Internes Rundschreiben Weniger Homeoffice – Bosch ruft Beschäftigte zurück ins Büro

In Renningen sind zentrale Forschungsfunktionen von Bosch angesiedelt. Auch an dem vergleichsweise neuen Standort ist das Homeoffice verbreitet. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Durch Corona hat das Homeoffice einen gewaltigen Aufschwung erfahren. Die Pandemie ist längst vorbei, die Präsenz aber weiter gering. Zu gering, meint die Bosch-Führung und will nun gegensteuern.

Automobilwirtschaft/Maschinenbau : Klaus Köster (kö)

„Ich bin eine Präsenzkultur gewöhnt, die früher in unserem Haus sehr verbreitet war“, sagte der einstige Bosch-Personalchef Christoph Kübel. „Doch wir wollen weg von der Präsenz- und hin zu einer Ergebniskultur.“ Diese Aussagen, mittlerweile elf Jahre alt, zeigen, wie wichtig Bosch schon früh die Flexibilität im Arbeitsleben war. Doch inzwischen scheint das Pendel zu weit ausgeschlagen zu sein – und der Konzern reagiert darauf.

 

In einem internen Rundschreiben fordert die Bosch-Führung die Beschäftigten nun auf, wieder häufiger ins Büro zu kommen. Bisherige Appelle hatten offenbar wenig bewirkt. Ziel ist eine bessere Balance zwischen Homeoffice und Präsenzarbeit, um das soziale Miteinander und die Teamdynamik zu stärken. Als Richtgröße gibt das Unternehmen aus, dass wieder 60 Prozent der Arbeitszeit oder mehr im Büro verbracht werden sollen.

Lange warb Bosch für mobile Arbeit

Christoph Kübel war bis 2020 Arbeitsdirektor von Bosch. /Wolfram Scheible

Dabei hatte Bosch lange Zeit das Gegenteil forciert: Die Beschäftigten sollten aus den Büros herausgelockt werden, um mobile Arbeitsweisen für sich zumindest zu erproben. Während der Corona-Pandemie forcierte das Unternehmen diese Bemühungen – auch, um trotz strenger Kontaktregeln die Arbeit aufrechterhalten zu können. Unter Kübels Nachfolgerin Filiz Albrecht wurde die Initiative „smart work“ gestartet, die eine nachhaltige Veränderung der Arbeitskultur zum Ziel hatte.

Auf der Unternehmenswebsite ermutigte Bosch seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die neuen Freiheiten zu nutzen. „Für uns zählen in erster Linie Arbeitsergebnisse und nicht, wo du diese geschaffen hast“, hieß es dort. Beschäftigte berichteten positiv von der neu gewonnenen Flexibilität: „Ich bin gerade dabei, ein Haus zu bauen“, wird einer zitiert. „Da es oft egal ist, von wo aus ich arbeite, kann ich auch mal kurz auf der Baustelle sein und dann wieder an einer Besprechung teilnehmen.“

Vorteile der Telearbeit: „Arbeit zuhause spart Treibhausgase“

Und wenn früher ein Kind krank geworden sei, sei mindestens ein Elternteil auf der Arbeit ausgefallen. „Jetzt kann ich sogar in Extremfällen mit Kind im Hintergrund arbeiten.“ Das sei zwar nicht einfach – „aber es ist besser als völliger Stillstand“. Auch ökologisch sei die neue Kultur ein Pluspunkt: „Durch vermehrtes Arbeiten von zu Hause können tonnenweise Treibhausgase eingespart werden“.

Bosch bot den Beschäftigten sogar an, bis zu 54 Tage im Jahr vom Ausland aus zu arbeiten – in frei gewählten Ländern mit Ausnahme einiger weniger, in denen Bosch dies unter Rechts- und Sicherheitsaspekten für bedenklich hielt. Innerhalb kurzer Zeit waren bereits mehrere hundert Anträge genehmigt. Die meisten Beschäftigen zog es nach Spanien, Indien, Frankreich und Italien. Die Rückmeldungen der Beschäftigten seien „überaus positiv“, so Albrecht. Bosch zählte damit zu den Vorreitern unter den Großunternehmen – und war bei den Bedingungen auch großzügiger. So waren bei Adidas damals nur zehn Tage Arbeit im frei gewählten Auslandsbüro möglich, beim globalen Software-Riesen SAP 30.

Doch auch Jahre nach der Pandemie lassen sich viele nur noch selten im Büro blicken. Kreatives Zusammenwirken, kollegialer Austausch und ein Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen seien ohne ein Mindestmaß an physischer Anwesenheit schwer zu erreichen, sagen Arbeitsexperten. Inzwischen scheint das mobile Arbeiten sogar eine Eigendynamik entfaltet zu haben. „Ich würde gern wieder mehr ins Büro kommen“, sagt ein Bosch-Mitarbeiter. „Doch oft bin ich der Einzige dort.“ Deshalb bleibe auch er meist zuhause.

Zu viel Druck bei der Abkehr von der Telearbeit bei Bosch wäre schädlich

Doch Vorsicht ist geboten. Ein zu fordernder Umgang könnte potenzielle Fachkräfte abschrecken, die außer auf Geld auch Wert auf Flexibilität und persönliche Freiheiten legen. „Wer den Eindruck erweckt, vergangene Zeiten zurückholen zu wollen, riskiert, als Arbeitgeber an Attraktivität zu verlieren“, warnen Experten. Auch wenn Bosch derzeit Tausende Stellen abbaut – die Gefahr ist groß, bei unattraktiven Arbeitsbedingungen vor allem diejenigen zu verlieren, die sich wegen ihrer guten Qualifikation den Arbeitgeber aussuchen können.

Bosch geht deshalb einen vorsichtigen Mittelweg: Es gibt Richtgrößen, aber keine starren Vorgaben. Auch Auswärtstermine und Arbeiten an anderen Standorten werden als Präsenztage gewertet. Der rege Reiseverkehr zwischen Standorten wie Abstatt, Schwieberdingen und Feuerbach gehört geradezu zur Unternehmenskultur.

Die völlige Freiheit, ausschließlich von zuhause aus zu arbeiten, war bei Bosch allerdings nie vorgesehen. Selbst der längst ausgeschiedene Personalchef Christoph Kübel setzte sich eher bescheidene Ziele für das Homeoffice: „Bei vielen Terminen ist meine persönliche Anwesenheit erforderlich“, erklärte er. „Aber meine E-Mails, die mache ich abends auch mal gerne zu Hause.“

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