Gerichtsstreit wegen Promotion von Virenforscher Plagiatsjäger prozessieren um Drostens Doktortitel

Regierungsberater und Reizfigur gleichermaßen: der Virologe Christian Drosten Foto: dpa/Markus Schreiber

Hat mit dem Doktortitel von Christian Drosten alles seine Richtigkeit? Zweifeln daran sind zwei Experten nachgegangen, mit unterschiedlichem Ergebnis. Nun verklagt der eine den anderen vor dem Landgericht Stuttgart.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Als „Plagiatsjäger“ kann Stefan Weber eine Reihe von Erfolgen vorweisen. Rund ein Dutzend mehr oder weniger prominente Schummler hat der promovierte Medienwissenschaftler aus Salzburg schon um ihre akademischen Titel gebracht. Zuletzt führten seine Recherchen zum Rücktritt der österreichischen Familien- und Arbeitsministerin, in deren Dissertation er abgeschriebene Passagen und „Kauderwelsch“ moniert hatte.

 

Beliebt macht sich Weber mit seiner Wühlarbeit nicht überall, rechtliche Angriffe sind für ihn nichts Ungewohntes. Doch das Verfahren, das derzeit vor dem Landgericht Stuttgart gegen ihn angestrengt wird, fällt aus dem Rahmen. Dort verklagt ihn ein Mann, den er bisher eher als Kollegen und Mitstreiter hätte ansehen können: Markus Kühbacher, ein promovierter Chemiker aus Wendlingen am Neckar, der im Internet als Experte für Wissenschaftsbetrug firmiert. Auch Kühbacher schaut gerne genau hin, ob bei Titeln und Studien alles seine Richtigkeit hat – etwa bei Ex-Minister Guttenberg oder beim Virologen Streeck.

Gestritten wird um den Vorwurf „fake news“

Beim Rechtsstreit der beiden Doktoren geht es um die Doktorarbeit des bekanntesten deutschen Virenforschers, Christian Drosten. Gewisse Merkwürdigkeiten dabei beschäftigten beide, doch während Kühbacher weiterhin massive Zweifel an dem Promotionsverfahren hegt, sieht Weber die seinen überwiegend ausgeräumt. In seinem Blog bescheinigte er dem „Kollegen“ daher Fake-News - ein Passus, der inzwischen wieder gelöscht ist. Aber damit ist es für Kühbacher nicht getan.

Vor dem Landgericht klagt er laut einer Sprecherin auf die Unterlassung von Äußerungen, nach denen er „wider besseres Wissen falsche Nachrichten verbreite“. Zudem fordere er den Widerruf von Behauptungen, die Zahlung eines „Schmerzensgeldes“ sowie die Feststellung, dass ihm Schadenersatz zustehe. Ursprünglich wollte die 11. Zivilkammer bereits Anfang Mai verhandeln, doch das Verfahren zieht sich hin, auch wegen des Auslandsbezugs. Nun ist ein Termin Ende Juli vorgesehen, bei dem die Kontrahenten persönlich erscheinen müssen.

Irritationen um die Promotion

Kühbacher will den Prozess offenbar auch nutzen, um zu belegen, dass Drosten seinen Doktortitel zu Unrecht führe. Fragen dazu kamen erstmals im vorigen Sommer auf und werden seither im Internet rege diskutiert. Promoviert hat der Coronaberater der Bundesregierung vor zwanzig Jahren am Fachbereich Medizin der Goethe-Universität Frankfurt. Sein Thema war schon damals das Testen: „Etablierung von Hochdurchsatz-Testsystemen für HIV-1 und HBV zur Blutspendertestung.“

Wo aber finde man die Doktorarbeit, fragten Skeptiker vorigen Sommer in einem Youtube-Video. Als die Dissertation schließlich auftauchte, gab es neue Zweifel: sie war erst 2020 in die Unibibliothek und die Deutsche Nationalbibliothek aufgenommen worden. Prompt blühten Spekulationen: hatte Drosten die Arbeit etwa heimlich nachgeschrieben? In einschlägigen Online-Foren ging es hoch her, berechtigte Fragen und dubiose Gerüchte vermischten sich. Im Internet werde „zu meiner Dissertation Unsinn gestreut“, klagte der Professor und verwies an die Pressestelle der Uni.

Uni Frankfurt weist Zweifel zurück

Im Herbst reagierte diese mit einer langen Erklärung. Nichts sei dran an „frei erfundenen Behauptungen“ und den daraus gezogenen Schlüssen. Auch nach mehrfacher Überprüfung bestünden „keine Zweifel“, dass das Promotionsverfahren ordnungsgemäß gelaufen sei. Völlig zu Recht führe Drosten den ihm mit höchstem Lob („summa cum laude“) zuerkannten Titel. Die Arbeit basiere auf drei in Fachmagazinen veröffentlichten Artikeln, die stets verfügbar gewesen seien. Alle notwendigen Unterlagen hätten der Uni rechtzeitig vorgelegen. Wegen der „stark gestiegenen Prominenz“ und vermehrter Nachfragen habe man 2020 dann zusätzliche Exemplare in den Bibliotheken hinterlegt.

Für Stefan Weber sind damit zwar nicht alle Rätsel gelöst, aber zumindest die zentralen Fragen. Drosten sei wohl kein Fehlverhalten vorzuwerfen, folgerte er zuletzt, der Uni aber eine etwas unglückliche Kommunikation. Markus Kühbacher jedoch sieht sich in seiner Skepsis bestärkt. Entgegen der Promotionsordnung, moniert er laut Gericht in seiner Klage, seien die drei Pflichtexemplare nicht bei der Hochschule hinterlegt worden. Dies folgere er besonders aus der Auskunft, die Arbeiten seien durch einen Wasserschaden beschädigt worden. Tatsächlich, ergaben seine Recherchen, habe es keinen Wasserschaden gegeben. Eine Erwiderung des Beklagten, so die Sprecherin, stehe noch aus.

Angesichts der starren Fronten dürfte eine gütliche Einigung schwer sein. Wenn das Gericht Beweise erhebt und Zeugen hört, hoffen die Kritiker, könnte auch Drosten geladen werden. Weber hatte schon im Herbst eine Art Fazit gezogen. Es gebe in dem Fall wohl „zwei Wirklichkeiten: die offizielle Version und jene der Verschwörungstheoretiker“.

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