Mercedes genießt bei Gastarbeitern aus Südeuropa Kultstatus. Kroatiens Auswandererstadt Imotski hat dem Auto nun das vielleicht erste Daimler-Denkmal der Welt gewidmet – und wundert sich über das Desinteresse des Konzerns.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Ein Mann wie ein Fels freut sich sich über das wuchtige Denkmal aus dem Fels. Ein Mercedes stehe für „Wert, Unverwüstlichkeit – und Liebe“, doziert Ivan Topic. Der 59-Jährige in der kroatischen Stadt Imotski lässt den Blick mit Wohlgefallen über das steinerne Stadt- und Statussymbol gleiten: „Wer aus Deutschland mit einem Mercedes zurückkehrte, konnte sich das Mädchen aussuchen, das er heiraten wollte. Wer einen Fiat fuhr, bekam keine ab und musste sein Auto verstecken.“

 

Zwei Touristen lichten sich unterdessen vor der 50 Tonnen schweren Nachbildung eines Mercedes „Strich-Acht“ am Ortseingang von Imotski ab. Seit der Einweihung des in einer Straßenkehre gelegenen Monuments am „Platz der Auswanderer“ Anfang Juni fotografierten im Schnitt 200 Menschen pro Tag das „erste Mercedes-Denkmal der Welt“, berichtet dessen Initiator zufrieden: „Imotski wird bekannt. Und genau das ist unsere Absicht.“

Symbol des in der Fremde erarbeiteten Wohlstands

Hell gleißt die Mittagssonne über die felsige Flanke des Kultautos. Das Denkmal sei nicht dem Mercedes an sich, sondern den Auswanderern von Imotski gewidmet, die der Kleinstadt im dalmatinischen Hinterland das „erste Geld“ gebracht und ihr so das „Tor zur Welt geöffnet“ hätten, erzählt der Vorsitzende des örtlichen Oldtimerclubs: „Sie gingen nach Deutschland, um für ihre Familien etwas Geld für eine Kuh oder ein Fahrrad zu verdienen, aber kauften sich die einzig wahre Sache: Sie kamen mit einem Mercedes zurück.“

Als eine der ersten im früheren Jugoslawien machten sich Anfang der 70er Jahre die „Gastarbajteri“ aus der von der Adria durch das Bergmassiv Biokovo getrennten Region zu Tausenden nach Deutschland auf. Der Kauf eines Mercedes als Symbol des in der Fremde erarbeiteten Wohlstands sollte laut Topic auch den Erfolg ihrer Arbeitsmission symbolisieren: „Zurückkehren, ein Haus bauen und Mercedes fahren: Das ist ein erfolgreiches Leben.“

Generationen sind mit dem Daimler-Stern aufgewachsen

Auch Ivans verstorbener Vater Anton – ein studierter Geschichtslehrer – machte sich 1972 zur Baustellenarbeit nach Deutschland auf und kehrte 1974 mit einem Mercedes zurück. Den damals für 17 000 DM erworbenen W 115 steuert sein Sohn nach 50 Jahren und 1,1 Millionen Kilometer noch immer über die karstigen Anhöhen.

„Ein Mercedes geht niemals kaputt“, sagt der vierfache Familienvater, der Anfang der 90er Jahre selbst auf Baustellen in Frankfurt schuftete. Ganze Generationen seien mit dem Stern aufgewachsen: „Diese Mercedesse fuhren uns in die Schule, in die Kirche und später zur eigenen Hochzeit. Bis heute sind diese Autos quicklebendig und gesund – und fahren noch immer.“ Seine Verwandten würden alle Mercedes fahren, versichert der Familienpatron: „Das Fahren mit anderen Autos würde ich in meiner Familie auch gar nicht erlauben.“

Staat, Stadt und Sponsoren zogen an einem Strang

Die Idee für das Denkmal ließ den umtriebigen Mercedes-Liebhaber schon seit fünf Jahren nicht ruhen. Anfangs sei er in der Stadt „als starrköpfiger Esel verspottet“ worden: „Manche sagten mir, ein Auto ist kein Gott, warum willst Du dafür ein Monument errichten? Aber das Denkmal hat nichts mit Religion oder Politik, sondern mit dem Gedenken an unsere Auswanderer zu tun. Und als die Leute sahen, dass hier etwas Schönes entsteht, zogen alle mit.“

Von der Kommune erhielt der Oldtimerclub den Grund und Boden, vom Staat die erforderlichen Genehmigungen – und sammelte bei privaten Sponsoren 50 000 Euro an Spenden für das Denkmal ein. Ein Jahr hämmerten und schliffen über ein Dutzend Kunststudenten aus ganz Kroatien unter Anleitung des Bildhauers und Steinmetzes Mislav Rebic die charakteristische Kühlerhaube des „Strich-Acht“ aus dem harten Gestein.

Angela Merkel ist nicht gekommen

Blaskapellen marschierten auf. Deutsche und kroatische Fahnen wurden geschwenkt, als der steinerne Mercedes am 8. Juni feierlich enthüllt und von einem Priester mit Weihwasser besprenkelt wurde. Das in der Stadt kursierende Gerücht, dass Angela Merkel zur Einweihung kommen würde, bewahrheitete sich zwar nicht. Doch nicht nur Hunderte von Mercedes-Oldtimern aus ganz Europa waren zur Feier des Tages zu dem großen Volksfest mit über 10 000 Besuchern angerollt: In- und ausländische TV-Stationen sowie Vertreter der Weltpresse verbreiteten die Kunde von dem zu Stein gewordenen Mercedes in ganz Europa.

Ganz fertig sei das Monument allerdings noch nicht, berichtet Topic. An Radkappen und auf der Haube fehle noch der Stern. Zudem solle die unansehnliche Parkplatzbrache hinter dem mit einem Feigenbaum und Weinreben bepflanzten Denkmalfels noch in einen kleinen Stadtpark mit Springbrunnen und Globus verwandelt werden – mit Imotski als Mercedesnabel der Welt.

Für Befremden in Kroatiens germanophiler Benz-Hochburg sorgt allerdings das Desinteresse der Stuttgarter Konzernzentrale. „Wir haben Mercedes monatelang so oft angeschrieben und zur Einweihung eingeladen, aber die hielten es nicht einmal für nötig, uns zu antworten“, berichtet der enttäuschte Denkmalsvater. Erst drei Tage vor der Einweihung begründete eine Marketing-Mitarbeiterin die späte Absage in einer E-Mail mit der „laufenden Event-Saison“, die es Mercedes leider unmöglich mache, „diese Veranstaltung zu begleiten“.

Höchste Daimler-Dichte der Welt?

Zulassungen
 Schon vor dem blutigen Zerfall Jugoslawiens in den Kriegen der 1990er Jahre hatte sich das unweit der Grenze zu Bosnien gelegene Imotski dank seiner fleißigen Arbeitsemigranten den Ruf als Mercedes-Metropole erworben. Heute hat die Provinzstadt etwa 10 000 Einwohner. Von den insgesamt 16 000 zugelassenen Fahrzeugen sind rund 8000 ein Produkt des Stuttgarter Autoherstellers. Laut Ivan Topic, dem Initiator des Daimler-Denkmals, ist das die höchste Mercedes-Dichte der Welt.