Seit dem 16. Dezember ist es offiziell – die Koalas in der Terra Australis in der Stuttgarter Wilhelma sind nicht mehr nur zu viert, sondern zu sechst. Gleich zwei Babys kamen zur Welt. Wie machen sich die Kleinen? Ein Besuch vor Ort.

Die frisch gebackene Koala-Mutter Auburn sitzt vorne auf einem Baum in einer Astgabel und ist im Besucherbereich sehr gut zu sehen. Ihr Kleines, das sie vor sechs Monaten geboren hat, sitzt noch im Beutel. Doch ab und an blitzt etwas auf.

 

Ein paar wenige Besucher, meist Senioren und Eltern mit kleinen Kindern, sind an diesem Morgen schon da und haben ihre Kameras mitgebracht. Es ist ruhig und alle schauen, ob sich bei der Mutter am Beutel etwas bewegt. In der Tat. Da schaut eine Pfote raus. Sofort werden Fotos gemacht. Und wenig später ist sogar kurz ein kleines Köpfchen zu sehen. Es sieht noch nicht aus wie die wuscheligen Koalatiere.

Geheimnisvolles liegt in der Luft in der Terra Australis

Geheimnisvolles liegt in der Luft in der Terra Australis. „Weiter oben sitzt die andere Mutter, Scar“, sagt Mario Chindemi. Der Pfleger arbeitet seit April vergangenen Jahres in der Wilhelma. Er freut sich mit den anderen riesig über die beiden Geburten, die in einem Abstand von nur zehn Tagen Mitte Juni über die Bühne gingen. Chindemi war bei der zweiten Geburt dabei und konnte beobachten, wie das kleine Neugeborene vom Geburtsausgang zum Beutel gekrochen ist.

An der angestrengten Atmung der fünfjährigen Scar habe er festgestellt, dass die Geburt kurz bevorstehe. „Das war an einem frühen Abend“, sagt er. Sie habe sich entsprechend hingesetzt, bereit, dass das Kleine auf die Welt kommen könne. So eine Geburt sei für ein Koalaweibchen sehr schmerzhaft, erklärt er, weil sie nur einen kurzen Geburtskanal und einen nicht besonders groß ausgebildeten Uterus habe. Das Kleine wird nur 35 Tage von der Mutter ausgetragen, bevor es zur Welt kommt. Die nächste Schwierigkeit wartet, wenn das Neugeborene über das Fell in den Beutel kriecht. „Dann ist der Moment sehr kritisch, weil das Baby die Zitze finden muss.“ Dabei helfe auch ein Sekret, welches in den Poren im Beutel der Mutter gebildet wird und ihn quasi steril macht, damit das Kleine dort beste Bedingungen hat. Dieses Sekret schwappe aus dem Beutel heraus und helfe dem Baby, mithilfe seines Geruchssinns den Weg zu finden.

Es braucht seine Zeit, bis die Zitze gefunden ist

Bis das Kleine im Beutel die Zitze gefunden hat, könne es ein wenig dauern, weiß der Pfleger. In der Zeit sei die Mutter ganz unruhig. Wenn das kleine Joey, so heißt ein neugeborenes Koalababy, die Zitze gefunden habe und sich daran festbeiße, dann bilde die Mutter Milch. Auch das sei für sie nicht einfach.

„Sie haben aber alles toll gemacht und beide kümmern sich sehr gut um ihre Kleinen“, weiß Chindemi, der sehr glücklich ist, dass die Geburten gut geklappt haben.

Auch der stellvertretende Revierleiter Marcel Schneider ist begeistert. Er schneidet gerade das Futter für die Koalas zurecht. Jedem werden vier verschiedene Sorten Eukalyptus angeboten. Die Mütter haben noch zwei extra Sorten zusätzlich, die sie jetzt in der Schwangerschaft und danach gerne fressen: den Eukalyptus der Sorte Robust und den Tereticornis. „Sie sind sattgrün und gut für die Milchbildung“, sagt Chindemi. Dies werde auch die erste Nahrung der Babys neben der Milch sein. „Sie fressen das, was ihre Mütter auch gerne mögen“, sagt der Pfleger.

Die Koala-Weibchen fressen jetzt sehr selektiv

Ein Koala frisst am Tag etwa zehn Prozent seines Körpergewichts, also bei sieben Kilo sind das etwa 700 Gramm. Die vier Koalas bekommen nun eine ganze Schubkarre voll mit Eukalyptus am Tag. Die Mütter auch mal eine weitere Portion. Dabei mögen sie besonders die Blattspitzen. „Jetzt, wo die Babys da sind, fressen sie sehr selektiv“, weiß Chindemi.

Der Tag bei den Pflegern in der Terra Australis beginnt in der Regel um 6 oder 7 Uhr. Der erste Weg gehe zu den Koalas, dann werden auch die Aufzeichnungen der Nachtkamera angeschaut – und welch Überraschung: So konnten sie feststellen, dass der Nachwuchs von Scar nachts schon mal den Beutel verlassen hat. In den nächsten Tagen werde es immer enger darin. Die Kleinen seien jetzt etwa 15 Zentimeter groß und ungefähr 120 Gramm schwer.

Bei den Koalas gibt es Nachwuchs. Foto: Max Kovalenko/Lichtgut

Chindemi rechnet damit, dass sie den Beutel im Januar verlassen. Von der Mutter trinken sie dann noch mindestens ein Jahr lang die Milch und fangen bald an, selbst Eukalyptus zu fressen. Und den können sie dann auch hoffentlich verdauen. Denn: sie haben schon immer wieder von dem notwendigen Pap gefressen, einer besonderen Form des Kots, den die Mütter ausgeschieden haben. Dieser ist mit Inhaltsstoffen versehen, der den Kleinen hilft, den Eukalyptus zu verdauen.

Auch die Besucherinnen und Besucher sind fasziniert

Und dass die Pfleger alles so hautnah verfolgen können, geht nur, weil die Tiere sie kennen. Die Mitarbeiter sprechen immer wieder zu ihnen und wirken mit ihren Stimmen beruhigend auf sie ein. Diese Ruhe übertrage sich dann auch auf die Babys. Und als Chindemi wenig später Auburn die gebundenen Eukalyptuszweige anreicht, dreht sie sofort den Kopf zu ihm und knabbert an den ersten Blättern. Die Besucher sind fasziniert. Auch Petra Ballon aus Stuttgart, die Mitglied im Förderverein der Wilhelma ist und zweimal in der Woche kommt: „Das ist eine Sensation, dass es nach so kurzer Zeit geklappt hat mit dem Nachwuchs“, sagt sie, „das zeigt, dass sie sich hier wohlfühlen.“