Wie wäre es, wenn jeder Schüler seinen persönlichen Nachhilfelehrer hätte? Der jederzeit Hilfestellung gibt, und zwar egal, ob man im Wald steht und wissen muss, ob die Pflanze vor der Kameralinse des Handys giftig oder der Pilz essbar ist, oder ob man am Schreibtisch sitzt und bei der Mathe-Aufgabe einfach nicht weiter weiß? Das klingt nach Science Fiction, und früher wäre dieser Satz einem politischen Todesurteil gleich gekommen. Aber heute sickert Künstliche Intelligenz immer schneller in den Alltag ein, und was utopisch klingt, kann aber schon bald Realität werden.
Dass die Grünen im Stuttgarter Landtag, angeführt von ihrem Fraktionsvorsitzenden Andreas Schwarz, sich für die Einführung virtueller Tutoren an Baden-Württembergs Schulen einsetzen, gehört zu dieser Art von Projekten. Schwarz versteht es jedenfalls nicht als ferne Utopie, wenn er ziemlich begeistert die Sache mit dem virtuellen Nachhilfelehrer erklärt, der passgenau zum eigenen Lernstand in Englisch, Mathe oder Deutsch Aufgaben stellen und helfen kann, wenn bei den Hausaufgaben nichts mehr geht. Und das jederzeit, weil man das Handy überallhin mitnehmen kann.
Mit dem KI-Tutor kann man richtig reden
Weil die neuen KI-Modelle Augen, Ohren und eine Stimme bekommen haben, muss der lernwillige Schüler dabei nicht einmal mehr seine Fragen eintippen und die Antworten des KI-Assistenten ablesen. Per Handykamera kann er seinem Lernhelfer sein Problem zeigen, es mit Hilfe des Mikros erklären, und, wie Schwarz betont „direkt mit dem KI-Tutor reden“. Er hält diese neuen Möglichkeiten der KI für einen Quantensprung und ist überzeugt, dass man die heutige, mit Sprachnachrichten aufgewachsene Generation so viel besser erreichen kann als mit mancher hergebrachten Lernmethode. „Ich stelle mir das so vor: Schülerinnen und Schüler nehmen ihr Handy, halten das über die Aufgaben – zum Beispiel ein Gleichungssystem – und der KI-Tutor gibt Hinweise“, erzählt der Grünen-Politiker. „Wo steht man momentan? Wie kann ein Lösungsweg aussehen? Und wo findet man noch weitere Informationen?“
Lernen müssen der Schüler und die Schülerin am Ende natürlich immer noch selbst. Aber dass man sich mit dem KI-Tutor ganz normal unterhalten kann, dass er die Schüler auf ihrem jeweiligen Leistungsniveau abholt, hält der Grünen-Politiker für einen Riesenvorteil. Er will, dass der Einsatz von KI an Baden-Württembergs Schulen so selbstverständlich wird, wie es in Unternehmen bereits der Fall ist. „Jetzt müssen wir einen Weg finden, wie wir diese Helfer in Schulen einsetzen können“, fordert er. „Ich will, dass Baden-Württemberg bei solchen Anwendungen bundesweit die Nase vorne hat.“
Wo Bayern einen digitalen Vorsprung hat
Experten gehen seit langem davon aus, dass KI das Lehren und Lernen verändern wird. Niemand glaubt dabei, dass Lehrkräfte durch Roboter oder Computerprogramme ersetzbar sind, aber dass digitale Instrumente in Klassenzimmern und Hörsälen pädagogisch wertvolle Unterstützung leisten können, ist ziemlich unumstritten. Das findet auch Schwarz – solange dabei die Devise „Technologie ja, aber mit Leitplanken“ beachtet wird. Dass es noch Probleme mit dem Datenschutz gibt, weiß er. Der Landesdatenschutzbeauftragte soll nach seinem Willen Lösungen dafür erarbeiten. „Ich bin überzeugt, dass ein KI-basiertes Tool auf dem Handy ein guter personalisierter multimedialer Nachhilfelehrer sein kann“, betont der Grünen-Fraktionsvorsitzende.
Das Land wird sich sputen müssen, wenn es Schwarz’ Ziel einer bundesweiten Vorreiterrolle erreichen will. Laut Informationen der Grünen ist auf der baden-württembergischen Lernplattform Moodle zwar bereits ein KI-Instrument im Testeinsatz. Lehrkräfte können damit Unterrichtsmaterialien für verschiedene Kompetenzstufen erstellen, Schüler ihn als Schreibhilfe oder zur Aufbereitung von Texten nutzen. Aber Bayern hat nach Angaben des Münchner Kultusministeriums alle seine Lehrkräfte bereits vor ein paar Monaten mit einem KI-Assistenten für die Unterrichtsplanung ausgestattet.
Datenschutzkonform, rechtssicher und kostenlos soll das Programm sein, und die Einführung wird mit Fortbildungsangeboten an der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung (ALP) Dillingen flankiert. „ALP-KI“ heißt der Chatbot. Er wurde mit bayerischen Lehrplänen gefüttert, sodass seine Vorschläge auf spezifischen Anforderungen des bayerischen Bildungssystems zugeschnitten sind.