Grand Egyptian Museum Diese Stuttgarterin hat Tutanchamun und den Grabschatz in Szene gesetzt

, aktualisiert am 31.10.2025 - 09:44 Uhr
Shirin Frangoul-Brückner und das von ihr geleitete Atelier Brückner sind bekannt für emotionale Ausstellungs-Inszenierungen – wie zum Beispiel im Grand Egyptian Museum. Foto: Rainer Pfisterer, Imago/Plusphoto

Im Grand Egyptian Museum blickt die Welt auf Tutanchamun. Inszeniert wurde er mit Stuttgarter Expertise: Shirin Frangoul-Brückner weiß, wie man staubigen Relikten Leben einhaucht.

Wenn am 1. November im Grand Egyptian Museum (GEM) in Gizeh endlich auch der vollständig präsentierte Grabschatz Tutanchamuns bestaunt werden kann, richtet sich der Blick nicht nur auf Jahrtausende alte Artefakte. Aus Stuttgarter Perspektive fällt er auch auf das Atelier Brückner, das diesen Teil der Ausstellung inszeniert hat. Kopf der international gefragten Ausstellungsmacher ist Shirin Frangoul-Brückner.

 

Sie zieht die Fäden in dem 130 Mitarbeitende aus knapp dreißig Nationen beschäftigenden Büro. Mit seiner besonderen Handschrift, die auf eine emotionale, spannende Erzählung setzt, holt es nun auch den alten Pharao aus seinem Dornröschenschlaf.

Tutanchamun im Grand Egyptian Museum war Mammutprojekt

Das Tutanchamun-Projekt war auch für Shirin Frangoul-Brückner ein Mammutprojekt, das ihr international renommiertes Büro an neue Grenzen führte. 21016 kam der Zuschlag, 2021 sagte die Architektin und Szenografin unserer Zeitung, dieses Projekt bringe das Atelier Brückner „an eine andere Stelle“: „Ein Weltmuseum, ein Haus in der Klasse eines Louvre oder eines British Museum, haben wir bisher noch nicht gemacht.“

Die Eingangshalle des Grand Egyptian Museum. Foto: Grand Egyptian Museum in Gizeh

Nicht nur wegen der schieren Größe war das Projekt besonders, sondern auch wegen der Umstände. Die Ägypter verlangten höchste Eile. Nur sechs Monate blieben für ein Konzept, für das man sonst Jahre einplant. Shirin Frangoul-Brückner handelte schnell und stellte ein 20-köpfiges Team zusammen, das fortan monatlich nach Kairo flog.

Gestaltung ist für das Atelier Brückner aus Stuttgart kein Selbstzweck

Die Erzählung, die so für die mehr als 5600 Exponate des Tutanchamun-Grabschatzes entwickelt wurde, ist typisch für Shirin Frangoul-Brückners Philosophie. Die lautet: „Form follows content“ – das heißt: Gestaltung ist kein Selbstzweck, sondern entsteht aus der Geschichte, die erzählt werden soll. Im GEM kann das Publikum nun zwei parallelen Strängen folgen, die die Geschichte des Pharaos aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Dieser erzählerische Ansatz sei ein Prinzip, so Shirin Frangoul-Brückner, das sich durch alle Projekte ihres Büros zieht.

Diese Herangehensweise, Exponate nicht nur zu zeigen, sondern sie zum „Nukleus von Erzählungen“ zu machen, hat das Atelier Brückner international bekannt gemacht. Architekten, Bühnenbildner und Innenarchitekten arbeiten in seinem interdisziplinären Team. Ob das Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung in Berlin, das Zukunftsmuseum in Nürnberg oder die Städtebauausstellung in Shenzhen – überall geht es darum, Themen, Geschichte, Räume und Visionen erlebbar zu machen.

Vom GEM geht der Blick bis zu den Pyramiden. Foto: Ahmed Gomaa/XinHua/dpa

Shirin Frangoul-Brückner, 1967 in Bagdad geboren und in Wangen im Allgäu aufgewachsen, kam zur Architektur eher pragmatisch. „Mein Vater ist Iraker, meine Mutter Deutsche. Was die berufliche Ausrichtung anging, waren die Vorstellungen in meiner Familie auf das Studium der Medizin, Jura oder Ingenieurwesen beschränkt“, sagt sie, „Architektur war ein Feld innerhalb des Studiums der Ingenieurwissenschaften, das mich interessierte. Ich war mit dem Thema wenig vertraut und empfand es eine tolle Herausforderung, mit dem Architekturstudium thematisch sozusagen bei Null anzufangen.“

1997 gründete Shirin Frangoul-Brückner ihr Büro

Nach ihrem Studium in Stuttgart gründete sie 1997 gemeinsam mit Uwe Brückner das Atelier, das sie heute alleine führt. Trotz des globalen Erfolgs, bleibt sie in Stuttgart verwurzelt. Hier sanierte sie mit ihrem Büro die Wagenhallen, konzipierte die Ausstellung im Haus der Geschichte, plant aktuell den Neustart für die Villa Berg.

Für Shirin Frangoul-Brückner war ihr erstes großes Erfolgserlebnis, die Ausstellung „Expedition Titanic“ im Hamburger Speicherstadtmuseum 1997, wegweisend. „Es war ein Wahnsinnserfolg, auch weil wir Information und Emotion miteinander verbunden haben“, erinnert sie sich. Ein Paar Arbeiterschuhe, sechs ungeöffnete Champagnerflaschen: das Atelier Brückner verdichtete staubige Relikte zu einem Bild, das „alles über die Geschichte sagt“, beschreibt Shirin Frangoul-Brückner das Konzept, mit assoziativen Vermittlungsideen Wissen zu transportieren und Gefühle anzusprechen.

Als eine der wenigen Frauen an der Spitze eines international erfolgreichen Architekturbüros ist Shirin Frangoul-Brückner auch ein Vorbild. Doch Genderfragen sind für sie zweitrangig. „Ich denke nicht in Kategorien von Mann und Frau, mir geht es um Menschen und ihre Kompetenzen“, betont sie. Im Kairo war diese Haltung nicht immer selbstverständlich. „Für die Gesprächspartner sei es ein Lernprozess gewesen, dass die Delegation aus Stuttgart vorwiegend, manchmal auch komplett weiblich war“, berichtet sie.

Yoga hilft der Szenografin als Ausgleich

Ihr Tipp für gute Teamarbeit? „Zuhören können und nicht sagen, wir wissen schon, wie es geht“, das sei für sie essenziell. „Verstehen, was der Bedarf ist, was der Auftraggeber möchte, unterschiedliche Ansätze und kulturelle Unterschiede wahrnehmen und dann gemeinsam im Team Ideen entwickeln.“

Diese Offenheit und Teamarbeit münden für sie in „maximale Freiheit“. „Ich treffe Entscheidungen und diese werden umgesetzt. Das bedeutet auch, dass ich die Konsequenzen trage, positive wie negative. Das ist maximale Freiheit“, sagt die Mutter zweier Töchter. Den notwendigen Ausgleich für diesen anspruchsvollen Spagat findet sie bei der täglichen Stunde Yoga.

Auftrag für das Grand Egyptian Museum – Krönung einer erfolgreichen Arbeit

Obwohl das Projekt in Kairo aus formaler Sicht längst abgeschlossen ist, hat Shirin Frangoul-Brückner die fertige Tutanchamun-Galerie noch nicht persönlich gesehen. Erst am dritten Tag der Eröffnungsfeierlichkeiten wird sie selbst, wie die anderen Beteiligten, durch die von ihr mitgestalteten Räume wandeln können. Auch für sie ein besonderer Moment, der den Erfolg ihrer Arbeit krönt.

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