Er ist der angeblich wichtigste Künstler der Welt. In Düsseldorf zeigt eine Ausstellung nun, dass Gerhard Richter nicht ganz allein an diesem Erfolg beteiligt ist.
Er hat alles erreicht, was ein Künstler erreichen kann: Seit Jahren steht Gerhard Richter eisern an der Spitze des Rankings „Kunstkompass“ und gilt damit als der wichtigste Künstler der Welt. Für einige seiner Bilder wurden schon mehr als vierzig Millionen bezahlt. Es sei zwar erfreulich, von solchen Rekordsummen zu hören, sagte Gerhard Richter einmal in einem Interview, aber wenn er nicht gut drauf sei, seien solche Erfolge für ihn ein Zeichen, „dass die Zeiten verdorben sind, dass die Käufer nichts von Kunst verstehen, dass ich sie vielleicht betrogen habe“.
Inzwischen ist Gerhard Richter 92 Jahre alt und hat in seinem Leben rund viertausend Bilder gemalt. Da liegt es tatsächlich nahe, dass nicht jede einzelne Arbeit die Preise rechtfertigt, die Sammler zu zahlen bereit sind. Der Kunstpalast Düsseldorf widmet Gerhard Richter nun eine Einzelausstellung, bei der man durchaus vereinzelt Bilder entdecken kann, die nicht unbedingt zu seinen stärksten gehören – wobei es dennoch wichtig war, dass sie Käufer fanden.
Denn „Verborgene Schätze“ zeigt Werke aus rheinischen Privatsammlungen. Das klingt abseitig, aber die Gynäkologen und Zahnärzte, die Bauingenieure, Immobilienunternehmer und Industriellen, die seit den 1960er Jahren seine Werke ankauften, hatten einen wesentlichen Anteil an Richters gigantischem Erfolg. Für ihn waren sie nicht nur finanziell wichtig, sondern hätten „Mitarbeit“ geleistet, weil sie parteilich gewesen seien und die Bilder erst zu dem gemacht hätten, was sie sein sollten.
Nachdem Richter Ostdeutschland verließ, zog er ins Rheinland
Das Rheinland erwies sich für Gerhard Richter schon bald als ideales Umfeld, weil er hier Gleichgesinnte wie Sigmar Polke traf und weil es junge Galerien gab. Nach dem Krieg hatte Gerhard Richter, 1932 geboren, an der Dresdner Kunsthochschule studiert und hätte vermutlich in der DDR als Vertreter des Sozialistischen Realismus reüssieren können. Er aber verließ 1961 den Osten und begann in Düsseldorf ein zweites Studium.
Interessant ist in der Ausstellung zu sehen, dass schon in diesen frühen Jahren angelegt ist, was Richter ausmacht: Statt sich wie viele andere für einen Stil zu entscheiden, verfolgt er zeitlebens unterschiedliche Stränge, malt vergrößerte Fotos ab, arbeitet aber auch abstrakt oder konzeptuell wie bei den zahllosen farbigen Quadraten, die er nach einem eigens entwickelten System entwarf. Er pinselte aber auch nur graue Farbe auf die Leinwand, weil er, wie er behauptet, nicht wusste, was er malen soll. Ausgerechnet diese grauen Bilder waren schon früh bei Sammlern besonders begehrt.
Mit dem Interesse der Sammler stiegen nicht nur die Preise, sondern wurden auch Richters Formate größer. Für die Lobby einer Düsseldorfer Versicherung malte er sogar abstrakte Riesenformate. Gerhard Richter lieferte, was man von ihm wünschte – und versuchte doch, unabhängig zu bleiben. So verlangte er von allen, die sich von ihm porträtieren lassen wollten, ein Foto aus dem Passbildautomaten .
Kunst sammeln, um die Nazi-Vergangenheit vergessen zu machen
Zur Eröffnung der Düsseldorfer Ausstellung gab es Kritik, denn einer dieser Porträtierten war Karl Ströher. Der Besitzer des Wella-Konzerns war aber nicht nur ein begeisterter Sammler, sondern 2013 wurde bekannt, dass er ein Bewunderer Hitlers war und Zwangsarbeiter ausgebeutet hat. Das wird in der Düsseldorfer Ausstellung nun geflissentlich verschwiegen.
Dabei hat Gerhard Richter in seinen Werken doch immer wieder auf die deutsche Vergangenheit und die kollektive Verdrängung hingewiesen – wenn auch nicht mit eindeutigen Botschaften. Denn letztlich geht es ihm immer um die Malerei und die Frage, wie sie sich von Konventionen und Kompositionsprinzipien befreien lässt.
Deshalb projiziert er Fotos vergrößert auf die Leinwand und malte sie verwischt nach, als wären es verblasste Erinnerungen. Er lässt aber auch das Material und also den Zufall mitarbeiten bei der Entstehung seiner Bilder: Mal überstreicht er Fotos mit der Farbe, die noch am Rakel hing, seinem liebsten Werkzeug. Oder er malt auf Alu-Dibond, weil die Farben da stärker ineinander fließen als auf Leinwand. Mit solcherlei Techniken versucht er, sich selbst zu überraschen. Und es hilft ihm dabei, so unglaublich produktiv sein zu können – was das Interesse an seinem Werke erstaunlicherweise bis heute nicht mindert.
Neue Blicke auf die Anfänge des Malers
Porno
In Düsseldorf kann man eine unbekannte Seite von Gerhard Richter entdecken: 1967 malte er eine Studentin mit offensiv gespreizten Beinen. Das erinnert an das legendäre Bild „Der Ursprung der Welt“ von Gustav Courbet. Oder ist es doch nur Pornografie?
Ausstellung
bis 22. Februar, geöffnet Di – So 11 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr. adr