Idyllische Lage, aber unter der Woche mittags oft zu. Viele Landgasthäuser schränken ihr Angebot ein oder schließen ganz. (Symbolbild) Foto: Imago/Schöning
Immer mehr Landgasthäuser im Südwesten geben auf. Ein Grund ist die höhere Mehrwertsteuer, die seit einem Jahr wieder gilt. Wie lange geht das noch gut? Zwei Wirte berichten.
Peter Schwark hat ein gutes Händchen für Kalkulation und Kommunikation. Ansonsten hätte er es wohl nicht geschafft, in seinem Landgasthaus Wiesental im Zollernalbkreis die Preise für Speisen und Getränke im Schnitt um 15 Prozent zu erhöhen. Den Preis für den teuren Zwiebelrostbraten hob er nur um 1,50 Euro auf 31 Euro an, auch bei den günstigen Gerichten schlug er nur wenig auf. Dafür hob er die mittelpreisigen Gerichte und die Getränkepreise deutlich an. „Am Ende ist es eine Mischkalkulation. Auf dem Land muss man das mit viel Fingerspitzengefühl machen.“
Profitiert hat er davon kaum. Weil für ihn die Steuern und Kosten noch stärker stiegen, hatte Schwark 2024 trotz des höheren Umsatzes weniger in der Tasche als das Jahr zuvor. „Von irgendetwas muss ich auch noch leben. In den vergangenen 30 Jahren waren meine Frau und ich viermal im Urlaub, und das meist zuhause. Und wie weit akzeptieren die Kunden noch die Preiserhöhungen?“
„Der Großteil der Betriebe zahlt drauf“, heißt es beim Dehoga
Wie Schwark macht vielen Wirtinnen und Wirten im Land vor allem der höhere Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf Speisen zu schaffen, der seit einem Jahr wieder gilt. Infolge der Pandemie war dieser zur Entlastung der Branche vorübergehend auf sieben Prozent gesenkt worden. Zudem sind die Ausgaben für Lebensmittel, Personal und Energie gestiegen. Nur jedem siebten Gastronomen in Baden-Württemberg gelang es wie Schwark im vergangenen Jahr, die gestiegenen Kosten weitgehend auf die Preise aufzuschlagen, heißt es beim Branchenverband Dehoga. „Der Großteil der Betriebe zahlt drauf.“
Besonders hart trifft es die Speisegastronomie, die nicht auf Take-away-Angebote ausgerichtet ist. Hier gingen im Südwesten die Umsätze preisbereinigt zwischen Januar und Oktober vergangenen Jahres um 7,5 Prozent zurück; im vergangenen Oktober im Vorjahresvergleich gar um mehr als 9 Prozent, wie ein Sprecher betont: „Das bedeutet ,Alarmstufe Rot‘ in vielen Betrieben.“
Die Folgen zeigen sich landauf, landab beim Gasthaus-Besuch. Vielerorts werden Speisekarten verkleinert, um Arbeitsprozesse zu vereinfachen, Gerichte mit hohem Warenwert wie das Rinderfilet werden gestrichen. Investitionen werden aufgeschoben. Zu Zeiten, in denen weniger Umsatz erwartet wird, schließen die Häuser. Schwark sperrt das Gasthaus derzeit nur noch fünf statt sechs Tage die Woche auf und überlegt sich, einen weiteren Tag zu schließen – auch weil Arbeitskräfte fehlen. Wie auf dem Land üblich zählen viele Schülerinnen und Schüler zu den Aushilfen. Doch die haben immer weniger Lust, sich im Wirtshaus das Taschengeld aufzubessern.
Die Gasthaus-Besucher wiederum bestellen weniger: Vorspeisen sind bei Schwark ebenso wie das Dessert eine Seltenheit. Statt zwei oder gar drei Bieren ist es heute oft nur noch eins. Manche Gäste kommen auch seltener.
Das merkt man selbst bei den Landgasthöfen in der einkommensstarken Stuttgarter Region. Hier zieht das idyllisch gelegene Waldgasthaus Krummbachtal in den Wintermonaten etwas weniger Besucherinnen und Besucher aus Gerlingen, Böblingen und Stuttgart an als früher. Das Geschäft mit den Weihnachtsfeiern war mau – von Bosch und Mercedes blieben in diesem Jahr Buchungen aus.
Gastronom Dirk Geiger /Foto: privat
„Die Leute geben noch immer Geld aus – aber häufiger für den Urlaub als für das Essen“, sagt Betreiber Dirk Geiger. „So viel können viele gar nicht mehr verdienen, um ihren Lebensstandard zu halten. Wir Gastronomen sind oft am Ende der Nahrungskette.“
Im Gegensatz zu Schwark hat Geiger die Preise im vergangenen Jahr im Schnitt nur um rund acht Prozent erhöht. Der Verlust sei deutlich gewesen, meint er – „aber mehr hätten wir nicht nehmen können.“ Inzwischen greife er im Winter auf seine Rücklagen zurück, um im Sommer wieder das Geld einzuspielen. „Dieses Auf und Ab ist zermürbend.“
Abstriche mache er bei der Größe der Gerichte oder der Qualität der Zutaten im Gegensatz zu manch anderen Kollegen nicht. „Das halte ich für einen schlechten Weg, denn wir haben einen guten Ruf. Die Leute schätzen eine deftige und üppige Küche und gehen lieber weniger häufig, aber dafür besser essen.“
Oft ist das nicht mehr häufig genug, wie man beim Dehoga betont. Seit 2019 mussten laut dem Verband fast 4000 Gastronomie-Betriebe in Baden-Württemberg schließen – vor allem im ländlichen Raum. „Das ist nicht nur aus Sicht der Bevölkerung ein Verlust, sondern auch ein Problem für die Tourismuswirtschaft, wenn beispielsweise an touristisch attraktiven Rad- und Wanderwegen vor allem unter der Woche immer weniger geöffnete Gasthäuser zu finden sind.“
In der Nähe des Landgasthauses Wiesental im Zollernalbkreis mussten im vergangenen Jahr bereits vier Gasthäuser mit schwäbischer Küche schließen, sagt Peter Schwark. „Die Landgasthäuser sterben aus. Sie müssen an einem Dienstag lange durch den Schwarzwald fahren, um in einer bürgerlichen Gaststätte noch einen Mittagstisch zu finden“, sagt der Gastwirt.
Sorgen bereitet ihm, dass es in manchen Dörfern ohne die Gaststätten keinen Treffpunkt und Kommunikationsort mehr gibt. Dass die älteren Einwohner das Wissen über den Ort nicht weitergeben. 75 Jahre ist er jetzt alt, seine Frau zehn Jahre jünger. Noch sei er mit Freude dabei. „Wenn wir aber aufhören, finden wir keinen Nachfolger mehr“, sagt Schwark. „Wenn wir zumachen, ist es im Ort dunkel.“