Israel hat zuletzt mehrere Führer von Hamas und Hisbollah getötet. Das iranische Regime befürchtet, dass nun der Revolutionsführer in Teheran dran sein könnte.
. Khamenei wurde am Wochenende nach Medienberichten aus seinem Amtssitz in Teheran an einen geheimen Ort gebracht. In seinem Versteck hat er schwierige Entscheidungen zu treffen.
Während die israelische Luftwaffe am Freitagabend ihren Angriff auf Nasrallahs Bunker in Beirut vorbereitete, drohte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in einer Rede vor der UN-Vollversammlung in New York, „der lange Arm Israels“ könne jeden Ort im Iran erreichen. Seine „Botschaft an die Tyrannen von Teheran“ laute: „Wenn ihr uns angreift, greifen wir euch an.“
Schläge gegen Irans Atombombe
Netanjahu drängt die USA schon lange zu Militärschlägen gegen den Iran, um die Entwicklung einer iranischen Atombombe zu verhindern. Nach Nasrallahs Tod schrieben israelische Rechtsnationalisten in den sozialen Medien, Khamenei sei der nächste. Dass Israels Geheimdienst den iranischen Revolutionsführer finden und seine Leibwache überwältigen könnte, ist zumindest möglich. Agenten des Mossad konnten Hamas-Chef Hanijeh, der als Staatsgast in Teheran war, im Juli in einem Gästehaus der Revolutionsgarde in der iranischen Hauptstadt orten und töten. Khamenei soll deshalb nach dem Anschlag auf Nasrallah an einen besonders sicheren Ort gebracht worden sein. Der Revolutionsführer war zuletzt vor einigen Tagen öffentlich aufgetreten, könnte nun aber erst einmal abtauchen.
Ein Anschlag auf Khamenei würde nicht allein auf das Leben des Revolutionsführers zielen, sondern auf das theokratische System der Islamischen Republik an sich. Zurzeit sei es unwahrscheinlich, dass Israel die Jagd auf Khamenei eröffne, sagte der Iran-Experte Arash Azizi von der Universität Boston. Doch sollte sich der Krieg ausweiten, könnte das geschehen. Dann könnte Israel versuchen, das Regime in Teheran zu stürzen und durch eine Israel-freundliche Regierung zu ersetzen, zum Beispiel eine Führung unter dem Sohn des letzten Schahs Reza Pahlavi.
Großkrieg soll verhindert werden
Arman Mahmoudian von der Universität Süd-Florida stimmt der Einschätzung zu. „Ich bezweifle, dass die iranischen Behörden glauben, Khamenei sei der Nächste auf der Liste“, sagte Mahmoudian unserer Zeitung. Allerdings könnte Israel die Mitglieder der iranischen Militärführung jagen, wenn der Iran in einen regionalen Krieg hineingezogen werde.
Einen Krieg gegen Israel wollen Khamenei und seine Generäle unbedingt verhindern. Der Revolutionsführer zeigte mit seiner relativ zurückhaltenden Reaktion auf Nasrallahs Tod, dass er einem Konflikt aus dem Weg gehen will. Allerdings ist es damit für Khamenei nicht getan, wie der türkische Iran-Experte Arif Keskin sagt. Iranische Hardliner fordern, das Regime müsse endlich etwas gegen Israel unternehmen. Dass Khamenei bis heute nicht militärisch auf den israelischen Anschlag auf Hanijeh reagiert habe, bringe das Regime in Bedrängnis, sagte Keskin unserer Zeitung. „Hardliner kritisieren, dass der Anschlag auf Nasrallah vielleicht nicht passiert wäre, wenn das Regime den Tod von Hanijeh gerächt hätte.“ Die Hardliner fordern eine härtere Antwort.
Hardliner wollen harte Antwort
Aber welche? Bleibt Khamenei nach Nasrallahs Tod wieder untätig, wird der Iran nach Keskins Einschätzung bei seinen Verbündeten an Glaubwürdigkeit verlieren, und die innenpolitische Kritik wird zunehmen. Wegen der Vorbehalte gegen eine direkte Konfrontation mit Israel oder den USA könnte Khamenei mehr Angriffen der jemenitischen Huthis auf israelische und westliche Ziele, oder ein gemeinsames Vorgehen irakischer und syrischer Gruppen anstreben. Den Kampf gegen Israel gibt Khamenei nicht auf.