SCH für Schorndorf, KWH für Kornwestheim: Zwölf Jahre nach der Wiedereinführung der Altkreis-Nummernschilder fordern 320 Rathauschefs in Bund, Land und Region, dass auch ihre Städte ein eigenes Autokennzeichen bekommen. Was ist möglich?
BK für Backnang gibt es schon, NT für Nürtingen ebenso. Jetzt regt sich auch in Städten wie Fellbach oder Kirchheim/Teck, die niemals Kreissitz waren, der Wunsch nach eigenen Autokennzeichen. „Ich könnte mir vorstellen, dass KIT in der Bevölkerung gut ankommt“, sagte der Kirchheimer Oberbürgermeister Pascal Bader (parteilos). Auch Fellbachs OB Gabriele Zull (parteilos) sprach sich für lokale Nummernschilder aus. „Für viele Menschen sind sie eine Möglichkeit, ihre Identifikation mit ihrer Stadt zum Ausdruck zu bringen“, sagte Zull.
In den vergangenen Tagen hatte Ralf Bochert, Professor für Destinationsmanagement an der Hochschule Heilbronn, die Rathauschefs von 320 großen Kreisstädten in Deutschland angeschrieben und ihnen teils schon Ansichtsexemplare neuer Nummernschilder beigelegt. Demnach könnten Ditzingen (DIT), Kornwestheim (KWH) oder Sindelfingen (SFI) eigene Ortskennungen erhalten. Für Leinfelden-Echterdingen schlägt der Wissenschaftler LE vor, für Fellbach FE. Das wäre „FE-IN“ und für sie ein „FE-ST“, kommentierte Zull passend in Kennzeichenform. In der „Bild-Zeitung“ warben 14 Rathauschefs vornehmlich aus Nordrhein-Westfalen für die Neuregelung.
Der Wunsch nach mehr lokalem Bezug ist modern
Ralf Bochert ist kein Unbekannter. Er war es, der vor zwölf Jahren die Änderung der Kraftfahrzeugzulassungsverordnung anstieß, mit der zahlreiche Altkennzeichen ein Revival erlebten. Seither sind laut Paragraf 9 mehrere Ortskennungen in einem Kreisgebiet zulässig, vorausgesetzt es hat sie schon früher gegeben. „Ich war überrascht, wie einfach das damals durchging“, sagte Bochert. Der Rückgriff auf die Altkreisnostalgie hätte schließlich auch als Kritik an der Kreisreform der 1970er Jahre gedeutet werden können. Die Einführung von Stadtkennzeichen sei hingegen vorwärtsgewandt. Sie trage dem Wunsch vieler Menschen nach einer stärkeren lokalen Verortung Rechnung. „Das ist modern.“ Die Politik könne dem unbürokratisch und ohne Zusatzkosten nachkommen.
Tatsächlich hat sich die Kennzeichenliberalisierung zu einem großen Erfolg entwickelt. So wurden in Baden-Württemberg 31 Altkennzeichen wieder zugelassen, zuletzt DS für Donaueschingen. Interessant für den Wissenschaftler Bochert ist aber, wo dies nicht gelang. So gab es im Kreis Karlsruhe und im Rhein-Neckar-Kreis bisher keine politischen Mehrheiten für die Wiederkehr von BR für Bruchsal und SHM für Sinsheim. In beiden Fällen führt er dies auf konkurrierende Städte zurück, die kein traditionelles Altkreiskennzeichen vorzuweisen haben. Die Einführung von Stadtkennzeichen, von der dann auch Wiesloch, Weinheim, Bretten oder Ettlingen profitieren würden, könnte solche Blockaden lösen, glaubt Bochert.
Gute und schlechte Kombinationen
In einer Liste hat er aufgeführt, welche Kombinationen er sich für die verschiedenen Städte vorstellen könnte. Es gebe 25 000 Möglichkeiten, die drei Buchstaben zu kombinieren. Da sei für jede Stadt etwas dabei. Gleichwohl gibt es auf der Liste gelungenere und weniger gelungene Kompositionen. SCH für Schorndorf ist noch gewöhnungsbedürftig, GIS für Geislingen/Steige nehme hingegen Bezug auf den historischen Namen Giselingen, betont der dortige OB Frank Dehmer (parteilos). Mit dem Kreis Göppingen fremdelt die Stadt ohnehin seit vielen Jahren.
Seine Untersuchungen hätten ergeben, dass der Mehrwert eines lokalen Kennzeichens von den Bürgern mit jeweils zehn Euro angegeben werde, sagte Bochert. Der Hauptgeschäftsführer des Landkreistages, Professor Alexis von Komorowski, sprach hingegen von einem emotional besetzten Thema. Eine gewisse Zurückhaltung bei der Vergabe neuer Kennzeichen sei im Hinblick auf den Verwaltungsaufwand angebracht.
Ihm sei „das unterstellte Interesse an derartigen Kennzeichen“ in seiner bisherigen Praxis nie begegnet, sagte der Ditzinger OB Michael Makurath (parteilos). Dass nur Städte mit mehr als 20 000 Einwohnern zum Zuge kommen sollten, sei fragwürdig. Dabei dürfte gerade dies die Idee in seiner eigenen Stadt populär machen: Ditzingen bekommt ein eigenes Nummernschild, der zwei Kilometer entfernte Konkurrent Gerlingen aber nicht. Vielleicht denkt Makurath ja genau daran, wenn er sich dafür ausspricht, den Vorschlag zu prüfen: „Der Nutzen muss ja nicht immer im Vordergrund stehen.“
Warum Neckarsulm ein neues Kürzel braucht
Sorgenkind
Bei vielen Städten drängen sich die Kombinationen auf. Doch es gibt auch Problemfälle – zum Beispiel Neckarsulm. Jahrelang forcierte die Stadt in ihrer Werbung das Kürzel NSU. Es wäre auch ein logisches Autokennzeichen. Doch nach der rechtsextremistischen Mordserie, die unter diesem Kürzel stattfand und die auch im nahen Heilbronn einen Schauplatz hatte, ist das Kürzel verbrannt. Professor Ralf Bochert schlägt für Neckarsulm deshalb NC vor.
Doppelbesetzung
Eigentlich kommt für Leinfelden-Echterdingen ja nur LE in Frage. Doch das ist schon durch Lemgo, ein Altkennzeichen, besetzt. Überlegungen stattdessen LEC zu nehmen, hat Bochert inzwischen wieder ad acta gelegt und ist zu LE zurückgekehrt. Denn glücklicherweise will in Lemgo kaum jemand dieses Kennzeichen. Die Autofahrer wählen lieber LIP für Lippe. Auch dies ist eine Form von Patriotismus: Lippe war im Deutschen Reich ein eigenständiger Zwergstaat. Und schließlich gibt es auch bei BK eine Doppelbesetzung. Diese beiden Buchstaben teilen sich Backnang mit dem Bördekreis in Sachsen-Anhalt.