Kreis Esslingen Oldtimer faszinieren – „Die Autos haben Charakter“

Das älteste Fahrzeug der Familie ist Heidi Hägeles „Torpedo“ aus dem Jahr 1935. In den anderen Oldtimern hat auch Hund Anton sein Plätzchen. Foto: Roberto Bulgrin

Alte Fahrzeuge, ob Autos oder Motorräder, üben eine große Faszination aus. Heidi und Hans Hägele aus Baltmannsweiler lieben Oldtimer – und können erklären, warum.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Komfortabel ist stark untertrieben. „So bequem sitzt man heute in keinem Auto mehr“, stellt Hans Hägele mit einem Schmunzeln fest. Der Selbsttest überzeugt: Die hellbraunen Polster des Citroën DS 21 haben Sofa-Qualität. Für die Franzosen ist das Auto, das zwischen 1955 und 1975 gebaut wurde, ohnehin die „Göttin“, was sich angesichts des Wortspiels „la déesse“ für DS geradezu aufdrängt.

 

Hägeles pechschwarze „Göttin“ ist die neueste mobile Errungenschaft der Familie aus Baltmannsweiler. Seit diesem Sommer ergänzt der Citroën den Oldtimer-Fuhrpark des 59-Jährigen und seiner Frau Heidi, die nach eigenem Bekunden, „an allem schuld ist“. Die 57 Jahre alte Industriekauffrau hat das Hobby zu Beginn der 2000er – wenn man so will – ins Rollen gebracht.

Mit einem Käfer-Wunsch hat alles angefangen

„Ich wollte wieder einen Käfer haben. Das war mal mein erstes Auto“, sagt sie und zuckt lächelnd mit den Schultern. Es gab ein ebenso günstiges wie schnittiges 1302er-Cabrio – und die Leidenschaft für alte Autos war auch bei ihrem Gatten geweckt. So kam zusätzlich ein Volvo Amazon ins Haus, „den ich leichtsinnigerweise wieder verkauft habe“, bedauert Hans Hägele. Doch das Virus war nicht mehr einzufangen.

Weitere alte Fahrzeuge folgten: Ein P1800 gehörte dazu, ebenfalls aus dem Hause Volvo, zwischendurch mal ein Renault 4 F6. 2013 wurde schließlich der VW Käfer 1302 gegen einen 1200er ausgetauscht, natürlich ebenfalls in der Cabrio-Variante. Und weil die Hägeles gerne Motorrad fahren, stehen eine Norton Commando 850 (Baujahr 1974) und eine Triumph Bonneville 750 (Baujahr 1978) ebenfalls in der Garage.

Vier Vierräder, vier Zweiräder – mehr soll’s nicht werden

Neben den beiden Maschinen, dem Käfer und der „Göttin“, gehören aktuell zwei VW Bussle – ein T2 und ein T3 – sowie ein Schwalbe-Moped aus den 1970ern zum Bestand. Ältestes Gefährt im Haus ist jedoch ein Fahrrad der Marke „Torpedo“ von Heidi Hägeles Oma aus dem Jahr 1935. Und alle stehen nicht nur rum, sondern werden genutzt.

Hans Hägele auf dem „Sofa der Göttin“. Foto: Roberto Bulgrin

Mit dem T2 von 1979 waren Hans und Heidi jüngst auf Korsika, den T3 (Baujahr 1990) bezeichnen die beiden als „Kinderwagen“, da ihre Töchter gerne damit verreisen. Vier Vierräder und vier Zweiräder sind’s also. „Mehr soll’s auch nicht werden“, betont Hans Hägele, der als Architekt und Zimmerer tätig ist. „Wir wollten immer wieder mal ein wenig abbauen, haben es aber nie gemacht“, ergänzt er.

Einschlägige Veranstaltungen werden immer größer

Das wiederum ist ein bundesweiter Trend. Die Zahl der zugelassenen Oldtimer geht seit Jahren nach oben, was sich auch auf den einschlägigen Veranstaltungen zeigt. So waren am vergangenen Wochenende Kielmeyers Oldtimer-Herbsttage auf dem Esslinger Marktplatz trotz schlechten Wetters recht gut besucht.

Den Hype kann Hans Hägele, der sich beim Schurwald Classic Club engagiert, nur bestätigen: „Selbst unsere kleine Hocketse ist in diesem Sommer wahnsinnig groß geworden, so dass sogar an der Kulturhalle, die gar nicht eingeplant war, Autos gestanden sind.“ Und es würden auch immer mehr Besucher kommen, weil die Location einfach toll sei.

Ein Hype, der sich leicht erklären lässt

Als eingefleischte Liebhaber können die Hägeles diese Faszination selbstredend nachvollziehen – und haben auch eine Erklärung dafür parat: „Die Autos haben Charakter, sehen cool aus und heben sich damit vom heutigen Einheitsbrei ab. Zudem ist ihre Technik durchschaubar und deshalb einfach“, sagt Hans Hägele.

Seine Frau hebt einen weiteren Aspekt hervor: „Es ist ein schönes Hobby, weil man Leute trifft, mit denen man schnell ins Gespräch kommt – und zwar mittlerweile über alle Generationen hinweg, weil viele mit den Fahrzeugen Geschichten verbinden, die sie selbst erlebt haben.“ Meist seien es schöne Erinnerungen, fügt sie hinzu. „An Urlaube, an Wochenendausflüge, an die vielen Schnickschnacks und Details, die moderne Autos schlicht nicht mehr haben.“

Hans Hägele nennt noch einen anderen Punkt: „Die Fahrzeuge gibt’s, die Szene gibt’s und viele andere Leute finden es einfach toll, sich schöne Dinge anzuschauen.“ Damit diese „Dinge“ schön bleiben, muss allerdings auch etwas getan werden. „Schrauben gehört dazu“, erklärt er lachend, „aber auch das macht Spaß: meistens zumindest.“

Oldtimer können verschiedene Zwecke erfüllen

Wertanlage
Vermögenden Zeitgenossen dienen Oldtimer als Wertanlage. Gefragt sind dabei ausschließlich seltene Fahrzeuge, die an Wert im Laufe der Zeit mutmaßlich zulegen werden. Auf der Straße sind diese Autos selten zu sehen. Oldtimer sind in diesem Fall eher Investitions- oder Spekulationsobjekte.

Liebhaberei
Was die Liebhaber mit den „Anlegern“ verbindet: Beiden Gruppen ist es wichtig, dass die Karossen möglichst im Originalzustand erhalten sind. Die Liebhaber „führen“ ihre Schätzchen allerdings auch aus, besuchen Oldtimer-Treffen oder nehmen an Rundfahrten teil, um die Freude an ihrem Hobby mit anderen zu teilen.

Nutzung
Zuletzt gibt es Oldtimer-Fans, die ihre Autos – oder Motorräder – mehr oder weniger normal nutzen: Mit dem alten Wohnmobil geht’s in den Urlaub. Der Einser-Golf dient nach wie vor als Alltagsfahrzeug und mit der Goldwing wird am Wochenende gecruised. Braucht es ein Ersatzteil, muss dieses nicht zwingend vom ursprünglichen Hersteller sein, sondern seinen Zweck erfüllen. Auch „moderne“ Ergänzungen dürfen sein.

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