Die Netto-Filiale am Rotebühlplatz ist geschlossen. Sie war eine Anlaufstelle für Menschen mit niedrigem Einkommen. Der Discounter hatte sich für Obdachlose und Feiernde zu einem Ort entwickelt, an dem sie günstig Alkohol kaufen konnten. Eine Reportage aus dem Februar 2023 [Plus-Archiv].

Baden-Württemberg: Erdem Gökalp (erg)

Es ist Samstagvormittag im Netto-Markt am Rotebühlplatz. Ein älteres Paar zankt sich am Spirituosenschrank. Der billige Bojaroff-Wodka war kürzlich noch im Angebot und hat 5,19 Euro in der 0,7-Liter-Flasche gekostet. Inzwischen ist er wieder teurer geworden. Doch was soll’s, die Frau mit den rötlich gefärbten Haaren lässt sich nicht irritieren und gibt einen aus. „Unter zehn Euro für eine Flasche Wodka, das ist immer noch ein guter Preis“, sagt sie lautstark in dem Discounter, sodass auch andere sie hören können. Ihr Partner ist im Jogginganzug, die grauen Haare zerzaust, der Bart um den Mundwinkel vom Tabak ockergelb angelaufen. Sie kauft an diesem Tag noch eine kleine Flasche Sekt und eine Packung mit Schoko-Eiern. Er kauft eine Dose Tabak zum Stopfen. Das Paar setzt sich wenige Meter vor dem Discounter auf eine Gitterbank, während der Mann die Wodkaflasche aufschraubt und direkt mit mehreren Zügen aus der Flasche trinkt. Das Wetter ist schön an diesem Februartag, und die beiden verstehen sich wieder gut. Sie sind die Einzigen, die sich auf den Bänken vor dem Netto niederlassen.