Émeric Beautier vom Elevate Cannabis Club Remstal ist im Dachverband der Anbauvereine aktiv. Er erklärt, warum die Lizensierung stockt – und viele Gründer frustriert sind.

Rems-Murr: Chris Lederer (cl)

Ein Jahr nach der Legalisierung von Cannabis kämpfen Anbauvereine in Baden-Württemberg mit langwierigen Verfahren und unklaren Zuständigkeiten. Während laut der aktuellen EKOCAN-Studie bundesweit rund 100 000 Cannabis-Straftaten weniger registriert wurden, warten viele Clubs weiter auf ihre Lizenzen. Émeric Beautier vom Elevate Cannabis Club Remstal berichtet, wie schleppend die Umsetzung verläuft – und was sich ändern müsste.

 

Herr Beautier, seit Monaten warten Sie darauf, in der Region endlich mit dem Cannabis-Anbau zu starten – gefühlt eine Ewigkeit. Warum zieht sich das Genehmigungsverfahren so lange hin?

Wir warten leider immer noch auf die Erteilung unserer Anbaulizenz. Den Antrag haben wir bereits im Oktober des vergangenen Jahres gestellt. Laut Gesetz sollen Anträge innerhalb von drei Monaten bearbeitet werden – bei uns begann die Bearbeitung jedoch erst im Juli.

Woran liegt das?

Nachbesserungsanforderungen der Behörde konnten wir bisher stets zeitnah erfüllen. Allerdings müssen wir regelmäßig sehr lange auf Rückmeldungen des Regierungspräsidiums Freiburg warten. Die zuständige Abteilung ist personell offensichtlich stark unterbesetzt. Seit Beginn der Bearbeitungen am 1. Juli 2024 wurden nach unseren Informationen in ganz Baden-Württemberg lediglich 26 Lizenzen erteilt.

Émeric Beautier baut bereits in Österreich erfolgreich Hanf an. In Deutschland wartet er wie viele noch auf eine Freigabe. Foto: privat

Die nächste große Herausforderung betrifft die Baugenehmigungen und Nutzungsänderungen. Für die Genehmigung zum Aufstellen eines einfachen Bürocontainers haben wir rund sechs Monate warten müssen – obwohl die Vollständigkeitsbestätigung bereits zehn Tage nach Antragseingang vorlag und die Gemeinde nur 15 Tage später ihre Zustimmung erteilte.

„Frust statt Fortschritt“

Ein Jahr nach der Legalisierung – wie ist die Stimmung unter den Anbauvereinen, mit denen Sie in Kontakt stehen? Überwiegt noch der Frust oder wächst Zuversicht?

Aktuell überwiegt leider die Frustration über die vielen Hürden – sowohl bei der Erlangung der Anbaulizenz als auch bei den Baugenehmigungen. Vereine wie unserer sind laut Gesetz ausdrücklich dazu gedacht, eine legale und kontrollierte Alternative zum Schwarzmarkt zu schaffen. Eigentlich ein Vorhaben, das von allen Seiten unterstützt werden sollte.

„Freiheit und Gemeinschaft für viele“

Die EKOCAN-Studie spricht von rund 100 000 weniger Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis. Haben Sie selbst schon das Gefühl, dass sich seit der Legalisierung etwas verändert hat – etwa beim Umgang mit Behörden, in der öffentlichen Wahrnehmung oder im Alltag der Clubs?

Bei anderen Vereinen, die bereits ihre Lizenz erhalten haben und mit der Produktion sowie Abgabe begonnen haben, erlebe ich eine große Begeisterung unter den Mitgliedern. Endlich legal anbauen zu dürfen und sich mit Gleichgesinnten austauschen zu können, ist für viele ein echtes Stück Freiheit und Gemeinschaft.

Können Sie ein Beispiel nennen, wie sich diese neue Freiheit im Alltag der Clubs zeigt?

Besonders schön ist zu sehen, wie vielfältig die Mitglieder sind – vom Studenten über die Rentnerin bis hin zu Geschäftsführern und Anwälten. Diese Vielfalt zeigt, dass verantwortungsvoller Cannabiskonsum längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Der Umgang mit den Behörden gestaltet sich derzeit noch schwierig. Das Thema ist noch sehr neu, und es gibt in Baden-Württemberg bislang nur wenige Praxisbeispiele, an denen sich die zuständigen Stellen orientieren können.

Fehlt es Ihrer Einschätzung nach eher an Erfahrung oder an klaren Richtlinien?

Vieles befindet sich noch in einem langen Findungsprozess – auf beiden Seiten. Es geht dabei vor allem darum, ein gemeinsames Verständnis dafür zu entwickeln, worum es bei Anbauvereinigungen konkret geht: welche gesetzlichen Anforderungen bestehen, welche Bedürfnisse die Vereine haben und welche Lösungsansätze notwendig sind, damit diese Modelle langfristig erfolgreich funktionieren können.

„Genehmigungen sind das größte Hindernis“

Was bremst die Projekte derzeit am meisten – sind es die Genehmigungen, die Finanzierung oder die Auflagen?

Aktuell sind die größten Hürden eindeutig die Genehmigungen – sowohl die Erteilung der Lizenzen als auch die Baugenehmigungen. Die Finanzierung funktioniert bei den meisten Vereinen bereits, wenn sie klein starten und im Laufe der Zeit eigenständig wachsen. Einige Auflagen führen teilweise zu Diskussionen mit den Erlaubnis- und Kontrollbehörden – das ist jedoch bei jedem neuen Gesetz normal. Um Rechtssicherheit zu schaffen, reichen wir als Vereine gezielt Klagen ein. Auch die Behörden sehen dies als legitim an und warten ebenso gespannt wie wir auf die entsprechenden Urteile.

„Der Medizinsektor missbraucht das Gesetz“

Die Bundesregierung will vor allem das Medizinal-Cannabisgesetz überarbeiten. Aus Sicht der Anbauvereine liegt der eigentliche Handlungsbedarf aber im Konsumcannabisgesetz (KCanG). Würden Sie sich wünschen, dass die Regierung stattdessen oder zusätzlich das KCanG nachbessert – und welche Punkte zuerst?

Das Medizinal-Cannabisgesetz betrifft uns als Vereine derzeit besonders stark, da einige Akteure im Medizinbereich Cannabis eindeutig missbrauchen und damit Genusskonsumenten ansprechen.

Was genau kritisieren Sie am Vorgehen dieser Akteure?

Wir sprechen von aggressiver Werbung, Online-Rezepten, die innerhalb von fünf Minuten mit minimaler Prüfung ausgestellt werden, und Cannabis, das einfach per Post ins Hotel geliefert wird. Der Import-Boom für medizinisches Cannabis kommt also sicher nicht nur den Patienten zugute, was wir sehr bedauerlich finden. Zum einen, weil die tatsächlich auf Cannabis angewiesenen Patienten durch die geplante Gesetzesänderung deutlich erschwerten Zugang hätten. Zum anderen, weil Anbauvereinigungen, die für Genusskonsumenten eine legale Alternative bieten sollen, in ihrer Sichtbarkeit und Reichweite eingeschränkt werden. Natürlich gibt es auch im KCanG Nachbesserungsbedarf. Allerdings erscheint es aktuell sehr unrealistisch, dass unter der aktuellen Regierung vor 2029 Änderungen in unserem Sinne umgesetzt werden. Die Studie von EKOCAN soll ihre finalen Ergebnisse erst im April 2028 liefern, die als Grundlage für mögliche Gesetzesänderungen dienen sollen. Danach beginnen bereits die neue Wahlkampagne und die Wahlperiode.

Was sollte sich möglichst schnell ändern?

Wenn kurzfristige Anpassungen im KCanG möglich wären, sollte aus meiner Sicht insbesondere die Begrenzung der Mitgliederzahl pro Verein überdacht werden. Der Weg für Vereine ist ohnehin steinig, und da die Vereine viele Genusskonsumenten versorgen sollen, ist die aktuelle Obergrenze von 500 Mitgliedern nicht realistisch. Tausende Vereine müssten gegründet werden, um den Bedarf zu decken – das erscheint kaum praktikabel.

„Positive Beispiele machen Mut“

Viele Gründungsvereine kämpfen mit unklaren Zuständigkeiten und langen Verfahren. Was hören Sie aus Ihrem Netzwerk – wächst eher die Ungeduld oder gibt es auch positive Beispiele?

Aktuell bin ich vor allem mit Clubs aus ganz Baden-Württemberg intensiv vernetzt. Bei diesen wächst spürbar die Ungeduld. Glücklicherweise gibt es positive Beispiele von Vereinen, die bereits produzieren und abgeben. Diese erfolgreichen Projekte geben uns Hoffnung und motivieren uns, weiterzumachen.

„Digitalisierung kann helfen – wenn sie endlich ankommt“

Was müsste sich politisch und praktisch ändern, damit die Clubs im Jahr 2026 wirklich arbeitsfähig und gesellschaftlich akzeptiert sind?

Ganz konkret für Baden-Württemberg wäre eine Vereinfachung und Beschleunigung des Lizenzierungsverfahrens wünschenswert. Dies könnte erreicht werden, indem die Anforderungen an die Anträge klar definiert werden und während der Prüfung keine zusätzlichen Bedingungen plötzlich eingeführt werden.

Was wäre aus Ihrer Sicht ein erster realistischer Schritt in diese Richtung?

Der Antrag sollte – wie in anderen Bundesländern bereits üblich – als digitales Formular angeboten werden, sodass die Anträge standardisiert und die Bearbeitung weitgehend automatisiert erfolgen kann.

Auch bei den Baugenehmigungen besteht Bedarf an mehr Klarheit, damit nicht jedes lokale Bauamt eigenständig darüber entscheidet, in welchen Gebieten Anbauvereinigungen genehmigt werden. Gleichzeitig müsste die Bearbeitungszeit deutlich verkürzt werden. Unsere Wirtschaft schwächt sich ab, was dazu führt, dass weniger Projekte entstehen und folglich weniger Anträge gestellt werden. Gleichzeitig bieten Technologien wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz große Chancen, die Antragstellung und -bearbeitung deutlich zu vereinfachen. Theoretisch sollte dies zu einer spürbaren Beschleunigung führen, in der Praxis hat sich der Prozess jedoch sogar noch verlangsamt.

Émeric Beautier und EKOCAN

Vita
Émeric Beautier stammt aus Frankreich, hat einen Doppelmaster in Maschinenbau und ist seit 2022 selbstständig in der CBD- & Samen-Produktion in Österreich. Seit 2023 ist er Geschäftsführer der Ahune GmbH, die Cannabis-Produzenten berät. Er ist Vorstandsmitglied im Landesverband Cannabis Anbauvereinigungen Baden‑Württemberg.

EKOCAN-Studie
Das Ziel des Forschungsprojekts EKOCAN ist die Untersuchung der Auswirkungen des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) auf