Leonberger Sommergespräche Gestank in Leonberg: Die Stadt hat den Verursacher ausgemacht

Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (links) im Gespräch mit den Redakteuren Thomas K. Slotwinski und Marius Venturini vor der neuen Sparkassen-Direktion in Leonberg Foto: Simon Granville

Der Oberbürgermeister will den Namen aber erst nennen, wenn er sich ganz sicher ist. Martin Georg Cohn hat auch Neuigkeiten zum Stadtgarten – und kommentiert die Kritik an ihm.

Die Sonnenkreuzung ist einer der markantesten Punkte in der Leonberger Innenstadt. Nicht nur, weil hier zwei wichtige Einfallstraßen aufeinander treffen. Seit dem Frühjahr bildet zudem der Neubau der Kreissparkassen-Direktion einen architektonischen Gegenpol zum benachbarten Marktplatz. An die Vorgeschichte des Bauprojekts erinnert Oberbürgermeister Martin Georg Cohn im Sommergespräch.

 

Herr Oberbürgermeister, der Neubau der Kreissparkasse setzt städtebaulich ein klares Ausrufezeichen.

Nicht nur städtebaulich. Die Kreissparkasse ist ein wichtiger Arbeitgeber in unserer Stadt und signalisiert mit der neuen Direktion einen dauerhaften Verbleib in Leonberg. Außerdem realisiert das Unternehmen auf ihrem Gelände 70 Wohnungen in zentraler Lage. Dafür sind wir froh und dankbar.

Anfangs war das Vorhaben äußerst umstritten, insbesondere bei den Anwohnern in der Nachbarschaft.

Die Umsetzung des Baubeschlusses vor gut fünf Jahren war tatsächlich eine politische Herausforderung. Die Pläne wurden damals im zuständigen Planungsausschuss mit einer hauchdünnen Mehrheit abgelehnt. Daraufhin wollte der damalige Vorstandschef der Sparkasse, Detlev Schmidt, das komplette Projekt zurückziehen. Das wurde an einem Freitag bekannt. Eine vertrackte Situation. Am Sonntag wurde mir in der Kirche beim Gottesdienst zugeflüstert, dass einer der Stadträte, der mit abgestimmt hatte, befangen sei, da dieser in unmittelbarer Nachbarschaft wohne. Daraufhin habe ich gegen den Beschluss Widerspruch eingelegt. Am Ende konnte das Vorhaben doch realisiert werden. Ich denke, dass rückblickend auch die früheren Gegner heute eine andere Sichtweise haben.

Warum?

70 Wohnungen entlasten unseren angespannten Immobilienmarkt enorm, zumal ein Viertel davon sozial gefördert ist. Und die örtliche Präsenz der Kreissparkasse ist für viele Menschen sehr wichtig. Trotz einiger Schließungen hat das kommunale Institut noch etliche Filialen. Das gleiche gilt für die genossenschaftliche Volksbank. Ich bin froh, dass beide Häuser bei uns so stark vertreten sind.

Auf dem Postareal geht es wegen asbestverseuchten Materials nicht vornan. Foto: Simon Granville

Nicht weit weg von hier, auf dem Gelände der alten Hauptpost, sieht es weniger imposant aus. Dort liegen Abbruchtrümmer herum, weil eine asbesthaltige Bodenplatte gefunden wurde. Ist geklärt, wer die Entsorgung bezahlen muss, die Stadt oder der Investor Strabag?

Das werden wir im Lauf des Oktobers klären. Dazu werden wir uns genau den Vertrag anschauen müssen: Ist dort festgeschrieben, mit welcher Situation man hätte rechnen können? Ich gehe davon aus, dass die Stadt zumindest nicht die kompletten Entsorgungskosten bezahlen muss.

Ist denn sicher, dass Strabag überhaupt am Postareal festhält?

Ich habe es schriftlich, dass das Unternehmen sich nicht zurückziehen wird. Darüber habe ich übrigens die Vorsitzenden der Ratsfraktionen informiert, verbunden mit der Bitte, dies zu kommunizieren. Wer jetzt noch von Gerüchten über einen möglichen Rückzug spricht, ist nicht auf dem aktuellen Stand.

Direkt neben dem Postareal ist der neue Stadtgarten augenscheinlich fertig. Dennoch ist er noch geschlossen.

Ich kann gut verstehen, dass die Menschen gerade in der schönen Jahreszeit in den Stadtgarten hinein wollten. Er ist ja ein richtiges Aushängeschild geworden. Die technische Abnahme der Spielgeräte hat sich leider verzögert. Wir geben den Stadtgarten an diesem Samstag frei. Die offizielle Eröffnung ist dann am Freitag, 26. September.

Noch immer gibt es in der Leonberger Innenstadt starke Geruchsbelästigungen.

Wir sind ganz nahe an einer Lösung. Besonders wegen des Engagements unseres Katastrophenschutzes konnten wir die Quelle lokalisieren.

Und wo liegt sie?

Wir sind in der finalen Prüfung und wollen uns erst hundertprozentig sicher sein, bevor wir an die Öffentlichkeit gehen.

Bevor Sie das Thema zur Chefsache erklärt hatten, war die Kreisverwaltung zuständig. Der Landrat war von Ihrem Vorpreschen nicht so angetan.

Meine Vorgehensweise hat immerhin dafür gesorgt, dass das Thema mehr Fahrt bekommen hat und auch den Landkreis animiert, wieder aktiver zu werden. Es geht ja nicht darum, wer am Ende die Lorbeeren bekommt, sondern dass das Problem gelöst wird.

Muss der Verursacher mit Sanktionen rechnen?

Das kann ich so nicht sagen. Da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Wichtig ist, dass wir nicht gegen ein Unternehmen vorgehen, sondern gemeinsam besprechen, wie wir mit der Situation umgehen.

Für das Krankenhaus Leonberg: kein Geld wegen des Flugfeldklinikums? Foto: Simon Granville

Auch bei einem anderen Thema gibt es Differenzen zwischen Ihnen und dem Landrat. Roland Bernhard hat vor den Sommerferien öffentlich erklärt, dass es konkrete Pläne für einen Gesundheitscampus am Krankenhaus gäbe. Allerdings sei Ihre Reaktion äußerst zurückhaltend gewesen.

Ich kenne diese Pläne nicht. Mir hat niemand etwas gezeigt. Ich kenne aber einen Investor, der starkes Interesse an einem Campus-Projekt zeigt. Diesen hatte ich mit dem Landrat, dem Geschäftsführer des Klinikverbundes und dem damaligen Leonberger Krankenhaus-Direktor in Kontakt gebracht und stark darauf gedrungen, dass es Gespräche gibt. Aber es kam nichts. Dabei hatten wir als Stadt sogar signalisiert, den Bebauungsplan zu übernehmen.

Immerhin hat Landrat Bernhard ein Bekenntnis zum Krankenhausstandort Leonberg abgelegt ...

... das er auf seine Amtszeit begrenzt hat, die noch dreieinhalb Jahre dauert. In diesem Lichte braucht es schon ein bisschen mehr als nur eine Aussage, um zu überzeugen. Der Landrat hat ein immenses finanzielles Problem mit der Flugfeldklinik, die immer teurer wird und sich in Richtung eine Milliarde Euro bewegt. Da wird er auf Leonberg kaum Rücksicht nehmen.

Sie haben Herrn Bernhard jüngst einen deutlichen Brief geschrieben, in dem Sie eine klare Zukunftsstrategie für die Leonberger Klinik fordern. Was hat er Ihnen geantwortet?

Nur, dass er sich dazu mit meiner Nachfolge austauschen will. Das halte ich für äußerst schwierig. Ich bin in Amt und Würden, und das Thema duldet keinen Aufschub.

Sie blicken also eher pessimistisch auf die Zukunft des Krankenhauses?

Leider ja, allein schon wegen der Kostenexplosion beim Neubau der Flugfeldklinik. Die belastet uns auch jenseits der Krankenhaus-Thematik: Die Kreisumlage, also die Abgabe, die die Kommunen an den Kreis zahlen müssen, wird weiter steigen.

Haben Sie deshalb bei der Stadt eine Budget-Deckelung von 75 Prozent verfügt?

Leonberg braucht stabile Finanzstrukturen. Dazu soll auch die Deckelung beitragen, die in meinem Kompetenzbereich liegt und nicht eines Ratsbeschlusses bedarf. Genau damit wollte ich ja härtere Schritte vermeiden. Die Lage hat sich zwischenzeitlich leicht verbessert. Angesichts einer Gewerbesteuernachzahlung von vier Millionen Euro konnte ich die Deckelung von 75 Prozent auf 90 Prozent reduzieren. Insgesamt steht Leonberg ordentlich da.

Trotzdem haben in den vergangenen Sommergesprächen vor allem die CDU, aber auch die Freien Wähler, scharfe Kritik an Ihnen geübt.

Die politischen Bandagen sind härter geworden. Ich habe auch Verständnis, wenn man sich profilieren möchte. Allerdings hatten wir 2017 eine Schuldenprognose von 110 Millionen Euro, jetzt beträgt der Schuldenstand 43,5 Millionen Euro. Ob man da, wie in den Sommergesprächen geschehen, von teuren Jahren sprechen kann, muss jeder selber wissen.

Sie halten die Kritik für ungerecht?

Man muss ja sehen, dass ein nicht geringer Teil meiner Amtszeit von Corona geprägt war. Anfang 2020 kam der erste Lockdown, erst Ende 2022 lief das Leben wieder halbwegs normal. Gestaltende Politik war in dieser Phase nicht möglich.

Ihr Seilbahn-Projekt wird Ihnen noch heute vorgehalten.

Die Landesregierung fand meine Initiative offenbar sehr interessant, sonst hätte sie sich an den Kosten für die Machbarkeitsstudie nicht beteiligt. Im Zuge derer wurde im Übrigen die komplette Nahverkehrsstruktur in Leonberg untersucht. Das sind Daten, auf die die Stadt heute noch zurückgreift. Daher würde ich mir wünschen, wenn man das Thema etwas differenzierter betrachten würde.

Kritisiert wird auch, dass der Plan einer Umweltspur auf der Eltinger Straße versandet ist.

Das sagt man. Es stimmt aber nicht. Der Gemeinderat hat beschlossen, das Projekt zu realisieren, wenn es mindestens zur Hälfte bezuschusst wird. Die Anträge dafür werden gerade geprüft. Das Thema ist keineswegs vom Tisch, im Gegenteil.

Nicht durchsetzen konnten Sie Ihr großes Anliegen, das Bürgeramt und die Stadtbibliothek im Untergeschoss des Leo-Centers anzusiedeln.

Was sehr bedauerlich ist. Ich bleibe dabei: Zwei publikumsstarke öffentliche Einrichtungen hätten mehr Frequenz ins Leo-Center gebracht und das eine oder andere Unternehmen womöglich ermuntert, sich ebenfalls dort anzusiedeln.

Was haben Sie bis zur Verabschiedung Ende November noch vor?

Es gibt noch einiges zu tun; wir haben auch noch den großen Unternehmerempfang. Ich möchte meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger ein geordnetes Haus hinterlassen.

Sommergespräche

Martin Georg Cohn
(59) ist seit Dezember 2017 Oberbürgermeister von Leonberg, damals noch unter dem Namen Kaufmann. Stand er anfangs für einen Neuanfang, so hat sich vor drei Jahren das Verhältnis zwischen ihm und dem Gemeinderat deutlich abgekühlt. Unter diesem Eindruck erklärte Cohn im September 2024 seinen Verzicht auf eine neuerliche Kandidatur bei der OB-Wahl am 28. September. Seine Amtszeit endet am 30. November.

Serienende
In der Sommerzeit interviewten wir heimische Politiker. Den Ort des Gespräches bestimmten sie. Mit dieser Folge endet die Reihe.

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