Künftig soll auch in der Plochinger Straße in Esslingen Tempo 30 eingeführt werden – und auf zwei weiteren Straßen. Foto: Ines Rudel
Der Kampf gegen den Lärm geht in Esslingen weiter: Die Stadt ist gesetzlich verpflichtet, demnächst die vierte Stufe des Lärmaktionsplans umzusetzen. Das bedeutet, dass künftig auf drei weiteren Hauptverkehrsstraßen Tempo 30 gelten soll.
Melanie Braun
10.04.2025 - 06:00 Uhr
Ist die Lärmbelastung zu hoch, muss die Stadt gegensteuern – so ist es gesetzlich vorgeschrieben. Viel Ermessensspielraum hat die Stadt Esslingen also nicht: Wenn bestimmte Lärmwerte überschritten werden, ist sie verpflichtet, an diesen Stellen aktiv zu werden. Wie genau sie die Lärmbelastung reduzieren will, wird im sogenannten Lärmaktionsplan festgeschrieben, der alle paar Jahre fortgeschrieben werden muss. Jetzt hat der Gemeinderat die vierte Stufe des Lärmaktionsplans abgesegnet, die Tempo 30 auf drei weiteren Hauptverkehrsadern in der Stadt vorsieht.
Konkret soll künftig im nördlichen Abschnitt der Hirschlandstraße, auf der Plochinger Straße zwischen der Kreuzung mit der Schorndorfer Straße und dem Ortsausgang Oberesslingen und auf der Hauptstraße in Zell östlich des Kreisverkehrs bis zum Ortsausgang Tempo 30 gelten. Grund dafür ist die hohe Lärmbelastung durch den Verkehr in diesen Bereichen. Denn wenn die Lärmwerte tagsüber 67 Dezibel der Frequenz A (dB(A)) überschreiten und nachts 57 dB(A), gelten sie als gesundheitsgefährdend – und die Stadt ist in der Pflicht, Abhilfe zu schaffen.
Tempolimits gelten in Esslingen als sehr effektiv zur Lärmreduzierung
Es gibt verschiedene Ansätze, um den Verkehrslärm zu reduzieren, etwa den Einbau von sogenanntem Flüsterasphalt oder die Einrichtung von Lkw-Durchfahrverboten. „Effektiv ist aber vor allem die Geschwindigkeitsbegrenzung“, betonte Axel Fricke, Leiter des Stadtplanungsamts, in der jüngsten Gemeinderatssitzung. Und eine solche könne man in der Hirschlandstraße, der Plochinger Straße und der Hauptstraße relativ reibungslos einführen.
Denn es ergäben sich dadurch keine schwerwiegenden Auswirkungen auf den öffentlichen Nahverkehr, heißt es aus dem Rathaus: Es würden keine zusätzlichen Fahrer oder Busse benötigt und es fielen keine Kosten für den Nahverkehr an. Es komme lediglich zu einer Fahrzeitverlangsamung für die Buslinie 140 durch Tempo 30 auf Hauptstraße und Plochinger Straße. Deshalb ende die Linie 140 künftig frühzeitiger am Bahnhof Oberesslingen und fahre nicht mehr bis zum ZOB. Ein Umstieg auf andere Busse Richtung ZOB sei aber gewährleistet.
Im Gemeinderat stieß das Ziel des Lärmaktionsplans, durch Lärmminderung für mehr Gesundheitsschutz zu sorgen, auf große Zustimmung. Kritisch sehen viele Stadträtinnen und Stadträte aber den Flickenteppich an Tempolimits, der durch immer mehr Tempo-30-Abschnitte immer unübersichtlicher werde. Auch das vorzeitige Ende der Linie 140 und der damit notwendige Umstieg in Oberesslingen für Fahrgäste, die bis zum ZOB fahren wollen, wurde nicht gerade mit Begeisterung aufgenommen.
So erklärte etwa der CDU-Fraktionsvorsitzende Tim Hauser: „Bei Brüchen im Nahverkehr verliert man immer Fahrgäste.“ Im Übrigen sei man in seiner Fraktion der Meinung, dass Lärmschutz zwar wichtig sei, Tempolimits auf Hauptverkehrsstraßen aber kontraproduktiv seien. „Wenn Hauptverkehrsstraßen nicht mehr attraktiv sind, führt das zur Verlagerung des Verkehrs in Nebenstraßen – mit anderen Problemen.“ Da die Stadt beim Lärmaktionsplan nur einen sehr geringen Handlungsspielraum habe, enthalte sich seine Fraktion.
Esslinger Stadträte kritisieren Flickenteppich an Tempolimits
Auch Annette Silberhorn-Hemminger, Fraktionschefin der Freien Wähler, erklärte, dass Teile ihrer Fraktion sich enthalten würden: „Der Lärmaktionsplan ist ziemlich schwer vermittelbar: Es geht um Gesundheitsschutz, aber er ist auch ein großes Ärgernis.“ Denn teils gelte Tempo 30 auf Straßen, die gar nicht danach aussähen. Die Vorsitzende der Fraktion FDP/Volt, Rena Farquhar, störte sich vor allem an ständig wechselnden Tempolimits: „Der unübersichtliche Flickenteppich ist für viele ein Problem, etwa für Taxifahrer, Handwerker oder auch Busfahrer.“Andreas Fritz, Stadtrat der Grünen, sah eigentlich nichts Neues im Zusammenhang mit dem Lärmaktionsplan: „Wir haben weiterhin das Problem des Flickenteppichs bei den Tempolimits, das wir nicht gelöst bekommen“, erklärte er – aber immerhin sorge die Geschwindigkeitsreduzierung auch für mehr Sicherheit. Der SPD-Rat Daniel Scharpf sagte, der Lärmschutz erscheine seiner Fraktion zwar schlüssig, aber man appelliere an die Stadt, sich beim Bund für die Möglichkeit einzusetzen, flächendeckend Tempo 40 einführen zu dürfen – damit könne man einen Flickenteppich an Tempolimits verhindern.
Die Stadt Esslingen will in weiteren Straßen Tempo 30 einführen. Foto: Ines Rudel
Auch die AfD sprach sich für flächendeckendes Tempo 40 aus und stimmte gegen Stufe 4 des Lärmaktionsplans. Man solle lieber abwarten und bei Klagen dann die Lärmwerte messen statt sie wie bislang nur zu berechnen, befand AfD-Rat Jürgen Häußler. Unterdessen plädierten Tobias Hardt (Linke) und Andreas Klöpfer (WIR/Sportplätze erhalten) für ein flächendeckendes Tempo 30.
Der Lärmaktionsplan in Esslingen
Ziele Gemäß der EU-Umgebungslärmrichtlinie sind Kommunen dazu verpflichtet, konkrete Maßnahmen zur Lärmminderung in Bereichen umzusetzen, die besonders lärmbelastet sind. Ziel ist es, die Lärmbelastung für Betroffene zu reduzieren und damit Gesundheitsschutz zu betreiben sowie die Lebensqualität zu verbessern.
Stufen In Esslingen wurden die Stufen eins, zwei und drei des Lärmaktionsplans bereits abgeschlossen – dabei wurde bereits in verschiedenen Bereichen der Stadt Tempo 30 eingeführt. Teil der dritten Stufe des Lärmaktionsplans war unter anderem die Einführung von Tempo 30 in Teilen der Krummenackerstraße, der Maienwalterstraße und der Sulzgrieser Straße sowie der Köngener Straße, der Mülbergerstraße und der Neckarstraße.