Mit einer Protestfahrt durch Waiblingen wenden sich knapp 300 Taxifahrer aus der Region Stuttgart gegen die unliebsame Uber-Konkurrenz. Ihr Vorwurf: Die über App gesteuerten Fahrdienste werden von den Behörden zu lax kontrolliert.
Mit einem Hupkonzert in der Waiblinger Innenstadt hat die Taxifahrer-Branche am Montagmorgen ihrem Unmut über die wachsende Konkurrenz durch Mietwagen-Firmen Gehör verschafft. Mit Warnblinkern und Protestplakaten rollten knapp 300 Fahrzeuge bei einer Sternfahrt durch die Bahnhofsstraße. Ein WN-Kennzeichen unterm Kühlergrill hatten die wenigsten der Teilnehmer. Die meisten in den Rems-Murr-Kreis fahrenden Taxi-Chauffeure waren mit Stuttgarter Nummernschildern unterwegs, einige mit besonders nervtötenden Hupen ausgestattete Fahrzeuge trugen auch ES-Kennzeichen.
„Es kann nicht sein, dass wir Taxifahrer die Arbeit der Behörden machen“
Vor dem Landratsamt am Alten Postplatz warfen die Taxifahrer bei einer Kundgebung dem Rems-Murr-Landrat Richard Sigel vor, nicht genug gegen den per Smartphone-App buchbaren Fahrservice des Anbieters Uber zu unternehmen. „Es kann nicht sein, dass wir Taxifahrer die Arbeit der Aufsichtsbehörden übernehmen müssen“, beschwerte sich Iordanis Georgiadis, der Vorsitzende des Taxiverbands Stuttgart. Das Landratsamt achte weder auf die Arbeitsstättenverordnung noch auf einen schlüssigen Businessplan der zum Billigtarif fahrenden Konkurrenz, unter Buhrufen war von „Arbeitsverweigerung“ der Branchenkontrolleure die Rede. Statt wie amtlich vorgeschrieben nach einer Auftragsfahrt wieder zu ihrem Betriebssitz zurückzufahren, würden sich viele Uber-Fahrer nahezu permanent in der Landeshauptstadt aufhalten, an Plätzen mit viel Publikumsverkehr warten und die ohnehin knapp bemessenen Parkplätze etwa am Stuttgarter Bahnhof blockieren.
Die Kritik der Taxibranche: Die fürs Beförderungsgewerbe geltenden Bestimmungen würden von Mietwagenunternehmen und dem dort eingesetzten Fahrpersonal in vielen Fällen gar nicht oder allenfalls dürftig beachtet. Dem Waiblinger Landrat, der sich den vor dem Eingang zum Kreishaus versammelten Taxifahrern am Morgen persönlich gestellt hatte und mit einem Pfeifkonzert begrüßt worden war, übergab der Taxiverband einen Ordner mit den gesammelten Beobachtungen der Taxi-Kollegen über Verstöße aus den vergangenen drei Monaten. „Uber könnte gar keine Fahrten anbieten, wenn die Fahrer nicht gegen die ganzen Bestimmungen verstoßen würden“, hieß es am Rand der Kundgebung.
Taxi-Protest in Waiblingen überrascht
Dass die Taxibranche ihre Protestfahrt in Waiblingen und nicht in Stuttgart angemeldet hat, wird im Landratsamt mit einer gewissen Überraschung quittiert. Denn eine Politesse für eine Uber-Kontrolle durch die Parkhäuser der Landeshauptstadt schicken dürfte der Rems-Murr-Kreis wegen der fehlenden Zuständigkeit gar nicht. Ohnehin hat Landrat Richard Sigel seine Zweifel, dass der Klage über durch Fremdanbieter blockierte Haltezonen überhaupt durch eine verstärkte Überwachung beizukommen ist.
„Wie will ich als Behörde denn kontrollieren, ob einer nun kurz auf die Toilette gegangen ist, sich einen Fleischkäswecken holt oder vielleicht doch auf den nächsten Fahrgast wartet“, sagt der Chef der Kreisverwaltung zur Frage nach der Umsetzbarkeit. Aus Sicht des Landratsamts werden Beschwerden erst dann zu Verstößen, wenn sie bei einer Kontrolle bestätigt und dokumentiert werden können – in der Praxis ein eher schwieriges Unterfangen, zumal wenn es um einen auch juristisch rechtssicheren Nachweis geht.
Bekannt sind an Rems und Murr insgesamt 41 Fahrzeuge im Uber-Service
Seit dem Start von Uber in der Region Stuttgart im November 2019 hat das Rems-Murr-Landratsamt gerade mal vier Bußgelder von jeweils 100 Euro verhängt. Eine Zusammenarbeit mit der Fahrdienst-App ist erstens legal und muss der Behörde zweitens noch nicht mal gemeldet werden. Bekannt sind im Landratsamt insgesamt 13 Unternehmen mit 41 Fahrzeugen, die im Uber-Service unterwegs sind, eine Häufung gibt es in Fellbach, also an der Markungsgrenze zur Landeshauptstadt. „Selbst wenn Verstöße festgestellt werden, führen diese zunächst nur zu einem Bußgeld und nicht zu einem Entzug der Konzession“, stellt die Behörde klar.
Dass das bei Taxifahrern für Frust sorgt, liegt auf der Hand. „Uber zerstört Existenzen“, steht auf Protestplakaten bei der Kundgebung vor dem Landratsamt. Für eine reguläre Taxi-Konzession werden in der Branche bekanntlich Preise aufgerufen, die an die Grenze zur Sechsstelligkeit gehen – Geld, das in harten Nachtschichten erst mal wieder eingefahren werden will.
Umso mehr stört das Chauffeursgewerbe, wenn sich auch Betriebe ein Stück vom Kuchen abschneiden wollen, die ohne eine Konzession fahren. „Der Markteintritt von Uber hat die Branche grundlegend verändert“, heißt es beim Rems-Murr-Kreis. Landrat Richard Sigel übrigens, privat mit einer Schwedin verheiratet, verweist im Streit um die Fahrgast-Branche auch auf Skandinavien, wo viele Taxifahrer ebenfalls mit der Uber-App unterwegs sind – und je nach Kundenwunsch die schnelle Route über die Busspuren einer Innenstadt oder den Spartarif mit dem Fahrdienst wählen.