Jobabbau bei Mahle Konzernchef: „Nicht einmal China verbietet Verbrenner“

, aktualisiert am 06.11.2025 - 18:25 Uhr
Mahle-Chef Arnd Franz: Wir hatten diesen Schritt nicht vor, er ist aber notwendig. Foto: Wolfram Scheible

Mahle muss sparen und will weltweit 1000 Stellen streichen. In Deutschland ist vor allem Stuttgart betroffen. Konzernchef Arnd Franz erklärt, warum er den Abbau für nötig hält.

Automobilwirtschaft/Maschinenbau : Klaus Köster (kö)

Der Mahle-Konzern will massiv Stellen abbauen – allerdings nur in der Verwaltung. Was aus den Jobs in der Produktion wird, hängt nicht zuletzt von der Politik ab.

 

Herr Franz, Mahle hat in den vergangenen Jahren harte Sparprogramme durchgezogen. Wie gut ist das Unternehmen für die kommenden Jahre aufgestellt?

Nach dem Verlustjahr 2022 haben wir das Unternehmen stabilisiert und in Anbetracht der wirtschaftlichen Gesamtsituation ordentliche Ergebnisse abgeliefert. Wir haben unsere neue Strategie auf den Weg gebracht und drehen seit Jahren jeden Stein um, um kosteneffizienter und produktiver zu werden sowie gleichzeitig die Transformation zu bewältigen.

Das war alles noch vor dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump. Wie hat sich das wirtschaftliche Umfeld seither verändert?

Die US-Zölle von 15 Prozent gelten nicht nur für Autos, sondern auch für Autoteile, was den Export in die USA wesentlich erschwert. Außerdem wirkt eine Wechselkurs-Verschlechterung in ähnlicher Höhe. Wir haben einen Wettbewerb in China, der nicht nur auf der Kostenseite ausgetragen wird, sondern auch über die Technologien. Lieferketten geraten wiederholt unter Druck. Der europäische Fahrzeugmarkt schrumpft, weltweit sehen wir Stagnation. Hinzu kommt die Hängepartie bei der entscheidenden Frage, ob das für 2035 geplante Verbrennerverbot der EU durch eine offenere Regelung ersetzt wird.

Vor der Mahle-Zentrale in Bad Cannstatt sind Kolben zu sehen. Der Verbrenner spielt weiter eine wichtige Rolle. Foto: Mahle

Was bedeutet diese Häufung von Belastungsfaktoren für Mahle?

Wir haben unsere Planungen angepasst und müssen jetzt einen Schritt gehen, den wir nicht vorhatten, der aber notwendig ist. Wir müssen unsere Kapazitäten in den indirekten Bereichen, also in der Verwaltung, aber auch in Forschung und Entwicklung, reduzieren.

Ein neues Sparprogramm?

Wir wollen ab kommendem Jahr weltweit 150 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich einsparen. Es geht hier nicht um vorübergehende Maßnahmen – wir brauchen das Sparvolumen dauerhaft, weil wir in den nächsten fünf Jahren keine Erholung in den Märkten sehen. Betroffen sind vor allem Nordamerika und Europa.

Was bedeutet das für die Beschäftigten?

Die Einsparungen sollen zu einem Drittel aus Sachkosten bestehen und zu zwei Dritteln aus Personalkosten. Weltweit entspricht das rund 1000 Arbeitsplätzen, die wir abbauen werden.

Die Konzernzentrale und ein großer Teil der Verwaltung sitzen in Stuttgart. Ist dieser Standort somit besonders betroffen von den Einsparungen?

Die Hälfte der Kosteneinsparungen entfällt auf Deutschland und davon der größte Teil in der Tat auf Stuttgart.

Wie soll der Abbau umgesetzt werden?

Darüber werden wir mit den Arbeitnehmervertretern sprechen. Wir gehen gezielt und verantwortungsvoll vor. Einen Teil der Personalkosteneinsparungen wollen wir über eine Senkung der laufenden Entgelte erreichen. Klar ist aber auch, dass sich damit allein das notwendige Einsparvolumen nicht erreichen lässt. Abhängig von den Gesprächsergebnissen dürfte der Abbau nach aktuellen Einschätzungen eine mittlere dreistellige Zahl von Stellen in Deutschland betreffen. Die Umsetzung soll möglichst über Abfindungs- und Vorruhestandsprogramme geschehen. Wir starten die Gespräche mit dem Betriebsrat sofort und wollen, dass die Beschäftigten schnell Klarheit haben.

Die Produktion ist von den Sparmaßnahmen nicht betroffen?

Nein, denn dort passen wir die Beschäftigung immer sehr zeitnah an die Auslastung an.

Mahle lebt von der Innovation – wie passt es dazu, auch an Forschern und Entwicklern zu sparen?

Wir sind ein Unternehmen, das von Technik getrieben ist und Technik vorantreibt. Wir sehen aber auch, dass viele Kundenprojekte, an denen wir arbeiten, sich wegen der Marktschwäche in die Länge ziehen, verschoben oder ganz abgesagt werden. Damit fehlt es an Umsatz. Es ist daher unumgänglich, auch in der Entwicklung zu sparen – selbst wenn das schmerzhaft ist.

Von wann an wollen Sie diese Einsparungen erreichen?

Es ist notwendig, dass diese Einsparungen schon 2026 in voller Höhe wirksam werden, um unsere Ergebnisse trotz schwacher Märkte deutlich zu verbessern. Wir können uns keine langwierigen Verhandlungen leisten.

Trotz Krise haben Sie in den vergangenen beiden Jahren recht ordentliche Ergebnisse erzielt.

Wir haben in der Tat in den Jahresabschlüssen schon einiges an Fortschritten gesehen. Doch darin waren auch Einmaleffekte enthalten, die durch den Verkauf von Unternehmensteilen zustande gekommen sind. Das kann man nicht endlos wiederholen. Wir müssen jetzt an die Strukturen ran.

Ist die Verwaltung von Mahle zu groß geworden?

Ein Unternehmen, das jahrelang gewachsen ist, baut entsprechende Strukturen auf. Diese müssen wir nun an das sinkende Geschäftsvolumen anpassen. Unsere Geschäftsführung und obere Führungsebene haben wir bereits deutlich verschlankt.

Wie sicher sind die Produktionsstandorte?

Deren Perspektiven hängen weniger von der aktuellen Absatzlage ab als von der Perspektive der Transformation.

Sie fordern seit Langem, das für 2035 geplante Verbot des Verbrennungsmotors aufzuheben und der Autoindustrie nicht die Technologien vorzugeben. Was steht dabei für Mahle auf dem Spiel?

Wird das Verbrenner-Aus nicht abgeschafft oder weitestgehend flexibilisiert, haben Standorte, die stark von dieser Technologie abhängen, kaum Chancen.

Welchen Markt sehen Sie überhaupt noch für den Verbrenner?

Realistischerweise werden vielleicht 50 Prozent der 2035 weltweit produzierten Fahrzeuge batterieelektrisch sein. Der Rest besteht aus Hybriden und Range Extendern – alles Technologien mit Verbrennungsanteilen, bei denen Mahle stark vertreten ist. Nicht einmal China verbietet Verbrenner. Solange es eine Nachfrage gibt, werden wir sie bedienen – mit Komponenten für klimaneutrale Motoren.

Von wo aus?

Wenn Fahrzeuge mit Verbrennungstechnologie in Europa nicht mehr verkauft werden dürfen, wird die Produktion in andere Teile der Welt abwandern. Wir haben bereits ein globales Biomobilitätszentrum in Brasilien, wo wir mit unseren Kunden und Partnern in vielen Teilen der Welt Motoren entwickeln, die mit Biokraftstoffen betrieben werden.

Sie verhandeln seit geraumer Zeit über die Zukunft der einzelnen Standorte. Hilft das nicht, die Abhängigkeit vom Verbrenner zu reduzieren?

Wir kommen in unserem Transformationsdialog mit Belegschaft und Arbeitnehmervertretern gut voran und sehen auch die eine oder andere Chance, Beschäftigung mit neuen Produkten zu sichern. Klar ist aber auch, dass sich das Beschäftigungsvolumen, das heute durch den Verbrenner dargestellt wird, durch kein anderes Geschäft innerhalb unseres Unternehmens eins zu eins kompensieren lässt.


Welche Bedeutung hat für Mahle die E-Mobilität?

Wir haben ordentlich investiert und entwickeln hocheffiziente E-Antriebe und intelligentes Laden. Wir bieten im Thermomanagement von der Komponente über das Modul bis zum Gesamtsystem alles aus einer Hand an. Allerdings passen wir derzeit auch hier unsere Kapazitäten an, weil sich die Nachfrage nicht entsprechend entwickelt. Bei jedem Produkt, das ausschließlich für batterieelektrische Fahrzeuge entwickelt wurde, zahlen wir aktuell drauf.

Nicht nur Mahle baut Fachkräfte ab, auch viele andere Autohersteller und Zulieferer. Wie sieht deren Zukunft aus?

Für Gesamtwirtschaft und Politik ist diese Entwicklung Chance und Verpflichtung zugleich. Es gilt jetzt, hoch qualifiziertes Personal aus den Fabriken der Autozulieferer für Wachstum in neuen Technologien einzusetzen: in Biotechnologie, in Robotik, in künstlicher Intelligenz, aber auch in Luft- und Raumfahrt sowie in Verteidigungs- und Wehrtechnik.

Wo sehen Sie hier die Aufgabe der Politik?

Baden-Württemberg ist industrielles Kernland in Deutschland und muss eine Vorbildfunktion übernehmen. Wir brauchen jetzt ein Sofortprogramm im Land, um die industrielle Kompetenz, die sich in den Mitarbeitern spiegelt, in die Zukunft zu führen. Dazu gehören auch bessere Rahmenbedingungen für die Industrie bei Energie, Arbeit und Steuern. Es muss zu einer intensiven Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, der Landespolitik und den Arbeitsagenturen kommen, damit wir die Arbeitskräfte, die jetzt freigesetzt werden, nicht hängen lassen. Mahle trägt mit einem umfassenden Transformationsprogramm seinen Teil zu diesem Wandel bei. Wir müssen jetzt alle die Ärmel hochkrempeln.

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