Göppinger Kreistag Landrat fordert „deutlich spürbare Einschnitte“ – Protest formiert sich

Bei der Kreistagssitzung waren viele der rund 150 Besucherinnen und Besucher aus dem Sozialbereich. Foto: D. Hülser

Markus Möller hat erstmals einen Haushaltsentwurf eingebracht und will vor allem bei Jugend und Sozialem sparen. Es werden bereits Unterschriften gegen die Pläne gesammelt.

Es war die erste Haushaltsrede des neuen Göppinger Landrats Markus Möller. Und gemessen an den Reden seines Vorgängers Edgar Wolff waren Möllers Einlassungen kurz und bündig: In rund 45 Minuten hat er am vergangenen Freitag dem Kreistag und rund 150 interessierten Bürgern im überfüllten Hohenstaufensaal des Landratsamts seine Vorstellungen und Sparpläne dargelegt, Wolff hatte immer mindestens eine Stunde benötigt, oft auch 90 Minuten.

 

Doch Möllers 45 Minuten hatten es in sich: Nie zuvor war ein so großes Sparprogramm verkündet worden, knapp 16 Millionen Euro will der Landrat einsparen, um den klammen Kreishaushalt mit einem Gesamtvolumen von mehr als 450 Millionen Euro zu entlasten. Zwar mache vieles, was er in den jetzt 102 Tagen seiner Amtszeit im Kreis gesehen habe, „Mut für die Zukunft“, sagte Möller. Doch in seiner Analyse des Istzustands zeigte der Verwaltungschef etliche Dinge auf, die seiner Meinung nach schieflaufen. „Das Bild mutiger Aufbrüche ist getrübt“, konstatierte er und listete unter anderem auf: Städte und Gemeinden fehlten Steuereinnahmen, die Deutschen arbeiteten zu wenig, trügen aber eine „extrem hohe Steuer- und Abgabenlast“, es gebe „explodierende Sozialetats“ und „hohe Krankheitstage“. Sein Fazit: „Unsere Probleme sind strukturell.“

Landrat fordert mehr Eigenverantwortung

Möller fordert mehr Eigenverantwortung, „wir haben zu hohe Erwartungen an den Staat und seine Leistungen“. Und an die will er ran: „Schon in meiner Bewerbungsrede habe ich angekündigt, alles, was der Landkreis leistet, auf den Prüfstand zu stellen.“ Die Kommunen sollen nicht weiter belastet werden, deshalb will Möller den Hebesatz für die Kreisumlage, die Haupteinnahmequelle für den Kreis, nicht erhöhen, er soll stabil bei 36 Prozent bleiben. Was unterm Strich trotzdem ein Plus von 15 Millionen Euro im Vergleich zu 2025 ausmacht, das Landratsamt rechnet mit 176 Millionen Euro aus der Umlage. Grund für die Steigerung seien höhere Steuerkraftsummen der Städte und Gemeinden, deren Steuereinnahmen würden steigen.

Schuldenstand in Göppingen über dem landesweiten Schnitt

Um die Sparziele zu erreichen, gehörten „zur Wahrheit“ deshalb „deutlich spürbare Einschnitte in der Leistungserbringung“. Dieser Weg sei strukturell und nachhaltig. „Steuert der Landkreis auf einen Haushalt der sozialen Kälte und der Zumutungen zu? Soll den Menschen etwas weggenommen werden?“, fragte Möller – und lieferte die Antwort gleich mit: „Nein, darum geht es nicht. Wir halten Maß und Mitte.“ Aber: Die baden-württembergischen Landkreise hätten zuletzt im Schnitt einen Schuldenstand von 651 Euro je Einwohner gehabt, die Menschen im Kreis Göppingen hingegen pro Kopf 1096 Euro.

Was soll nun konkret passieren? Möller hat dem Kreistag eine umfangreiche Liste vorgelegt. So sollen alleine 2026 die Personalkosten um 3,3 Millionen Euro reduziert werden, das entspreche rein rechnerisch rund 50 Stellen. In acht Jahren sollen acht Prozent der Stellen in der Kreisverwaltung abgebaut werden. Durch die Streichung des präventiven Ansatzes bei der Schulsozialarbeit sollen jährlich rund 800.000 Euro gespart werden, alle Familientreffs im Landkreis sollen geschlossen werden, Zuschüsse für offene Kinder- und Jugendarbeit, Suchtberatung und die Ehe- und Erziehungsberatungsstelle sollen genauso gestrichen werden wie die Hälfte der Förderung des Kreisjugendrings, Zuschüsse an die Psychologische Familien und Lebensberatungsstelle, die Schwangerenberatung von Pro Familia und die Göppinger Theatertage. Insgesamt umfasst die Streichliste 86 Posten.

Bereits im Anschluss an Möllers Rede beschloss der Kreistag die „Änderung der Satzung über die Erstattung der notwendigen Schülerbeförderungskosten“, somit ist unter anderem die sogenannte „Dritte-Kind-Regelung“ für kinderreiche Familien bereits jetzt abgeschafft worden. Ein Teilverkauf von Anteilen an der Alb-Fils-Klinikum-GmbH steht nun doch noch nicht zur Debatte. Dieser Punkt war bereits auf der nicht öffentlichen Streichliste als „bisher nicht im Haushaltsplanentwurf enthalten“ markiert worden. Allerdings leistet die GmbH auch ihren Beitrag zum Sparen: Bereits umgesetzt wurde die Reduzierung der Öffnungszeiten von 45 auf 31,5 Stunden pro Woche in der Praxis für Allgemein- und Akutmedizin in der ehemaligen Geislinger Helfenstein-Klink, Einsparung: 85.000 Euro pro Jahr. Zudem soll, das Klinikpersonal künftig mehr fürs Parken und Essen bezahlen, die DIN-ISO-Zertifizierung soll wegfallen und es soll Vorruhestandsregelungen und „einvernehmliche Trennungen“ bei der Service-GmbH geben.

Der neue Kreiskämmerer Jochen Haas hatte die Aufgabe, dem Kreistag den 668-seitigen Etatentwurf zusammenzufassen. Knapp eine Million Euro Defizit hätten noch aus der Ergebnisrücklage ausgeglichen werden können, berichtete er. Trotz der umfangreichen Kürzungen enthalte der Haushalt noch immer freiwillige Leistungen in Höhe von 30 Millionen Euro, betonte Haas. Sollten die Fraktionen Änderungen oder die Rücknahme von Streichvorschlägen beschließen, „wäre eine auskömmliche Gegenfinanzierung zu benennen“, kündigte der Kreiskämmerer an.

Online-Petition mit mehr als 2000 Unterschriften

Gegenwehr
 Der Kreisjugendring hat aus Protest gegen die Sparpläne eine Online Petition gestartet. Unter dem Titel „#LöwenherzStattSparpolitik – starke Jugend. Starker Landkreis“ fordert der Verband, der Kreistag solle die geplanten Kürzungen und Einsparungen im Bereich Jugendhilfe, Jugendarbeit und Prävention für den Haushalt 2026 zurücknehmen. Die bisherigen Fördermittel müssten mindestens auf dem aktuellen Niveau fortgeführt werden. „Prävention, Beratung und Jugendarbeit sind keine Sparposten – sie sind das Rückgrat einer funktionierenden Gesellschaft“, heißt es weiter.

Unterschriften
 Bis Sonntagfrüh, 12. Oktober, haben mehr als 2100 Personen unterzeichnet, davon mehr als 1700 aus dem Kreis Göppingen. Die Online-Petition ist unter openpetition.de/!sparalarm zu finden.

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Göppingen