Für jeden neutralen Fußballfan war es ein sportlicher Actionfilm, den kein Regisseur turbulenter hätte inszenieren können – für Björn Lorer, den Trainer des Landesligisten MTV Stuttgart, lässt sich das Fazit hingegen auf drei Worte verkürzen: „Ganz, ganz bitter.“ Nach ihrer 2:3-Niederlage im Verfolgerduell beim SV Waldhausen lecken die Kräherwald-Kicker Wunden. Außer einer verspielten Zwei-Tore-Führung gilt es für sie gleich drei Platzverweise zu verdauen, von denen einer ein größeres Nachspiel haben dürfte.
Es lief bereits die siebte Minute der Nachspielzeit, als es für Lorer und die Seinen ein vollends ärgerlicher Karsamstag wurde. Der Grund: Einem ihrer Kicker brannten die Sicherungen durch. Ecke für den Gegner, eh schon aufgeheizte Atmosphäre. Da deutete der eingewechselte Emin Dougarmagi laut Augenzeugenberichten zunächst an, den Ball ins Gesicht eines hinter der Bande stehenden Zuschauers zu werfen. Dann, als die Schiedsrichterassistentin Daniela Kottmann (SG Altheim, sonst zweite Frauen-Bundesliga) den Vorfall ihrem Chef an der Pfeife meldete, soll sie von Dougarmagi „aufs Übelste“ beleidigt worden sein. Die Rede ist von sexistischen Äußerungen. „Er hat sich leider komplett daneben benommen“, räumt auch Lorer ein. Seine Darstellung, dass auf dem folgenden Weg in die Kabine sein Kicker seinerseits von gegnerischen Fans handgreiflich angegangen worden sei, weist der Waldhausener Fußballchef Harald Drabek „absolut zurück“.
So oder so dürfte Dougarmagi eine längere Sperre bevorstehen. Zuvor hatten bereits seine Teamkollegen Philipp Weippert und Till Flach jeweils Gelb-Rot gesehen, in ihren Fällen vergleichsweise unaufgeregt wegen wiederholten Foulspiels. Die Gäste des MTV Stuttgart beendeten die Begegnung also mit nur noch acht Mann auf dem Rasen. Dass zudem mit null Punkten, berechtigt auch rein sportlich zum Hadern. Denn zumindest eine Spielhälfte lang hatte es ganz anders ausgesehen. „In den ersten 45 Minuten haben wir fast alles richtig gemacht. Das war mega gut“, sagt Lorer. Der Haken an der Geschichte: Ein Spiel dauert halt nicht nur 45 Minuten. In Durchgang zwei kam der Knick, „mit plötzlich völlig gerissenem Faden“, wie der Coach ohnmächtig feststellen musste. „Und in der Summe“, so seine Erkenntnis, „ist das dann eben nicht genug.“ Zumindest nicht gegen einen Gegner dieser Preisklasse, den Tabellenzweiten.
Der in Ausrufezeichen-Manier herausgespielte 2:0-Vorsprung schmolz schließlich wie Schnee in der Frühjahrssonne dahin. Raphael Hahn per Elfmeter sowie Michael-Angelo Triantafillou waren die Stuttgarter Torschützen – der eine nach einem Foul an Mertcan Özocak, der andere nach einem tollen Dribbling durch die Abwehr des Gegners (13./42.). Zum Spieler des Spiels avancierte aber ein Waldhausener, und das just an dem Tag, an dem er von seinem Verein vorab für 400 Einsätze geehrt worden war: Vor allem Kevin Mayer drehte die Partie. Der Routinier hatte an allen drei Treffern seiner Mannschaft direkten Anteil. Zum ersten, erzielt von Alexander Bechthold, leistete er die Vorarbeit (44.). Beim zweiten und dritten, vom Strafstoß-Punkt nach Weippert-Grätsche sowie per Kopf, stellte er selbst seine Knipserqualitäten unter Beweis (74./77.). „Von der Körpergröße und in den Luftzweikämpfen waren wir dann komplett unterlegen“, sagt Lorer.
Zerstoben ist zugleich das Restfünkchen Hoffnung, eine bislang gute Saison vielleicht sogar noch toppen zu können. Statt möglicher drei sind es in der Tabelle zum aktuellen Gegner nun neun Zähler Abstand. Wobei der Kontrahent aus dem Aalener Teilort zudem zwei Spiele weniger absolviert hat. Lorer und sein Team sind an diesem Spieltag vom dritten auf den fünften Platz gerutscht – was ob der Drama-Fülle der eigenen Partie aber zum bloßen Nebenaspekt verkam.
MTV- „Spieler des Spiels“
Sebastian Oehme. Stark in den Zweikämpfen, gut im Spielaufbau – der Winterneuzugang (vom TSV Bernhausen) unterstrich seinen eroberten Stammplatz in der Innenverteidigung. (Nominierungen: 2)
SV Waldhausen: Wille – König (62. Selimi), Herkommer Michael Schiele, Michel – Dolderer, Janik, Schwarzer (90. Arslanovic), Bechthold (90.+1 Yasar) – Uhl (58. Yel) – Mayer (81. Weiß).
MTV Stuttgart: Zimmermann – Wiese (78. Baldi), Weippert, Oehme, Redzic – Triantafillou (70. Haist), Carbone (58. Dougarmagi), Flach, Özocak – Hahn, Lukic (65. Hug).