Aufquellende Gesteinsschichten setzen den Autobahntunnel so sehr unter Druck, dass er für knapp eine Million Euro saniert werden muss.

Leonberg - Dank einer unauffälligen Nachtbaustelle werden die meisten Autofahrer nicht merken, was sich derzeit im Inneren des Engelbergtunnels bei Leonberg (Kreis Böblingen) tut. Aufquellende Gesteinsschichten setzen den Autobahntunnel wieder einmal so sehr unter Druck, dass er für knapp eine Million Euro saniert werden muss. Ein Fahrstreifen wird von Montag an nachts drei Wochen lang jeweils von 20 bis 6 Uhr gesperrt. Tagsüber stehen alle Fahrspuren offen.

Erste Wassereinbrüche vor acht Jahren


Ein Entlastungsschnitt in der Betondecke der Fahrbahn soll den horizontalen Setzungen entgegenwirken. Eine sogenannte Anhydritstrecke bereitet seit dem Bau des Tunnels massive Probleme und hat erst in den Jahren 2008 und 2006 teure Bauarbeiten nötig gemacht. Nachdem vor acht Jahren die ersten Wassereinbrüche im Engelbergtunnel zu verzeichnen waren, wurden seither alle durchgeführten Druck- und Bewegungsmessungen dokumentiert. "Das Gebirge bewegt sich nicht stärker als erwartet, aber im Anhydritbereich ungleichmäßig", sagte dazu vor einiger Zeit schon ein Tunnelexperte des Regierungspräsidiums.

Die Anhydritproblematik wird momentan auch im Zusammenhang mit Stuttgart 21 debattiert. Der Leonberger Architekt Frei Otto, der zusammen mit Christoph Ingenhoven den neuen Tiefbahnhof geplant hat, warnte vergangene Woche gegenüber unserer Zeitung vor dem Tiefbau im unwägbaren geologischen Untergrund. Denn die geplanten 30 Kilometer Tunnelstrecken des neuen Stuttgarter Bahnhofs würden ebenso durch Anhydritschichten geführt. Unkalkulierbare Risiken kämen bei dem Tunnelbau auf die Planer zu, befürchtet der berühmte Architekt. Die Experten des Bauherrn Deutsche Bahn wiesen diese Kritik zurück. Es werde ein spezielles Trockenbohrungsverfahren zum Einsatz kommen, so dass Wasser mit dem heiklen Gestein überhaupt nicht in Kontakt gerate.

Ein Schnitt in die Fahrbahn soll den Druck aus der Statik nehmen


Anhydrit ist eine Vorstufe von Gips und dehnt sich beim Kontakt mit Wasser um bis zu 50 Prozent des Ursprungsvolumens aus. Daraus resultierten auch in Leonberg Probleme. Sowohl bei Probebohrungen wie auch beim eigentlichen Bau des Tunnels Mitte der Neunziger Jahre quoll Berggestein auf wie Hefeteig, zerstörte selbst massive Betonarmierungen. 120 Meter unter der Erdoberfläche wurden im Engelberg eine drei Meter dicke Tunnelarmierung eingebaut, ursprünglich sollte sie nur 70 Zentimeter dick sein. Nicht zuletzt deshalb stiegen die Baukosten von knapp 300 auf 400 Millionen Euro.

Neben dem Engelbergtunnel ist auch der Stuttgarter Wagenburgtunnel ein Beispiel für die Probleme mit Anhydrit. Auch hier sind ständig Nachbesserungen nötig. Bei anderen Tunnelprojekten der Region, wie dem Heslacher Tunnel oder dem S-Bahn-Tunnel zwischen dem Stuttgarter Westen und Vaihingen wurden ebenfalls solche Gipskeuperschichten durchstoßen, ohne dass es Probleme gegeben hätte.

100.000 Autos täglich


Auch an der Standsicherheit des 2,5 Kilometer langen Engelbergtunnels, den täglich mehr als 100.000 Autofahrer passieren, hegen die Experten keine Zweifel. Sie sei nie gefährdet gewesen, wird das Regierungspräsidium seit Jahren nicht müde zu betonen. Die Folgen für die Autofahrer sind aber nicht nur die unsichtbaren Spannungen und die deutlich erkennbaren Risse in den Betonröhren, sondern im Winter wegen des Wassereinbruchs teilweise auch dicke Eiszapfen. Deshalb musste die Polizei den Tunnel sogar schon sperren.

Nun soll in den nächsten drei Wochen auf einer Strecke von 130 Metern in der Oströhre, also in Fahrtrichtung Heilbronn, der sogenannte Entlastungsschnitt erfolgen. Damit könne Druck aus der Statik des unterirdischen Bauwerks genommen werden, hoffen die Ingenieure.