Die Stuttgarter Börsenexpertin Cornelia Frey rät Frauen, sich dringend mehr für ihre Finanzanlagen zu interessieren. Warum Frauen bei diesem Thema häufig zurückhaltend sind, hat die ZEW-Forscherin Tabea Bucher-Koenen untersucht.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

„Die erste Aktie vergisst man nie“, sagt Cornelia Frey von der Börse Stuttgart. Ihre erste Aktie war eine von der Deutschen Bank. Damals war sie noch Auszubildende bei der Sparkasse – heute, gut zwei Jahrzehnte später, setzt sie sich in Seminaren, aber auch privat dafür ein, dass sich noch mehr Frauen um ihre Geldanlagen kümmern sollten. Laut dem Deutschen Aktieninstitut (DAI) ist lediglich ein Drittel der Menschen, die in Deutschland mit Aktien sparen, weiblich. Warum sich die Frauen in dem Bereich so zurückhalten, hat die Mannheimer Finanzwissenschaftlerin Tabea Bucher-Koenen untersucht. Ein Überblick.

 

Wie denken Frauen über Finanzanlagen? „Auf dem Grillfest unterhalte ich mich mit Männern über Aktien und Kryptowährungen – und die Mädels drehen sich dann oft weg“, sagt Cornelia Frey, einst Wertpapierhändlerin und heute Marktexpertin sowie Moderatorin an der Börse Stuttgart. „Viele Frauen interessieren sich für das Thema Finanzen einfach nicht.“ Ganz nach dem Motto: Um das Geld kümmert sich doch mein Mann.

Frauen verdienten im Schnitt weniger als Männer und hätten eine größere Rentenlücke – deshalb sei auch angesichts der hohen Inflation wichtiger denn je, sich damit zu beschäftigen. Auf Seminaren speziell für Frauen zeige sich dann, dass sie oft nur einen „etwas anderen Rahmen“ bräuchten, um Hemmungen bei dem Thema abzulegen, die im Kreise von Männern aufkommen können.

Cornelia Frey rät Frauen zu mehr Risikobereitschaft beim Wertpapierhandel. Foto: Marc Fippel

Wie sollten Frauen die Anlage angehen? Frey ermuntert Frauen dazu, sich zunächst einen Überblick über ihre Finanzen zu verschaffen und dann ihre Ziele zu definieren: Müssen Schulden getilgt werden? Braucht es einen Notgroschen? Soll Geld für den Urlaub, das Auto oder die Rente angespart werden? Sodann gehe es um die Frage: Will man sich selbst mit Aktienanlagen beschäftigen, oder ist professionelle Unterstützung erwünscht? Wer kaum Zeit oder Interesse an Details habe, möge eine Bank oder Frauenfinanzberatung aufsuchen, um ein Gespür für die Möglichkeiten zu bekommen, rät die Börsenexpertin. Aber: „Nicht sofort unterschreiben!“ Wichtig sei, „dass man nur kauft, was man auch versteht – da sollte man sich vorher einlesen“.

Geprägt vom Großvater hat Cornelia Frey schon mit 13 Jahren den Kursteil der Zeitung gelesen und ihr Berufsziel ins Auge gefasst. Heute arbeitet sie seit 21 Jahren an der Börse – eine kühle Zahlenwelt, die in vielen Bereichen noch immer eine Männerdomäne sei. Beruflich darf sie keine Anlageempfehlungen geben. Privat, so verrät Frey dennoch, sei sie ein „großer Fan“ von ETFs (Exchange Traded Funds), also börsengehandelten Indexfonds, die sie als langfristige Vermögensanlage für eine „sehr gute Möglichkeit“ hält. Auch für ihre beiden Kinder zahlt sie monatlich feste Beträge in ETF-Sparpläne ein.

Wie groß ist die Risikobereitschaft? Studien zufolge denken Frauen viel länger darüber nach, bis sie eine Aktie erwerben – auch nehmen sie weniger Transaktionen vor und bleiben ihren Investments länger treu. Ihre Strategien sind eher auf Sicherheit bedacht. Frey kennt aber auch Anlegerinnen, die „total interessiert“ an Einzelaktien seien – „die dürfen sich dann gerne austoben“.

Warum sind Frauen weniger interessiert? Die Wissenschaft hat fundierte Hinweise auf eine sogenannte Geschlechterlücke bei Finanzverhalten und Finanzkompetenz. Ein Grund, warum sich Frauen mit Geldanlagen nicht so stark engagieren wie Männer, ist die Risikoscheu. „Frauen sind oft weniger bereit, Risiken bei Finanzinvestitionen in Kauf zu nehmen“, sagt Tabea Bucher-Koenen, Professorin für Finanzmärkte an der Universität Mannheim. Weiterer Faktor sind die Unterschiede bei Einkommen und Vermögen. Denn: „Wer Vermögen besitzt, investiert das auch eher.“ In diesem Fall also die Männer.

Zudem fühlen sich Frauen unsicherer, was ihr Finanzwissen angeht. Unterm Strich handelt es sich zu einem Drittel um eine Geschlechterlücke im Selbstbewusstsein und zu zwei Dritteln um eine echte Wissenslücke, wie entsprechende Tests gezeigt haben. „Frauen wissen im Durchschnitt schlechter als Männer über Finanzthemen Bescheid – aber sie wissen mehr, als sie von sich selbst denken“, sagt die Forschungsbereichsleiterin am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

Der gleiche Unterschied zwischen den Geschlechtern zeige sich bei Erhebungen in diversen Ländern. Ebenso ist es keine Generationenfrage: „Unter den jungen Frauen ist die Wissenslücke genauso groß wie unter den älteren“, sagt Bucher-Koenen. „Auch die Tatsache, dass die Frauen heute mit einer höheren Wahrscheinlichkeit hohe Bildungsabschlüsse und ein eigenes Einkommen haben, trägt leider nicht dazu bei, dass sie sich beim Thema Finanzen besser auskennen.“ Selbst Singlefrauen, die doch selbst entscheiden müssen, sind im Hintertreffen.

Wie lässt sich die Wissenslücke schließen? „Da sind wir noch auf der Suche“, sagt die Ökonomin. „Mein Eindruck ist, dass sich kulturelle Normen nur sehr langsam ändern und dass man hart arbeiten muss, um die tradierten Rollenmuster zu überwinden, damit der Finanzbereich keine Männerdomäne bleibt und Frauen selbstbewusste Entscheiderinnen werden.“ Es bräuchte zum Beispiel Bildungsprogramme, die nicht nur Wissen, sondern auch praktische Erfahrungen vermittelten. Schon in der Schule müsse mehr über Finanzanlagen vermittelt werden.

Werden Anlegerinnen anders behandelt? Studien zufolge werden Frauen vom Berater im Durchschnitt teurere Produkte empfohlen und seltener Rabatte auf den Ausgabeaufschlag angeboten. Frauen delegierten solche Entscheidungen lieber, Männer suchten eher nur eine zweite Meinung vom Fachmann. „Berater nutzen die Unsicherheit von Frauen, ihnen All-in-one-Pakete wie teure Dachfonds zu empfehlen, weil sie glauben, dass es deren Präferenzen entspricht“, sagt Bucher-Koenen. Das mangelnde Finanzwissen führe dazu, dass Frauen Produktlösungen angeraten werden, die für sie am Ende vor allem sehr hohe Kosten bedeuten.