Das ZDF Magazin Royale und weitere Medien haben brisante Details über die Tanzshow Shen Yun und die dahinterstehende „Psychosekte“ veröffentlicht. Die Tourismusbehörde Ludwigsburgs erklärt, warum die Show trotzdem stattfinden soll.

Ludwigsburg : Emanuel Hege (ehe)

Die Tanzshow Shen Yun begeistert seit Jahren tausende Menschen im Ludwigsburger Forum im Schlosspark. Auch die fünf Shows Anfang März sind bereits ausverkauft. Doch das Image der harmlosen Unterhaltung bekommt zunehmend Risse.

 

In den vergangenen Wochen berichteten die New York Times, der Spiegel und das ZDF Magazin Royale kritisch über die chinesische Falun-Gong-Sekte, die nachweislich hinter der Shen-Yun-Show steht. Die Vorwürfe umfassen Homophobie, Pseudowissenschaft und Ausbeutung. Das reicht aber nicht für eine Absage der Ludwigsburger Shows, erklärt Mario Kreh, Geschäftsführer der städtischen Tourismusbehörde.

Die fünf Shen-Yun-Shows im Ludwigsburger Forum Anfang März sind ausverkauft. Foto: Simon Granville

Die Details über Shen Yun und Falun Gong sind brisant. Recherchen der New York Times enthüllen, dass die Sekte offenbar ihre Tänzerinnen und Tänzer ausbeutet und erpresst. Die Behörden im US-Bundesstaat New York haben Untersuchungen eingeleitet. Wer medizinische Hilfe fordert oder kündigen will, dem droht der Verlust des angeblich göttlichen Schutzes durch den Sektenführer Li Hongzhi. Die Bewegung bestreitet die Vorwürfe.

Ein Spiegel-Artikel vom Monatsanfang wirft der Shen-Yun-Show vor, Propaganda für Falun Gong zu machen. In Liedern wird die Evolutionstheorie angezweifelt und eine spirituelle Überlegenheit über Nicht-Religiöse gefeiert. „Atheismus und Evolutionstheorie werden von Satan selbst dirigiert. Mit modernen Anschauungen und Verhaltensweisen erniedrigt sich der Mensch nur selbst“, so eine Textstelle der Show.

Rechte und esoterische Weltbilder

Laut Spiegel verkaufen Falun-Gong-Anhänger vor und nach den Shows auch Bücher von Li Hongzhi. In denen warnt der Sektenführer unter anderem vor moderner Medizin, vor einer Vermischung der Ethnien und nennt Homosexualität in einem Atemzug mit Drogenmissbrauch und Auftragsmord.

In der Show finde sich aber auch politische Propaganda der Sekte, so der Spiegel. Seit Ende der 1990er Jahre unterdrückt die chinesische Regierung Falun Gong brutal. Entsprechend kommunismusfeindlich ist die Ideologie der Sekte, was sich in der Shen-Yun-Show widerspiegelt. Der Konflikt wird tänzerisch dargestellt, indem Maos Machtübernahme 1949 als Ende eines göttlichen Paradieses inszeniert wird.

Die Tanzshow sei nicht das, was sie vorgibt zu sein, resümiert Satiriker Jan Böhmermann in der aktuellen Ausgabe von ZDF Magazin Royale. Wer eine Unterhaltungsshow erwarte, bekomme tatsächlich rechte und esoterische Weltbilder der nachweislichen „Psychosekte“ serviert.

Den Veranstaltungshäusern in Berlin, Leipzig, Dortmund und Ludwigsburg ist die kritische Berichterstattung nicht entgangen. Während das Dortmunder Opernhaus seine Zusammenarbeit mit Shen Yun überdenkt, verteidigt Mario Kreh von Tourismus & Events Ludwigsburg (Telb) die Entscheidung, der Show im Forum im Schlosspark eine Bühne zu bieten.

Achtung vor voreiliger Zensur

Er stehe im ständigen Austausch mit anderen Veranstaltungshäusern über kritische Shows. Telb-Mitarbeiter würden Vorwürfe analysieren und Mietanfragen prüfen. Verstößt eine Show gegen politische, rassistische oder religiöse Normen, verbreitet extremistisches Gedankengut oder warnen deutsche Sicherheitsbehörden vor den Organisatoren, lehnt Telb Anfragen ab, erklärt Kreh.

Nach den Prüfungen sei das Telb-Team jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Grundlage für eine Absage der Shen-Yun-Show vorliegt. „Anders als Jan Böhmermann behauptet, haben wir auch keine extremen politischen Botschaften in den Shows feststellen können“, sagt Kreh. Auch andere Beobachter sind der Meinung, dass die Show von der Kunstfreiheit gedeckt ist.

Die Berichterstattung erwecke „natürlich einen problematischen Eindruck der Hintergrundorganisation“. Es gebe aber auch seriöse Institutionen, die sich nicht zur Falun-Gong-Sekte abgrenzen, sagt Kreh und nennt zwei Beispiele: Der Beauftragte der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Frank Schwabe, schickte 2023 ein öffentliches Grußwort an die Sekte. Und das Europäische Parlament setzte sich Anfang 2024 gegen die Verfolgung der Sektenmitglieder durch die chinesischen Behörden ein.

Tourismusmanager Mario Kreh wirkt frustriert. Die Kritik an einzelnen Shows und Darstellern nehme zu und beanspruche immer mehr Raum, sagt Kreh. „Die zunehmend polarisierte Gesellschaft hat auch zur Folge, dass eine immer größere Anzahl von Künstlern Boykott-Drohungen ausgesetzt ist.“ Immer wieder müsse sich Telb gegenüber Gruppen oder Einzelpersonen für Auftritte von Sängern und Komikern rechtfertigen. Unabhängig von der Frage nach Shen Yun muss die Tourismusbehörde also immer häufiger zwischen berechtigter Kritik und voreiliger Zensur abwägen.

Hintergründe zur Falun-Gong-Sekte

Geschichte
Falun Gong (in Deutschland Falun Dafa) ist eine spirituelle Bewegung, die in den 1990er Jahren in China von Li Hongzhi gegründet wurde. Falun Gong beschreibt sich selbst als friedliche Meditationsvereinigung, steht unter anderem wegen des Personenkults, Rassismus- und Homophobievorwürfen aber schon länger in der Kritik. Seit Ende der 1990er Jahre wird die Sekte von der chinesischen Regierung verfolgt und unterdrückt, viele Mitglieder wurden verhaftet.

Medienimperium
Die Sekte steht auch wegen ihrer rechtspopulistischen Medien in der Kritik. Mit der Epoch Times und NTD TV betreibt die Sekte scheinbar unabhängige Medien, die aber nachweislich tendenziös berichten und Desinformation betreiben. Unter anderem unterstützten die Medien aktiv die Trump-Administration und verbreiteten Verschwörungstheorien über die Corona-Pandemie. Auch der deutsche Ableger der Epoch Times fällt durch alarmistische Berichterstattung auf und bewegt sich am rechten Rand der Medienszene.