Unter den Betonschwellen kann man durchschauen, sie sind freigelegt wie ein Gerippe. Der Schotter ist weg, das Gleisbett weggespült. Am Bahnhof in Schorndorf-Miedelsbach hängt ein Hinweis, dass ein Schienenersatzverkehr eingerichtet ist. Die Wieslauftalbahn, auch Wiesel genannt, wird einige Zeit ausfallen.
Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat sich am Montag ein Bild von den Schäden gemacht, die durch das Hochwasser und den Starkregen im Rems-Murr-Kreis in Miedelsbach und Rudersberg entstanden sind. Der Regen hatte die Straßen in kürzester Zeit in reißende Flüsse verwandelt und in der Nacht auf Montag vor rund einer Woche eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Horst Windeisen, Geschäftsführer der Württembergischen Eisenbahn-Gesellschaft WEG, die die Wieslauftalbahn betreibt, überreichte dem Verkehrsminister beim Vor-Ort-Termin eine Dokumentation von Flutschäden der Wieslauftalbahn. Schon die „allererste Begutachtung“, die nicht vollständig ist, hat zahlreiche Schäden auf der Strecke zwischen Kilometer 1,5 und 10,1 aufgelistet. Insgesamt verläuft die Wieslauftalbahn auf 11,4 Kilometern von Schorndorf nach Oberndorf.
Der Starkregen kam plötzlich, das Wasser dann von allen Seiten
Unterspülte Gleisbette und Asphalt, verschlammte Kabelschächte, Treibgut und Schlamm im Schotter, eine unterspülte Weiche am Bahnhof Miedelsbach: Das Ausmaß ist massiv. Manche Schäden seien noch nicht bewertbar, heißt es. Das macht auch Windeisen deutlich. Die Wagenhalle in Rudersberg stand fast eineinhalb Meter unter Wasser. Auch in den Fahrzeugen des Wiesels sei Wasser gestanden. Alles müsse gereinigt, die ganze Elektronik komplett überprüft werden, das müsse man in einer Großwerkstatt machen, sagt Windeisen.
Rems-Murr-Landrat Richard Sigel und der Rudersberger Bürgermeister Raimon Ahrens schildern die Dramatik der Lage vor rund einer Woche. „Ab hier war Boot fahren angesagt“, sagt Sigel in Rudersberg, „dazu kam der Stromausfall, es war stockdunkel.“ „Das Wasser kam von allen Seiten, der Starkregen kam plötzlich“, sagt Bürgermeister Ahrens. Es seien Schäden durch den Starkregen entstanden in Bereichen, die bei einem klassischen Hochwasser außen vor seien, beschreibt er die außergewöhnliche Situation. Bei der Infrastruktur seien nicht nur Straßen, sondern auch Radwege und Wegebrücken betroffen. Ebenso Schulen wie die Grundschule Schlechtbach, wo man noch auf die Aussage des Gutachters warte. Der Verkehrsminister zeigte sich sichtlich betroffen. „Es ist klar, dass man etwas machen muss“, sagt Hermann. Man müsse auch mehr tun, um den Klimawandel zu bekämpfen. „Eine stärkere Warnung können wir nicht bekommen.“ Dramatische Szenen schildert auch Joachim Stocker von der Rudersberger Feuerwehr. „Im Bruchteil von Sekunden“ sei die Katastrophe entstanden. „Nie im Leben hätte man warnen können“, sagt er und vergleicht die Flut mit einem Tsunami.
Als letzte Station macht der Tross Halt auf der verwüsteten Landesstraße mit Blick auf das Viadukt im Welzheimer Wald. Der Weg führt vorbei an Hangrutschen, teils auf Schotterstrecken. An dieser Stelle ist der Hang unter der Landesstraße abgestürzt, die Straße gefährlich unterspült. Der Erlebnispark Eins und Alles ist abgeschnitten, nur von Welzheim aus für Anlieger erreichbar. Der Blick schweift auf ein Chaos aus Geröll unter dem Viadukt. Letzteres halte, es bestehe keine Einsturzgefahr, zeigt sich Reinhold Kasian, Geschäftsführer der Schwäbischen Waldbahn zuversichtlich. Der Schaden ist aber so groß, dass der WEG-Chef davon ausgeht, dass es Monate baucht, bis die Wieslaufbahn wieder fährt. Voraussichtlich werde man Teilabschnitte öffnen, etwa von Schorndorf bis Haubersbronn. Die Schäden stellen die Kreisverwaltung vor finanzielle Herausforderungen: Bei der Wieslauftalbahn ist einer ersten Einschätzung der WEG nach ein zweistelliger Millionenbetrag fällig.
Landrat fordert Millionen Euro an Soforthilfe
Auch die Schwäbische Waldbahn ist betroffen. Hier wird mit Schäden von mindestens 3,5 Millionen Euro gerechnet. Diese seien auch nicht durch eine Versicherung abgedeckt. Die Schwäbische Waldbahn stehe damit vor dem finanziellen Ruin.
Sigel richtet sich mit einem Forderungskatalog an den Verkehrsminister: Er dringt auf eine Soforthilfe des Landes von mindestens 15 Millionen Euro, um den Schienenpersonennahverkehr im Wieslauftal und Schwäbischen Wald zu erhalten und schnell wieder betriebsfähig zu machen. Für die Reparatur der kommunalen Straßeninfrastruktur fordert Sigel eine Soforthilfe des Landes von 20 Millionen Euro. Insgesamt rechne der Kreis mit einem Gesamtschaden der Straßeninfrastruktur in Höhe eines mittleren zweistelligen Millionenbereichs.