Viele definieren Männlichkeit und Potenz immer noch über die Größe ihres Penis. Dabei halten ihn viele Männer für zu klein, obwohl er meist dem Durchschnitt entspricht. Wie groß er sein soll und warum OPs oft keine gute Idee sind.

Psychologie/Partnerschaft: Florian Gann (fga)

Die Geschichte des größten Penis der Welt ist eine von Betrug, Neid und Diffamierung. Ende der 1970er Jahre wurde der Brite Daniel Arthur Mead, besser bekannt als Long Dong Silver, mit Aufnahmen seines vermeintlich 45 Zentimeter langen Penis berühmt. Die Bilder waren manipuliert. 1999 beanspruchte dann der US-Amerikaner Jonah Falcon (34 Zentimeter) den Weltrekord für den weltweit größten Penis für sich. Als der Mexikaner Roberte Esquivel Cabrera 2015 mit seinem 48,2 Zentimeter langen Penis bekannt wurde, warf Falcon schließlich Cabrera vor, dessen Glied sei rekorduntauglich, weil es mit Gewichten gedehnt worden sei. Aber: Ein offizieller Guinness-Weltrekord für den längsten Penis existiert ohnehin nicht. Und Cabrera hat weder Sex (Frauen haben Angst vor dem Penis) noch Arbeit (das Glied stört). So gesehen gibt es nur Verlierer in der Geschichte um den größten und längsten Penis.

 

13,12 Zentimeter – so lange ist der Durchschnittspenis

Trotzdem wünschen sich viele Männer einen größeren Penis, natürlich ausgehend von einem anderen Niveau. 13,12 Zentimeter erigiert oder 9,16 Zentimeter schlaff misst der durchschnittliche Penis laut einer Studie von Forschenden des King’s College London, der wohl umfangreichsten Erhebung der Penisgrößen. Der Umfang beträgt demnach 11,66 Zentimeter erigiert und 9,31 Zentimeter schlaff.

Dass eine Durchschnittslänge ermittelt wurde, bedeutet nicht, dass alles abweichend davon unnormal wäre. Einen einheitlichen Normalbereich gibt es nicht. Viele Urologinnen und Urologen nennen etwa 12 bis 16 Zentimeter Länge im erigierten Zustand. Etwas weiter definiert Wolfgang Bühmann vom Berufsverband deutscher Urologen den Normalbereich. Normal sei alles von 7,5 bis 19 Zentimetern, sagte er dem „Spiegel“. Darunter spricht man von einem Mikropenis, darüber von einem Makropenis – das sind anerkannte Fehlbildungen.

Viele Männer sind unzufrieden – wegen Pornos?

Christian Schwentner sieht berufsbedingt viele Penisse, er ist Ärztlicher Direktor der Urologie am Diakonieklinikum Stuttgart. Schwentner sagt: „Bei den meisten Männer ist optisch alles okay, aber in ihrer Wahrnehmung erscheint ihnen der Penis zu klein.“ Das ist auch durch eine 2006 im Fachblatt „Psychologie of Men and Masculinity“ veröffentlichte Studie bestätigt. Demnach sind 45 Prozent der Männer unzufrieden mit ihrer Penisgröße – während 85 Prozent der Frauen mit der Penisgröße ihres Partners zufrieden sind. Und 46 Prozent der Männer, die ihren Penis als durchschnittlich groß einschätzen, wünschen sich dennoch einen größeren. Woher kommt das?

Gerne werden übertriebene Vorstellungen zur Penisgröße mit Pornos in Verbindung gebracht. Aber dieser Zusammenhang lässt sich bisher nicht belegen. Forscherinnen und Forscher der Amsterdam School of Communication Research haben sich angesehen, wie sich der Konsum von Pornos auf Körperbilder auswirkt. Das Ergebnis: Bei Männern führt das zwar dazu, dass sie weniger zufrieden mit ihrem Körper, vor allem dem Bauch sind – ganz ähnlich zu Leuten, die viel Zeit in sozialen Medien verbringen. Aber mit ihrem Penis sind sie durchs Pornogucken nicht weniger zufrieden.

Verunsichert durch Fleischpenisse

Der Urologe Schwentner sagt: „Dieser Unterschied im schlaffen Zustand macht viel in der Wahrnehmung aus.“ Was er meint, sind die Unterschiede zwischen Blutpenis und Fleischpenis. Blutpenisse sind im schlaffen Zustand eher klein, gewinnen im erigierten Zustand aber reichlich an Größe dazu. Sie sind laut Umfragen mit 80 bis 90 Prozent in der Mehrheit. Fleischpenisse sind im schlaffen Zustand schon groß und werden bei einer Erektion vor allem hart, ohne viel an Größe dazuzugewinnen. Das heißt: Was Männer bei anderen in der Umkleide sehen, ist ein trügerisches Bild.

Die Vorstellung, einen zu kleinen Penis zu haben, obwohl er eigentlich normal groß ist, kann krankhafte Züge annehmen: Das Small Penis Syndrome ist eine körperdysmorphe Störung, wie sie auch mit intensiver Nutzung von sozialen Medien in Zusammenhang gebracht wird. Etwa ein bis drei Prozent der Männer sollen betroffen sein. Viele, die in dieses Krankheitsbild fallen, neigen auch dazu, sich einer Penis-OP zu unterziehen, heißt es in einer Studie des Londoner King’s College. Und diese OPs können gefährlich sein.

Dubiose Penisvergrößerungen laufen katastrophal schief

Der Urologe Schwentner erzählt von Penisvergrößerungsangeboten auf dubiosen Webseiten, oft dann durchgeführt mit Paraffinöl oder flüssigem Silikon, nicht mit Pölsterchen, wie sie auch bei Brustvergrößerungen zum Einsatz kommen. „Das führt oft zu enormen Problemen“, sagt Schwentner. Zwölf bis 15 solcher Fälle würden jedes Jahr bei ihm in der Diakonieklinik landen, etwa einmal im Jahr müsste ein Penis aus diesen Gründen abgenommen werden, sagt Schwentner. „Es ist brutal, was da läuft.“

Der Penis kann professionell etwas verlängert werden, in dem etwa das Halteband durchgetrennt und das Glied ein Stück nach außen gezogen wird. Schwentner rät aber davon ab, das zu tun, weil man mit der Größe unzufrieden ist. „Die Erwartung und das Ergebnis passen oft nicht zueinander“, sagt er. Patienten seien danach oft enttäuscht.

Eine OP rät Schwentner nur jenen, die tatsächlich eine krankhafte Penisverformung haben. Häufig trete etwa eine Verkrümmung auf, die sogenannte Peyronie-Erkrankung. Diese tauche meist ab dem 50. Lebensjahr auf, sagt Schwentner. Ab einer Verformung von 20 bis 25 Grad sollte man einen Arzt aufsuchen. Zudem lässt oft Übergewicht den Penis kleiner erscheinen, er wird von Fettpolstern sozusagen vergraben. Diese könnten aber einfach entfernt werden, sagt Schwentner.

Der Mikropenis ist selten, aber die Scham ist groß

Es gibt aber auch Menschen, die tatsächlich einen zu kleinen Penis haben. Ist er im erigierten Zustand nicht länger als sieben Zentimeter, spricht man von einem Mikropenis. Laut verschiedenen Studien sind zwischen 0,6 und 2 Prozent der Männer betroffen. Das kann in der Regel schon im Kindesalter entdeckt und mit Hormonen behandelt werden. Kaum Betroffene äußern sich dazu, auch nicht in Beratungsstellen. Zu groß ist wohl die Scham, darüber zu reden. In „Cosmopolitan“ beschrieb ein 35-Jähriger seine Erfahrungen mit einem Wort: Erniedrigend. Die Erwartungen von außen, sein einziger Sex mit einer Frau, immer sei er damit konfrontiert worden, dass sein Penis nicht okay sei. Er hat die Suche nach Liebe aufgegeben. Zu viel Schmerz.

Aber es gibt auch viele Geschichten darüber, dass ein gutes Leben mit Sex mit Mikropenis möglich ist. Einige Betroffene berichten gegenüber dem Magazin „Vice“ über ein durchaus zufriedenstellendes Sexleben. Es gibt ein Dating-Portal für Menschen mit kleinem Penis (Dinky One). Es gibt ein Subforum auf Reddit namens Smalldickpositivity, wo sich Nutzer über Vorzüge und Nachteile eines kleinen Penis austauschen. Es gibt Seiten, die Tipps geben, welche Stellungen guten Sex mit einem kleinen Penis ermöglichen. Und Arzt Schwentner sagt: „Fortpflanzen kann man sich auch mit einem kleinen Penis.“ Wer seinen Penis trotzdem als zu klein empfinde, dem sei oft eher mit einer Therapie geholfen als mit einer Penisverlängerung.

Penisse werden immer größer dargestellt

Darstellung
In einer Untersuchung türkischer Forscherinnen und Forscher wurde festgestellt, dass das männliche Glied im Verlauf der Jahrhunderte immer größer dargestellt wurden.

Studie
Das Team verglich Gemälde aus der Renaissance (1400–1599), Barock/Rokoko/Impressionismus (1600–1899) und der zeitgenössischen Kunst (1900–2020). Die dargestellte Penisgröße habe immer weiter zugenommen, vor allem aber nach dem 20. Jahrhundert, so die Autoren.