Gasthof Hasen in Herrenberg Wenn Weihnachten auf den 23. Dezember fällt

Die drei jungen Hasen: Küchenchef Gerhard Nölly (links) mit seinen Geschwistern Arnold und Margrit Foto: /Hasen

Der Koch Gerhard Nölly und seine Geschwister sind im Gasthaus der Eltern aufgewachsen und haben Weihnachten schon an vielen verschiedenen Tagen gefeiert. Inzwischen haben drei von ihnen den Betrieb übernommen.

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

 

Die Weihnachtszeit bedeutet für Gastronomen Hochbetrieb. Firmenfeiern, Familientreffen, romantische Dinner – alles ballt sich im Dezember. Während manche Wirte an Heilig Abend endlich zum Durchschnaufen kommen, bleibt im Gasthof Hasen in Herrenberg die Küche warm. „Da haben wir richtig viel zu tun“, sagt der Küchenchef Gerhard Nölly und erzählt, dass zwar das Team frei hat, aber seine Familie ein bis zwei angereiste Busgruppen bekocht und mit ihnen Lieder singt.

Die Bescherung fällt aber auch bei den Nöllys nicht gänzlich aus: „Wir feiern immer zwei Wochen vorher oder nachher“, sagt Gerhard Nölly. Als er und seine drei Geschwister noch klein waren, hätten sie immer am 23. Dezember Weihnachten gefeiert. „Wir haben das erst mit zwölf kapiert“, sagt er und lacht. Kurzum: Für die Gastronomenfamilie steht der eigene Betrieb an erster Stelle, damals wie heute. Die Eltern haben das Traditionshaus, das es seit dem 16. Jahrhundert gibt, 1985 übernommen und zu einem Gasthaus mit Hotel und Tagungsräumen ausgebaut. Gerhard Nölly, seine beiden Drillingsbrüder und die anderthalb Jahre ältere Schwester sind rund um die Wirtsräume aufgewachsen. Wenn die Eltern abends unten geschafft haben – der Vater in der Küche, die Mutter im Service –, gingen die Kinder in der darübergelegenen Wohnung schlafen. „Das hat meistens geklappt“, sagt er und grinst.

Drei Geschwister führen das Gasthaus

Alle Geschwister sind nach ihrem Abitur zunächst eigene Wege gegangen, haben unterschiedliche Berufe gelernt und in anderen Betrieben gearbeitet. 2015, als die Eltern allmählich ihren Ruhestand einläuten wollten, sind drei der „jungen Hasen“, wie sich das Geschwister-Kleeblatt selbst nennt, in den elterlichen Betrieb zurückgekehrt. Seit 2019 haben Margrit, Arnold und Gerhard Nölly offiziell die Geschäftsleitung inne, der dritte Drilling ist als Maschinenbauer in einem anderen Berufsfeld. Zu dritt teilen sie sich die Bereiche auf: Margrit Nölly leitet die Rezeption, Arnold Nölly ist Sommelier und kümmert sich im Betrieb um Daten, Zahlen und Fakten, Gerhard Nölly ist der Küchenchef. Die Eltern helfen im Hintergrund noch mit – auch indirekt, indem sie immer wieder auf die vier Enkel aufpassen und so ihre Kinder entlasten.

Was das Kochen betrifft, ist Gerhard Nölly der Linie seines Vaters treu geblieben: Es gibt im Hasen gutbürgerliche, gehobene Küche. Neu hinzugebracht hat der Junior Fine-Dining-Gerichte, die in der Speisekarte gesondert als „Kulinarischer Spaziergang“ aufgeführt werden. „Die Gerichte sind sehr filigran und sterne-like zubereitet“, sagt der Koch. Das kommt nicht von ungefähr: Nölly hat seine Lehr- und Wanderjahre ausschließlich in Sternegastronomien zugebracht. Seine Lehre absolvierte er im Adler in Asperg, ging dann ins Waldhotel Fletschhorn in der Schweiz, zum Breitenbach und zur Speisemeisterei in Stuttgart sowie ins Schloss Loersfeld in Köln.

Sterneköche verwerten alles

Warum die Gourmetküche? „Mich fasziniert daran die unglaubliche Kreativität, die man auf den Teller packen kann“, sagt der 37-Jährige. Außerdem gefalle ihm, dass sich Gäste bei Spitzenköchen eher trauten, etwas auszuprobieren, das sie sonst nicht essen würden. Und er schätze das Vorgehen, Produkte komplett zu verwerten. „Gerade bei Ein-Sterne-Köchen gibt es einen immensen Kostendruck. Dadurch findet alles einen zweiten Lebensweg, nichts wird weggeworfen.“ Als Beispiel nennt er Geflügel, bei dem nicht nur die Brust verwendet werde, sondern die Keulen gefüllt, die Knochen zum Auskochen von Soßen oder Fonds genommen und aus den Flügeln Chicken Wings fürs Mitarbeiteressen zubereitet werden. „Mir ist der Respekt vor dem Produkt und den Erzeugern wichtig“, sagt Nölly.

Diese Einstellung hat er auch in den Hasen mitgebracht. Bis auf den Apfelstiel verarbeite er quasi alles, sagt er. Wenn er zum Beispiel wie beim Weihnachtsmenü Rote Bete rund aussteche, lege er die Abschnitte unter die Scheiben. So werden sie trotzdem mitgegessen, der Optik tue es so keinen Abbruch. Ebenso aus der Sterneküche hat Nölly mitgebracht, so gut wie keine Fertigprodukte zu verwenden. „Wir machen extrem viel selber“, sagt er. Auf die Frage, was er und sein Küchenteam nicht selbst herstellen, muss er nachdenken. „Den Nudelteig für die Maultaschen“, fällt ihm dann ein. Ein industrielles Produkt ist er gleichwohl nicht, sondern vom Bauern Hiller aus Bondorf zugekauft.

Regionale Zutaten sind die Grundlage

Das veranschaulicht ein weiteres Grundprinzip von Gerhard Nölly, nämlich regional und saisonal zu kochen. Fast alle Lieferanten kommen aus dem nahen Umfeld; in der Speisekarte führt er sie auf. Es geht den Nöllys dabei um die gute Produktqualität von Erzeugern, die sie persönlich kennen, um kurze Transportwege mit wenig CO2-Ausstoß und auch darum, die Region, die sie lieben, zu stärken.

Die steckt wirtschaftlich momentan in einer Krise, weshalb viele Menschen kein üppiges Budget für das Weihnachtsessen zur Verfügung haben. Gerhard Nölly hat sich deshalb für unsere Leserinnen und Leser ein Menü ausgedacht, das besonders ist – und dennoch erschwinglich. Er schätzt, dass die Zutaten für vier Personen nicht mehr als 30 Euro kosten. Wird es mit Liebe gekocht, so wird es gleichwohl ein unbezahlbares Fest.

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