Sie sind das Vorzeigepärchen, dann liegt einer plötzlich tot im Nistkasten. Was ist passiert? Teil 2 unserer Serie, in der wir eine Mauerseglerfamilie begleiten.

Familie/Bildung/Soziales: Lisa Welzhofer (wel)

Ach du liebe Güte! Da wollten wir nur eine harmlose Serie über das nette Familienleben der Mauersegler schreiben – und dann das: Am 18. Mai liegt in Nistkasten 1 frühmorgens einer der Vögel leblos auf dem Boden. Dabei ging es in dieser Nesthöhle bis dato besonders herzig zu. Stundenlang konnten wir im Youtube-Livestream aus den Nistkästen des Muse-O Gablenberg dem Pärchen beim Aneinanderschmiegen, der putzigen Gefiederpflege und dem innigen Ineinanderverknäultsein zusehen, worüber wir an dieser Stelle ausführlich berichtet haben.

 

Die Bewohner von Kasten 1 des Stadtteilmuseums schienen angekommener und vernünftiger als ihre Artgenossen in 3, 7 und 15, wo häufiger gerangelt und gerempelt wurde, schon mal einer ein Ei aus dem Nest pfefferte, oder die Rabeneltern stundenlang ausgeflogen waren, die ungeborenen Kinder allein daheim.

Das kleine, ordentliche Glück, das tierisch nerven kann

Nicht so beim Streberpärchen Nummer 1. Die hatten bald drei leuchtende Eier im Nest, die Mulde war mit Federn dekorativ geschmückt. Stets brütete einer schicksalsergeben. Alles lief nach Plan. So stellt man es sich vor, das kleine, ordentliche Glück, das jene, die weniger perfekt sind, mitunter tierisch nerven kann.

Aber dann schlägt das unbarmherzige Leben halt auch bei den Vorzeigekreaturen zu. Das ist bei Mauerseglers nicht anders als bei den Menschlein. Seither fragte sich die Mauersegler-Community rund um Petra Tenzlinger, Stefanie Erhardt und Klaus Sturm, die die Nistkästen im Muse-O betreuen und darüber den Mauersegler-Blog schreiben, wie es weiter gehen soll mit dem alleinerziehenden Elternteil. Wie der das schaffen soll, allein mit der Brut.

Woran der Vogel – bei Mauerseglern ist nicht ersichtlich, wer Männchen, wer Weibchen ist – gestorben ist, wissen Petra Tenzlinger und ihr Mitstreiter nicht. Als sie ihn aus der Höhle holten, war er unverletzt und von normalem Gewicht (41 Gramm).

Der zurückgelassene Vogel indes, hockte einfach weiter auf seinen Eiern. Was in dem hübschen Köpfchen vor sich ging: Wer vermag das schon zu sagen. Umso verlockender, Menschliches hineinzuinterpretieren. Guckten die großen Kulleraugen nicht tieftraurig drein? Saß er nicht schrecklich allein in seiner zu großen Höhle, einsam wie auf einem Edward-Hopper-Gemälde? Dabei spulte das Tier wohl nur stoisch sein biologisches Fortpflanzungsprogramm weiter ab.

Klaus Sturm, Petra Tenzlinger und Stefanie Erhardt betreuen die Nistkästen im Muse-O Gablenberg. Foto: Welzhofer

Hin und wieder flog der Mauersegler aus, um sich Nahrung zu suchen. Dabei ist es wohl passiert. Bereits drei Tage nach dem Ableben des anderen, zog am 21. Mai ein neuer Partner ins Nest mit ein. Die alten Eier flogen raus. Jetzt sind wohl neue in Produktion. Das Leben geht weiter. Happy End.

Stuttgarter Mauersegler beobachten

Livestream
Mit 8 Digitalkameras wird das Treiben in den Nistkästen des Muse-O Gablenberg aufgezeichnet. Ein Livestream auf Youtube schaltet derzeit zwischen den vier belegten Nisthöhlen hin und her. Im zusätzlichen Mauersegler-Blog begleiten die Beobachter die Brut 2025 und stellen besonders interessante Video-Sequenzen ein: www.mauersegler-stuttgart.de. Dort findet man auch Material aus der vergangenen Saison.

Serie
In mehreren Artikeln wollen wir die Mauersegler-Familien in unregelmäßigen Abständen durch diese aufregende Zeit begleiten. Den ersten Teil der Serie finden Sie hier.