Heaven’s Kitchen in Stuttgart Tanja Goldstein will mit ihrem Restaurant die Welt verändern

Tanja Goldstein ist studierte Kapellmeisterin. Das, was sie jetzt macht, hat damit durchaus etwas zu tun. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Seit 2022 betreibt Tanja Goldstein das Heaven’s Kitchen an der Theodor-Heuss-Straße in Stuttgart. In dem Zero-Waste-Restaurant serviert sie den Gästen Veganes und eine ernste Botschaft.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Der Himmel versteckt sich an der Stadtautobahn. Draußen die Stuttgarter Theodor-Heuss-Straße, drinnen Heimeligkeit. Etliche Glühlämpchen verwandeln die Decke in ein Sternenzelt, größere Leuchten baumeln herab. Gäste sind keine da, die Heaven’s Kitchen ist gerade kalt; an einem der Tische bespricht sich das Team. Dann kommt Tanja Goldstein hinter der Theke hervor, eine zierliche, kleine Frau mit großen Ideen. War es ihr Lebenstraum, irgendwann einmal hier, in ihrem nachhaltigen Restaurant zu sitzen? „Nein“, sagt sie.

 

Wer die Quereinsteigerin, die vor Kurzem den Gastro-Gründerpreis bekommen hat, etwas besser kennenlernt, merkt: Was ihr vorschwebt, nämlich die Welt zu verändern, hat trotzdem viel mit Heaven’s Kitchen zu tun. Der Ort, an dem die Gäste vegan und ohne viel Müll frühstücken und dinieren, ist so etwas wie Tanja Goldsteins Sprachrohr. Sie kommt in Kontakt, ist Gastgeberin, inszeniert, irritiert, tauscht sich aus, erklärt. Diese Rolle zieht sich durch ihr Leben: anderen einen Raum zu geben, über sich hinauszuwachsen.

Quereinstieg in einem ganzen Haus an der Theodor-Heuss-Straße

Tanja Goldstein ist 47 Jahre, stammt aus der Nähe von Würzburg, und sie lebt heute mit ihrer Familie in Pliezhausen. Sie ist studierte Kapellmeisterin und hat mit dem Dirigieren rund 15 Jahre ihr Geld verdient. Manchmal übernimmt sie leidenschaftshalber heute noch Aufträge beim Musical in Stuttgart-Möhringen. Als ihr Sohn, der inzwischen 16 ist, geboren wurde, wechselte sie den Job, wagte ebenfalls einen Quereinstieg. Als Projektmanagerin bei einer Digitalagentur hat sie sich nach oben gearbeitet. Irgendwann begann sie privat, sich mit Gesundheit und Ernährung zu beschäftigen und hat ein Fernstudium zur veganen Ernährungsberaterin absolviert, zwischenzeitlich war sie obendrein Heilpraktikerin für Psychotherapie.

2022 war dann das Jahr des nächsten Sprungs ins kalte Wasser: Die von Tanja Goldstein gegründete Firma Urban Concepts hat begonnen, ein ganzes Haus mit neuartigem Konzept an der Theodor-Heuss-Straße zu betreiben. Ein ganzes Haus? In der Innenstadt? „Ich bin jetzt nicht reich“, sagt sie. „Aber es steckt halt ein sehr schlaues Konzept dahinter.“ Sie grinst. Gastronomie gilt seit Corona als unsicheres Gewerbe, deshalb hat sie sich um einiges breiter aufgestellt. Drei Stockwerke vermietet Tanja Goldstein an Firmen, die ihre Werte von einer besseren Welt teilen. Zudem kann man eine Showküche und Räumlichkeiten mit Dachterrasse buchen, und ihr Team catert Veganes bei Events im Haus oder anderswo. Zu diesem Programm passt die Tattoo-Biene auf ihrem rechten Handrücken zwischen Daumen und Zeigefinger. Sie sei fleißig, nützlich, essenziell.

Gängigstes Vorurteil bei veganem Essen: Man werde nicht satt

„Bei der Ernährung läuft alles zusammen“, sagt Tanja Goldstein. Die Gesundheit, das Klima. Seit drei, vier Jahren lebe sie vegan. „Fleisch hat mir geschmeckt“, sagt sie. Dass es aber nicht zwangsläufig zu einem guten Essen dazugehört, will sie mit ihrem Team in Heaven’s Kitchen beweisen. „Das gängigste Vorurteil ist: Man wird nicht satt“, sagt sie. Was der Gast in dem Restaurant an der Theodor-Heuss-Straße ebenfalls schnell lernt: dass man nicht von Tellern essen muss. Die gibt es hier nicht, alles ist darauf getrimmt, möglichst wenig Müll zu produzieren und Ressourcen wie Wasser und Energie zu sparen.

Am besten zeigen kann die Gründerin das im Keller. Denn dort steht die Kompostierungsanlage, die Tanja Goldstein als Idee von einem Praktikum in einem Berliner Restaurant mitgebracht hat. 25 Kilogramm Kompost schaffe die Maschine am Tag, sagt sie. Was übrig bleibt: ein braunes Pulver, das an Kaffee oder Tabak erinnert. Ein Biobauer auf den Fildern düngt damit die Äcker. Sie führt die Maschine auch ihren Gästen vor. Denn genau das sei ihr Auftrag, sagt sie: vormachen und anstecken. „Es geht nicht darum zu sagen: Ich bin der dickste Karpfen im Teich, es geht darum, zu sagen, wie wir die Welt besser machen.“ Um wegen des Klimas in der Zukunft nicht in Teufels Küche zu kommen. „Ich sage immer: Panik machen ja, Panik haben nein.“ Das sei nun einmal „die Welt, in der wir leben“.

Auf keinen Fall will sie missionieren, dann mache der andere dicht. „Ich habe mich gefragt: Wie kann ich es anders nach außen tragen?“ Sie versucht es unter dem Sternenhimmel ihres Restaurants, wo sich die Menschen wohlfühlen, entspannt sind, ihr gerne zuhören und zum Abschied winken. „Eigentlich braucht doch jede Stadt so einen Himmel, oder?“ Mit ihren Visionen ist Tanja Goldstein noch längst nicht am Ende.

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