Am Freitag war der 80. Jahrestag des Massakers am 2. August 1944 im Vernichtungslager Auschwitz, bei dem 4300 Sinti und Roma von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Anlässlich dessen fand in Stuttgart im Hospitalhof eine Gedenkstunde statt.

Die genaue Zahl kennt man nicht. Doch es waren an die 500 000 Sinti und Roma, die im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von den Nationalsozialisten ermordet wurden. 4300 allein in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944. Sie waren die letzten noch Lebenden im „Zigeunerlager“. 2015 hatte das Europäische Parlament den 2. August zum Europäischen Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma erklärt.

 

80 Jahre nach dieser Mordnacht gedachte das deutsche Parlament mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas der Opfer des Verbrechens am Tatort: In der Gedenkstätte Auschwitz- Birkenau. Bei der Stuttgarter Gedenkstunde erschüttern die Zeugenberichte Überlebender.

„Ich war in der Hölle“

Sie alle berichten nüchtern, lakonisch geradezu, von Unsäglichem: „Ich war in der Hölle. Wer es nicht erlebt hat, kann sich nicht vorstellen, wie es dort war. Ich kann nicht alles erzählen.“ Die Sprache hat nicht genug Ausdruck für das Grauen. Das Team des Lernorts Romnikher des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma in Mannheim hat Erinnerungssplitter aus den Zeugnissen von Überlebenden wie Otto Rosenberg, Anja Tuckermann oder Zilli Schmidt zusammengestellt, die von Annette Mayer, Timo Beyerling und Christian Werner vom Ensemble „Stolperkunst“ vom Stuttgarter Lern- und Gedenkort Hotel Silber, vorgetragen wurden.

Sie erzählen auch vom Leben, das zerstört wurde: „Wir waren eine glückliche Familie.“ Große Familien mit engem Zusammenhalt, bürgerlich, in gesicherten Verhältnissen. Umso schärfer schneiden die folgenden Erinnerungen ins Bewusstsein: „Bruder und Schwester wurden von der Arbeit abgeholt und mit dem Lastwagen weggebracht.“ Ein anderer, der den Häschern entkommen war, hat gesehen, „wie sie am Stuttgarter Nordbahnhof in den Zug einstiegen. Sie sind alle nach Auschwitz gekommen.“

Auschwitz als größter Friedhof für Sinti und Roma

Ihnen wurde zur Nummer im Arm ein Z tätowiert: Z für Zigeuner. Sie kamen ins Zigeunerlager. Eine der Überlebenden begegnete als Blockschreiberin täglich dem Arzt Josef Mengele, der sich intensiv für ihre blonde Tochter interessierte: Das passte nicht ins Rassenklischee. Die meisten kamen gleich ins Gas: „Mein Bruder wurde sofort vergast. Die Toten hatten es besser.“ „Es gibt keine Sinti- und Roma-Familie, die nicht Angehörige in Auschwitz verloren hat“, sagte Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma in Deutschland, bei der zentralen Gedenkfeier. Auch sein Großvater wurde dort ermordet. Auschwitz sei der größte Friedhof für die Sinti und Roma.

Keine ausreichende Erinnerung an Leid der Sinti und Roma

Die letzten Sinti und Roma im Lager wussten vor dem 2. August 1944 von dem Mordplan der SS-Männer. Sie wollten es ihnen schwer machen, bewaffneten sich mit allem, was sie fanden, leisteten Widerstand. „Meine Großmutter ist in dieser Nacht gestorben“, berichtete Daniel Strauß vom Landesverband. „Und hätte mein damals 19-jähriger Vater nicht überlebt, wäre ich heute nicht hier und hätte keine Familie mit 100 Angehörigen.“

„Ich wache mit Auschwitz auf und gehe mit Auschwitz schlafen“, hatte Zilly Schmidt in ihren „Erinnerungen einer deutschen Sinteza“ geschrieben. Und appelliert: „Ich will, dass die Welt erfährt, was mit den Sinti passiert ist und es nie vergisst.“ „Das Leid der Sinti und Roma wurde jahrzehntelang nicht anerkannt und wird gesellschaftlich immer noch nicht gebührend erinnert“, betonte die baden-württembergische Landtagspräsidentin Muhterem Aras, die ebenfalls der Delegation in Auschwitz angehörte, und mahnt: „Die Geschichte lehrt uns, wachsam zu sein.“

In der Gedenkstätte „Zeichen der Erinnerung“ am Nordbahnhof bewahren die Namen von 260 Sinti und Roma, darunter 46 Frauen und Männer aus Stuttgart, die Opfer vor dem Vergessen. Ihr Leid hallte in allen nach, die nach der Lesung ihrer auch hier noch gedachten.