Gesund ernähren hilft So einfach geht es raus aus der Diabetes-Falle

Oft bleibt Prädiabetes lange unbemerkt. Doch eine Anpassung des Lebensstils kann die Entwicklung zu einem Typ-2-Diabetes meist verhindern. Foto:  

Forscher der Uni Tübingen untersuchen, was bei der Entstehung von Diabetes wichtiger ist: Körpergewicht oder Blutzuckerwerte? Eine Teilnehmerin berichtet von der Studie.

Gesundheit für Menschen in Stuttgart: Regine Warth (wa)

Ines Buchmeier (Name geändert) weiß, wie es ist, wenn dem Körper Insulin zugeführt werden muss, weil er nicht mehr in der Lage ist, den Blutzuckerspiegel zu regulieren. Zwei Schwangerschaften hat die Tübingerin in ihrem Leben gehabt. In beiden hat sie an Gewicht zugenommen. Und in beiden hat ihr Frauenarzt einen Schwangerschaftsdiabetes festgestellt. Ein Schock für die damals Vierzigjährige. „Ich wusste: Wenn ich nicht aufpasse, werde ich an einem Typ-2-Diabetes erkranken und für immer auf Insulinspritzen angewiesen sein.“

 

Heute ist Ines Buchmeier Mitte 50 und braucht kein Insulin. Zwar hat sie immer noch Übergewicht, aber ihren Blutzucker im Griff: „Ich habe gute Werte“, sagt sie. Das Risiko, an Diabetes zu erkranken, ist für sie etwa genauso hoch wie bei einer Frau mit Normalgewicht. „Ich hab es aus der Gefahrenzone geschafft“, sagt Ines Buchmeier.

Das hat die Tübingerin vor allem einer Studie des Universitätsklinikums Tübingen, des Helmholtz Munich und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) zu verdanken. In ihrer Analyse mit mehr als 1100 Menschen konnten die Forschenden zeigen, auf welche Faktoren es tatsächlich ankommt, wenn es darum geht, das Erkrankungsrisiko von Diabetes zu verhindern.

Jeder zehnte Erwachsene ist von Prädiabetes betroffen

Das Hauptaugenmerk der Studie lag vor allem auf Menschen, die ein hohes Risiko für einen sogenannten Prädiabetes hatten. Damit ist gemeint, dass der Blutzuckerspiegel zwar erhöht ist, weil die Körperzellen schlechter auf das körpereigene Insulin reagieren. Aber sie reagiere noch nicht in dem Maße, dass Grenzwerte überschritten werden und sich erste Symptome der Krankheit zeigen.

Das kann sich allerdings schnell ändern, bestätigt Andreas Birkenfeld, Studienleiter und Direktor des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) Helmholtz München an der Universität Tübingen. „Aus einem unbehandelten Prädiabetes entwickelt sich oftmals ein Typ-2-Diabetes.“

Gleichzeitig führe eine Diabeteserkrankung schnell auch zu anderen Leiden wie Krebs oder Herzkreislauferkrankungen. Der Experte geht davon aus, dass bundesweit etwa jeder zehnte Erwachsene von Prädiabetes betroffen ist – oft, ohne es zu ahnen.

Vielen Betroffenen fällt es schwer, abzunehmen

Normalerweise braucht es keine Medikamente, um die riskanten Blutzuckerwerte wieder zu normalisieren: Ein gesunder Lebensstil reicht bei den meisten Menschen aus. Fraglich war aber bislang, was den stärkeren Effekt ausübt: Wenn sich die Betroffenen darauf konzentrieren, einen Teil ihres Übergewichts zu reduzieren – so wie bislang in den Leitlinien verordnet – oder ob es ausreicht, insgesamt gesünder zu leben?

Für Ines Buchmeier war es schon immer schwer, mit viel Bewegung ihr Gewicht zu reduzieren: Mit zwei kleinen Kindern und einem Vollzeitjob blieb in den ersten Jahren erst einmal wenig Zeit für eine regelmäßige Sportroutine. „Ich bin auch nicht der Typ für Fitnessstudios und abendliche Joggingrunden“, sagt sie. Lieber verbindet sie Bewegung mit Alltagsroutinen – etwa dem Einkaufen. „Aber so nimmt man natürlich nicht viel ab.“

Essens-Tagebuch kann helfen, Routinen zu durchbrechen

In der Studie – so merkte Ines Buchmeier es schnell – war dies auch nicht so wichtig. Die Vorgaben in der Gruppe, in der sie eingeteilt wurde, konzentrierten sich auf eine Ernährungsumstellung: So erhielt Ines Buchmeier zuerst eine umfängliche Ernährungsberatung. „Ich musste ein Essens-Tagebuch führen“, sagt sie. Jeder Biss wurde darin vermerkt – und auch die Gründe dafür. So war bei Ines Buchmeier weniger das Hungergefühl ausschlaggebend für ihre Mahlzeiten, denn der familiäre Essensrhythmus. „Auch tat mir ein Snack gut, wenn der Alltag mit Baby und Kleinkind zu stressig war.“

Der Studienleiter Reiner Jumpertz-von Schwartzenberg. Foto: Universitätsklinikum Tübingen.

Unter Anleitung der Studie wurde die Ernährung Schritt für Schritt umgestellt. Da Ines Buchmeier geregelte Mahlzeiten mit den Kindern wichtig waren, versuchte sie diese insgesamt gesünder zu gestalten. „Es wurde mir geraten, ballaststoffreicher zu essen – also mit Hülsenfrüchten, Möhren, Paprika und Kohlsorten.“

Gesunde Ernährung hilft, Blutzuckerwerte zu senken

Doch trotz der gesunden Kost ist das Übergewicht geblieben. Sie ist damit nicht allein: Auch bei 233 weiteren Studienteilnehmern hat die Ernährungsumstellung nicht zu einem Gewichtsverlust geführt. Manche hatten sogar an Gewicht zugelegt. Was sich aber geändert hat, waren die Blutzuckerwerte: Bei mehr als 22 Prozent habe sich der Blutzuckerspiegel normalisiert.

„Ohne Gewichtsverlust hatte diese Gruppe eine bis zu 71 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit an Diabetes zu erkranken“, resümiert der Studienleiter Birkenfeld. „Dieser Wert ist fast identisch zu denjenigen, die mittels Gewichtsabnahme ihr Risiko für Typ-2-Diabetes senken konnten.“

Abnehmen hilft gegen andere Krankheiten

Die Gründe hierfür vermuten die Forschenden in der Fettverteilung im Körper: Bauchfett – auch Viszeralfett – ist dabei besonders schädlich. Denn das setzt Botenstoffe frei, die Entzündungen fördern und den Hormonhaushalt stören, erklärt Birkenfeld. Auf diese Weise komme es zu einer Insulinresistenz. Tatsächlich hatten die Studienteilnehmenden, deren Blutzuckerspiegel sich ohne Gewichtsabnahme wieder normalisierte, aufgrund der Ernährungsumstellung einen geringeren Anteil an Bauchfett als die Gruppe, die nichts verändert hatten.

Für die Forschergruppe aus Tübingen steht fest: „Die Wiederherstellung eines normalen Nüchternblutzuckerspiegels ist das wichtigste Ziel zur Prävention von Typ-2-Diabetes und nicht zwingend die Zahl auf der Körperwaage“, sagt Reiner Jumpertz-von-Schwartzenberg, der zusammen mit Andreas Birkenfeld als Letztautor an der Studie beteiligt war. „Die Leitlinien zur Prävention und Behandlung von Typ-2-Diabetes sollten daher vor allem die Blutzuckerkontrolle und die Verteilung des Bauchfetts berücksichtigen.“

Ines Buchmeier will dennoch abnehmen: „Denn Diabetes konnte ich abwehren“, sagt sie. Andererseits gibt es andere Krankheiten, die durch Übergewicht gefördert werden und beispielsweise das Herz belasten. „Wenn ich gesund alt werden möchte, muss ich daher jetzt aktiver werden.“

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