Die Schadstoffbelastung in der Landeshauptstadt ist auch 2024 weiter zurückgegangen. Am berühmt-berüchtigten Neckartor erfasste die Messstelle der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) für Stickstoffdioxid Ende 2024 noch 31 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Stuttgart lag damit im vierten Jahr in Folge unter dem Immissionsgrenzwert von 40 Mikrogramm.
Feinstaub kein Thema mehr
Die Belastung mit Feinstaub ist in Stuttgart schon länger kein Thema mehr. 2018 wurde der Grenzwert – maximal 35 Tage im Jahr mit einem Mittel von mehr als 50 Mikrogramm – unterschritten, 2024 gab es weniger als eine Handvoll eingetrübte Tage.
Die Landesregierung, allen voran das vom Grünen Winfried Hermann geführte Verkehrsministerium, sieht Umweltzonen und in Stuttgart die seit 2019 in zwei Schritten eingeführten Dieselverkehrsverbote als maßgebliche Ursache. Fahrzeuge bis einschließlich Schadstoffklasse Euro 4 sind komplett verbannt. Für Euro-5-Diesel sind auch die Innenstadt, Bad Cannstatt und Zuffenhausen tabu. Freiwillig griff die Landesregierung nicht zu diesem Mittel. Das Bundesverwaltungsgericht zwang sie mit einem Grundsatzurteil dazu. Das Verfahren hatte die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) geführt.
Stadt prüft nicht mehr
Die Landeshauptstadt handhabt das Fahrverbot für ältere Diesel seit 2024 äußerst leger. 2023 stellte sie 15 779 Bußgeldbescheide an Fahrzeughalter von falsch geparkten Autos, das Fahrverbot wurde mit kontrolliert. 2024 waren es (bis 17. Dezember) 235 Bescheide, 13 Halter wurden zudem im fließender Verkehr erwischt. Bei der Einführung der Fahrverbote wurden bei einem Verstoß 80 Euro Bußgeld plus 18,80 Euro Bearbeitungsgebühr fällig, inzwischen sind es 100 Euro plus 20 Euro Gebühr plus 5,60 Euro Zustellkosten. Festgestellte Verstöße im fließenden Verkehr seien zufällig, „es finden keine gezielten Kontrollen durch die Polizei statt“, so eine Sprecherin der Stadt.
Der dramatische Rückgang der Fallzahlen liegt wohl weniger an einer abrupt verbesserten Verkehrsmoral, sondern am Freifahrtschein der Stadtverwaltung. Die Dieselbußgelder galten in der Verwaltung als Millionenbeifang. Mit Einhaltung der Grenzwerte seien aber Ende 2023 Stellenermächtigungen weggefallen. „Das heißt, eine erweiterte Prüfung zur Verfolgung des Dieselverkehrsverbotes findet nicht mehr statt. Es werden nur Verstöße verfolgt, die explizit zur Anzeige gebracht werden“, so die Sprecherin.
Laut Stadt fehlen Schilder
Außerdem seien Anfang 2024 Umweltzonen in angrenzenden Landkreisen entfallen und damit Schilder abgebaut worden. Das habe dazu geführt, dass das Umweltzonenschild im Zufahrtsbereich nach Stuttgart „nicht vollständig angebracht ist“. Solange Schilder fehlten, werde nicht kontrolliert. Zuständig für die Tafeln sei das Regierungspräsidium (RP), sagte die Stadtsprecherin. Diese Aussage wurde am Donnerstag nach der Onlineberichterstattung unserer Zeitung revidiert. Das RP sei nicht zuständig.
Das längerfristige Unterschreiten des Grenzwertes macht eine Überprüfung der Fahrverbote nötig. Aktuell ermittelt die LUBW im Auftrag des Verkehrsministeriums die Grenzkonzentration für eine mögliche Änderung. Also jene Schadstoffmenge, die sich ohne Fahrverbot(e) ergeben würde. Dazu wird mit der aktuellen Zusammensetzung der Dieselflotte in Stuttgart und der Region gerechnet. Bei einer mehrjährigen, gesicherten Unterschreitung seien die Voraussetzungen für die Fahrverbote nicht mehr erfüllt, sagt ein Sprecher des Ministeriums. Ein Erfolg der Umweltzone sei die rasche Modernisierung der Autoflotte, so das Ministerium.
Von 2020 bis 2024 nahm die Zahl der Dieselautos in Stuttgart von 86 990 auf 64 701 ab, davon erfüllten 46 638 die Euro-6-Norm. In den umliegenden Landkreisen sank die Zahl der Diesel von 2019 bis 2024 von 363 293 auf 294 670 (minus 19 Prozent). In ganz Deutschland lag der Rückgang nur bei sieben Prozent. Die LUBW merkt an, dass die Zahl der nahezu ausschließlich mit Dieselmotor angetriebenen Lastwagen in Stuttgart und der Region von 2019 auf 2024 um 17 Prozent auf 72 487 Fahrzeuge anstieg.
Immer weniger Diesel-Pkw
Bei der Frage, ob die 40 Mikrogramm auch ohne Fahrverbot dauerhaft unterschritten werden, steht nicht mehr vordringlich das Neckartor, sondern die Talstraße im Fokus. Dort wurde deutlich weniger Aufwand für bessere Luft getrieben als am früheren Hotspot mit seiner Phalanx an Filtersäulen. Der Wert für das erste Halbjahr 2024 lag an der Talstraße 43 wie im Jahr 2023 bei 36 Mikrogramm. Das Ministerium spricht von Stagnation. Für die Aufhebung von Umweltzonen sei eine Grenzkonzentration von maximal 35 Mikrogramm für mindestens zwei Jahre nötig. Die Aufhebung von Verkehrsbeschränkungen in Stuttgart komme daher frühestens 2025 in Betracht.