus dem Januar werde mit der Verlautbarung des Vorstands erheblich verschärft. Der Unmut bei den Beschäftigten war schon damals groß.

Aktuell sind in Deutschland 54.000 Menschen bei dem Stiftungsunternehmen beschäftigt. Mindestens 11.000 Jobs sollen wegfallen - und damit nahezu jede fünfte Stelle. Ein großer Teil soll in der Produktion gestrichen werden, weitere in Forschung und Entwicklung sowie der Verwaltung. Welchen Standort es wie treffen wird, ist noch unklar. „Wir werden um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen“, teilte ZF-Betriebsratschef Achim Dietrich mit. 

Wie viele Stellen genau bis 2028 gestrichen werden sollen, ist noch unklar

ZF-Vorstandschef Holger Klein hatte bereits im April angekündigt, dass die Zahl der Beschäftigten in Deutschland perspektivisch nicht zu halten sein wird. Andere große Automobilzulieferer aus Deutschland wie Bosch und Continental hatten in den vergangenen Monaten ebenfalls Stellenstreichungen gemeldet, aber nicht in diesem Umfang.

„Unsere unternehmerische Verantwortung ist, ZF zukunftsfähig auszurichten und die Standorte in Deutschland so weiterzuentwickeln, dass sie nachhaltig wettbewerbsfähig und solide aufgestellt sind“, betonte der ZF-Vorstandschef nun. „Uns ist bewusst, dass wir dazu auch schwierige, aber notwendige Entscheidungen treffen müssen.“ Dabei wolle man bestmögliche Lösungen für alle Beteiligten finden. 

Wie viele Stellen genau bis 2028 gestrichen werden sollen, ist noch unklar - und hängt auch von der Entwicklung der Märkte ab. „Die Reduzierung soll soweit möglich sozialverträglich geschehen, indem ZF die demografische Struktur der Belegschaft und die Fluktuation nutzt.“ Betriebsbedingte Kündigungen schließt der Konzern nicht aus. Abfindungsprogramme seien ebenfalls denkbar. Das Unternehmen will unprofitable Werke möglicherweise schließen - wie im vergangenen Jahr für das Werk in Gelsenkirchen angekündigt.

Nachfrage nach E-Autos schwächelt

ZF rechnet mit einer rückläufigen Nachfrage nach einem seiner Kernprodukte, den Getrieben. Diese werden in E-Autos nicht benötigt. Sorgenkind der Friedrichshafener ist aber auch die Division für elektrifizierte Antriebstechnologien. Wie andere deutsche Zulieferer hat ZF viel Geld in die Entwicklung von E-Motoren, Software und Komponenten investiert. Aber der Wettbewerb ist hart. Hinzu kommt, dass die Technologien aktuell kaum Geld abwerfen - auch, weil die Nachfrage nach E-Autos schwächelt. Das führe zu Überkapazitäten in den mit hohen Investitionen eingerichteten Produktionslinien, hieß es.

Deshalb soll Abläufe, Prozesse und Strukturen dieses Geschäftsbereichs besonders unter die Lupe genommen werden. „Trotz der aktuellen Marktsituation ist klar: Der Elektromobilität gehört die Zukunft. Wir sind hier in Vorleistung gegangen und werden in diesen Bereich auch weiterhin stark investieren“, sagte ZF-Chef Klein. Wegen der veränderten Marktperspektive müsse man aber auch für Kooperationen offen sein - und diese prüfen.

Das hoch verschuldete Unternehmen hat sich erst im Frühjahr ein strenges Sparprogramm auferlegt. In diesem und im kommenden Jahr sollen die Kosten weltweit um ungefähr sechs Milliarden Euro gesenkt werden, hieß es. Auch, um den E-Wandel stemmen zu können.

Nicht nur bei den Personalkosten wird der Rotstift angesetzt

Haupttreiber der Sparmaßnahmen sind die hohen Schulden des Konzerns. Im vergangenen Jahr lagen diese bei zehn Milliarden Euro. Das Geld hatte sich ZF vor allem für die Käufe des Autozulieferers TRW und des Bremsenspezialisten Wabco geliehen. Die Zinswende belastete den Konzern zusätzlich. Er bezahlt aktuell Hunderte Millionen Euro für den Schuldendienst.

Das verengt die Spielräume von ZF: Denn der Zulieferer, der mehrheitlich der Zeppelin-Stiftung der Stadt Friedrichshafen gehört, muss trotz E-Auto-Schwäche kräftig investieren, um mit der Konkurrenz Schritt halten zu können. Allein in den kommenden drei Jahren plant ZF weltweite Zukunftsinvestitionen von rund 18 Milliarden Euro, beispielsweise in Forschung und Entwicklung. Bis zu 30 Prozent könnten nach Deutschland fließen.

Nicht nur bei den Personalkosten wird daher der Rotstift angesetzt. Bereits seit längerer Zeit wird bei ZF an verschiedenen Stellen gespart - und sogar der Verkauf der Sicherheitstechnik-Sparte geplant. Das soll die Schuldenlast des Konzerns deutlich senken. Angekündigt hatte ZF den Schritt schon im Herbst 2022, ein Zeitpunkt für einen Verkauf oder Börsengang war zuletzt aber offen. Die Sparte fertigt vor allem Sicherheitsgurte und Airbags und machte 2023 ein Zehntel des ZF-Umsatzes von rund 46,6 Milliarden Euro aus. 

Weltweit arbeiten rund 169.000 Menschen für ZF. Am Bodensee sind rund 10.300 Menschen beschäftigt. Rund 4900 von ihnen haben eine Beschäftigungssicherung bis Juni 2028. ZF ist an mehr als 160 Produktionsstandorten in 31 Ländern vertreten. In der kommenden Woche will der Konzern seine Halbjahreszahlen veröffentlichen.