In der Feinkost Galeria in Ludwigsburg kamen drei Männer vor Jahren auf die Idee, Gin aus Blutorangen herzustellen. Dabei ist es nicht geblieben – es wurden schon etliche Früchte gebrannt. Ein Besuch in einem Geschäft, in dem es Italien auf dem Teller – und im Glas gibt.

Ludwigsburg : Anna-Sophie Kächele (ask)

Thomas Neff und Alessandro Gregorio sitzen an einem hohen Tisch zwischen Artischocken, Antipasti und Schinken, so groß wie der Unterarm eines Grundschulkindes. Aus der Box oben in der Ecke ist italienisches Radio zu hören, in der Hand halten die beiden einen Schluck ihrer neuesten Kreation: klarer, goldfarbener Curaçao. Die Satoshi-Gründer haben sich für das Gespräch mit der Presse dort getroffen, wo alles begann - wo aus einer ersten Idee die ersten Gehversuche wurden. Jetzt stehen hinter ihnen aufgereiht Flaschen: zwei Sorten Gin und Geist, Cuvée und der Curaçao, der schon rein farblich nichts mit dem zu tun hat, was man in den Cocktail Swimmingpool kippt.

 

Mit jedem Destillieren klüger

In Alessandro Gregorios Laden, der Feinkost Galeria in der Körnerstraße, fühlt es sich an, als hätte man alles, was man an Italien kennt, liebt und schätzt, in eine Tasche gepackt und in Ludwigsburg unweit von der Wilhelm Galerie wieder ausgeschüttet.

2017 lernen sich Alessandro Gregorio, Thomas Neff und Sebastian Stanger dort bei einem Gin-Tasting kennen und beschließen: Wir wollen einen Gin um die Blutorange entwickeln. Die ersten Versuche unternehmen sie mit einer 0,5-Liter-Tisch-Destille in Gregorios Küche. Lernen, dass Angelikawurzel nicht neben Liebstöckel wachsen darf, weil der Gin ansonsten nach Maggi schmeckt. Finden heraus, dass Zitrusfrüchte eine sehr niedrige Temperatur beim Destillieren benötigen, und, „dass es unfassbar viele Parameter bei der Destillation für ein perfektes Produkt gibt“, sagt Neff. Luftdruck, Umgebungstemperatur, die Temperatur des eingefüllten Mazerats, also die eingelegten Rohstoffe in einem Alkohol-Wasser-Gemisch – „am Anfang hat alles nicht so richtig geschmeckt“, sagt Neff.

Heute kennt er den Prozess bis ins kleinste Detail und weiß auch: Am Ende schmeckt jeder Gin, jeder Blutorangengeist ein klein wenig anders, „weil jede jährliche Lieferung Blutorangen ein bisschen anders ist – ein Naturprodukt eben.“

Thomas Neff vor der Destille in Sickenhausen bei Reutlingen Foto: Thomas Neff

Jedes Jahr bekommen die Satoshi-Gründer Moro-Blutorangen direkt von einem sizilianischen Landwirt geliefert – ohne große Umwege vom Baum in die Destille. Teils händisch werden die Früchte geschält und die Schalen schockgefrostet, vakuumiert und tiefgefroren. „Ich kenne keinen Gin-Hersteller, der sich auferlegt, diese saisonale Frucht in den Mengen frisch zu verarbeiten“, sagt Neff. Alle Zutaten werden in Sickenhausen bei Reutlingen in einer angemieteten Brennerei in einem Gemisch aus über 96-prozentigem Neutralalkohol und Wasser eingelegt, um die Aromastoffe, hauptsächlich ätherische Öle, aus den Rohstoffen zu ziehen. Während des Destillierens nach dem klassischen London-Dry-Gin-Verfahren – das einzige mit Reinheitsgebot – werden die Aromastoffe in das Destillat eingebunden. Heraus kommt ein Gin, der fruchtig frisch riecht und schmeckt.

Bitcoin als Startkapital

In den vergangenen Jahren hat Thomas Neff herumexperimentiert, 2021 hat das Team mit der süßen Lambada-Erdbeere gebrannt, die sie vom Obsthof Eisenmann aus Rielingshausen bezog. Wie viel sie produzieren, „ist immer abhängig von den Rohstoffen“, sagt Neff. Von dem Geist der sizilianischen Bitterorange habe es 2024 beispielsweise nur 80 Flaschen gegeben – da nur außergewöhnlich perfekte Bitterorangen vom befreundeten Orangenbauer auf Sizilien aus den Bäumen ausgewählt wurden.

Doch wie kommen drei Männer, von denen einer in Ludwigsburg wohnt, einer es jahrelang tat und der dritte aus dem Kreis kommt, auf den Namen Satoshi, der mehr nach Asien als nach baden-württembergischer Barockstadt klingt? Alle Gründer hatten insgesamt in 1,3 Bitcoins angelegt und das daraus gewechselte Geld 2018 als Anfangskapital in die Marke investiert. Der Erfinder der Bitcoin heißt Satoshi Nakamoto – dass darin die Initialen Alessandro, Thomas, Sebastian im Name stecken, passte ganz zufällig gut dazu. SAT: Sebastian Stanger, der Mann für die Finanzen, Alessandro Gregorio, zuständig für den Bezug der Blutorangen, und Thomas Neff, hauptberuflicher Brenner von Satoshi Spirits, der sich darüber hinaus um das Design der Flasche und Marke kümmert. Jeder im Team habe seine Rolle „und die auch schon früh gefunden“, erzählt der 48-jährige Thomas Neff.

Gin für Liebhaber – der große Hype ist vorbei

Seinen ganz großen Hype habe Gin hinter sich, gibt Thomas Neff zu, der Absatz in Bars gehe zurück – und die Konkurrenz sei groß. „Die Kuchenstücke im umkämpften Gin-Markt werden kleiner, man kann sich nur noch über Qualität behaupten“, sagt Neff. Dass die Satoshi-Gründer die bieten können, haben sie schwarz auf weiß. 2021/22 und 2023 wurden alle Destillate von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) mit Gold ausgezeichnet, der staatliche Bundesehrenpreis in 2022 krönte diese Auszeichnungen.

Die schwarz-weißen Flaschen, die bei genauerem Betrachten viel über die Inhaltsstoffe und die Produktion verraten, stehen nicht nur in der Feinkost Galeria. In Bars wie der Chaplins Bar, der Gaunerei oder auch der Bar AperiGallo in Ludwigsburg werden die Destillate ausgeschenkt, im Stuttgarter Kesselgut verkauft.