Der mögliche Einstieg eines Investors in den deutschen Profi-Fußball hat massive Fanproteste nach sich gezogen. Worum geht es? Fragen und Antworten zu dem Thema.

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Derzeit dauern Partien in der Bundesliga auch mal ein bisschen länger. In vielen Stadien der Ersten und Zweiten Liga sorgen Fans gewollt für Unterbrechungen, indem sie Gegenstände auf den Rasen werfen. Bis diese dann wieder weggeräumt sind, ruht der Ball. Ihr Unmut richtet sich dabei gegen die Verantwortlichen der 36 Profi-Klubs und die Deutsche Fußball-Liga (DFL).

 

Die DFL sucht einen Investor, die Liga will offenbar vor allem die Vermarktung im Ausland voranbringen. „Wir sind nicht bereit, dem Ausverkauf des deutschen Fußballs tatenlos zuzusehen. Um zu verdeutlichen, dass der viel beschworene 12. Mann bundesweit nicht bereit ist, als Teil der Verhandlungsmasse des DFL-Deals mit dubiosen Investoren herzuhalten, werden wir zwölf Minuten schweigen“, hieß es in einem im Dezember veröffentlichten Statement verschiedener Szenen aus ganz Deutschland. Dem Schweigen folgten verschiedene Protestaktionen.

Warum gerade Tennisbälle?

Unter anderem flogen bei verschiedenen Partien – auch zuletzt in Stuttgart – Tennisbälle auf den Rasen. Andernorts kamen aber auch schon Goldtaler, andere Süßigkeiten oder Flummis zum Einsatz. Im Grunde geht es nur darum, eine Pause zu erzwingen – die Gegenstände müssen sich also gut werfen lassen.

Kurioses am Rande: im Berliner Olympiastadion, das noch eine Tartanbahn hat, nutzten die Fans von Hertha BSC in der Ostkurve Ballschleudern, die eigentlich zum Spielen mit Hunden gedacht sind, um mit den Bällen den Rasen zu erreichen. In Augsburg flog ein Klappstuhl aufs Feld.

Dass dazu Tennisbälle genutzt werden, ist im übrigen nicht neu. Schon im Jahr 2016 hatten Fans von Borussia Dortmund im Pokalspiel in Stuttgart (3:1) Tennisbälle auf den Rasen geworfen, der Grund für die Protestaktion, die bundesweit Beachtung fand, war jedoch ein anderer: Das Bündnis „Kein Zwanni – Fußball muss bezahlbar sein“ hatte damit gegen zu hohe Ticketpreise demonstriert.

Warum sind die Fans überhaupt so wütend? Es wurde doch transparent abgestimmt.

Ganz so eindeutig ist das nicht. 24 der 36 Profiklubs hatten im vergangenen Dezember bei der Abstimmung über den Einstieg eines Investors mit Ja abgestimmt. Die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit war somit knapp erreicht. Martin Kind spielte dabei eine zentrale Rolle. Der Geschäftsführer der Profiabteilung von Hannover 96 soll entgegen der Anweisung seines Vereins dafür gestimmt haben. Ohne die Stimme des 79-Jährigen wäre der Deal wohl gescheitert. Zweifel an seinem Abstimmungsverhalten wies Kind damit zurück, dass die Abstimmung geheim gewesen sei. Die meisten Vereine haben ihr Abstimmungsverhalten jedoch anschließend öffentlich gemacht.

Wie lange demonstrieren die Fans noch?

Absehbar ist das nicht. DFL-Präsidiumsmitglied Axel Hellmann hatte den Forderungen der aktiven Fanszene nach einer Neuabstimmung in der Investorenfrage nach etlichen Protesten eine Abfuhr erteilt. In der vergangenen Woche hat die DFL Nun offenbar Fanvertreter zu einem Gespräch eingeladen – das lehnen die Fans jedoch ab.

In einer gemeinsamen Stellungnahme, das von fünf Fan-Zusammenschlüssen unterzeichnet ist, heißt es dazu unter anderem: Das Ziel der DFL sei es nur, erneut zu „erklären, was der Investoren-Deal bedeutet und was nicht. Zweitens Fanvertreter*innen nahezulegen, die Proteste in den Kurven nicht weiter „eskalieren“ zu lassen. Keine Zeile zur Kritik am Zustandekommen des Abstimmungsergebnisses. Keine Zeile dazu, dass damit 50+1 in seinen Grundfesten erschüttert wird. Keine Zeile dazu, wie die DFL auf die Kritiker*innen zugehen will.“

Die DFL ignoriere die Kritik aus den Kurven, „es scheint, als wolle sie den Konflikt aussitzen“, heißt es in dem Fan-Schreiben. „Das jetzige Dialog-Angebot ist kein Umdenken. Es ist ein Feigenblatt. Denn es enthält kein Angebot für Verhandlungen.“ Für die Fans ist klar, es muss neu abgestimmt werden über den Investoren-Deal. „Protest, der nicht wehtut, ist kein Protest. Jetzt tut es ein bisschen weh, aber auch im übertragenen Sinne. Denn es wird ein Fußballspiel unterbrochen. Es wird niemand verletzt, niemandem wehgetan, niemandem geschadet“, sagte der Sprecher des Fan-Dachverbandes „Unsere Kurve“, Thomas Kessen zuletzt dem TV-Sender RTL/n-tv. Die DFL habe „kein Angebot gemacht, das nur ansatzweise verhandlungswert wäre“.

Was der Investoren-Deal aus ihrer Sicht bedeuten würde, erklärt die DFL in diesem Video:

Könnte es einen Spielabbruch in der Bundesliga geben?

Auszuschließen ist das nicht. Die Ultra-Gruppierungen scheinen es sogar darauf anzulegen. In diesem Kontext sind beispielsweise auch die Plakate zu sehen, die beim Spiel von Hannover 96 beim HSV im Auswärtsblock von einigen Unbelehrbaren gezeigt wurden. Darauf waren die Köpfe möglicher Investoren und Martin Kind im Fadenkreuz abgebildet.

Die Regeln der DFL besagen, dass das Spiel wegen solcher Symbole abgebrochen werden können. Am Samstag stand die Begegnung zwischen Union Berlin und dem VfL Wolfsburg (1:0) vor dem Abbruch. Gemutmaßt wird in Expertenkreisen, dass die DFL den Fans, diesen „Erfolg“ nicht gönnen will.

Kommt der Protest lediglich aus den Kurven?

Fredi Bobic hatte im Rahmen des Spiels des VfB Stuttgarts gegen Mainz 05 für Aufsehen gesorgt, weil er sich gegen die Proteste positionierte. Sinngemäß sagte der ehemalige Stürmer: die meisten Fans wollten einfach nur Fußball sehen, die Unterbrechungen würden viele Zuschauer nerven.

Dieser Meinung stellt sich das Fanbündnis, zu dem unter anderem Unsere Kurve e.V. gehört, stellt sich dem entgegen. Es sei „ein Trugschluss zu glauben, dass sich nur ein Bruchteil der Fans gegen den DFL-Investoren-Einstieg und vor allem dessen Zustandekommen positioniert. Der Protest wird bundesweit getragen und das Zustandekommen der Zwei-Drittel-Mehrheit mit Vehemenz in Frage gestellt.“

Gestützt wird diese Position unter anderem von einer Umfrage, über die der Spiegel zuerst berichtete. Demnach steht eine Mehrheit der deutschen Fußballfans dem Ansinnen der DFL kritisch gegenüber. Eine Umfrage ergab, dass rund 62 Prozent einen Investoreneinstieg ablehnen. Sportwissenschaftler hatten in Zusammenarbeit mit der Umfrageplattform FanQ in der ersten Februarwoche 2090 Personen befragt.

Hat der Protest schon etwas gebracht?

Durchaus. Die Zweifel am Abstimmungsergebnis haben unter anderem VfB-Präsident Claus Vogt – allerdings nicht in offizieller Funktion – dazu bewogen, sich für eine erneute Abstimmung auszusprechen. Ähnlich haben sich auch Vertreter der Hauptstadtclubs Union Berlin und Hertha BSC geäußert.

„Wir begrüßen die öffentlichen Positionierungen einiger Vereinsvertreter, die unsere Position teilen, ausdrücklich. Und wir erwarten von allen DFL-Mitgliedern – von unseren Vereinen –, dass sie entsprechend der jeweiligen Mitgliedermeinung handeln und in Folge dessen für eine Neu-Abstimmung einstehen“, heißt es in dem Schreiben der Fanvertretungen.

Haben die Proteste auch Einfluss auf die Investorensuche?

Ja – und das dürfen die Ultra- und Fangruppierungen durchaus als Erfolg werten. Denn die DFL hat bei der Suche nach potenziellen Geldgebern in dieser Woche einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Wie die Liga am Dienstagabend bestätigte, hat sich das Finanzunternehmen Blackstone aus dem Bieter-Rennen zurückgezogen.

„Wir bestätigen, dass Blackstone nach guten Gesprächen aus verschiedenen Gründen nicht mehr als strategischer Vermarktungspartner der Bundesliga und 2. Bundesliga infrage kommt“, teilte die DFL mit: „Der DFL und den Klubs war stets bewusst, dass durch die im Dezember verabschiedeten Eckpunkte und roten Linien hohe Anforderungen an mögliche Partner gestellt werden.“ Auf Details wolle man angesichts des laufenden Prozesses nicht eingehen, hieß es weiter.

Als Gründe werden in einem Bericht von Bloomberg die Fan-Proteste und das zögerliche Verhalten der Bundesliga-Klubs angeführt. Damit ist nur noch CVC im Rennen, das sich nicht offiziell äußerte. „Der weitere Prozess wird im vorgesehenen Zeitplan mit CVC fortgeführt“, teilte die DFL mit.

Die DFL hatte im Januar die Zahl auf zwei Kandidaten reduziert. Der Finanzinvestor soll Anteile einer DFL-Tochtergesellschaft, in welche die kompletten Medienrechte ausgelagert werden, für 20 Jahre erwerben. Angedacht ist eine Minderheitsbeteiligung eines Partners in Höhe von maximal acht Prozent. Blackstone hatte rund eine Milliarde Euro für die Rechtebeteiligung geboten.