Eine neue Corona-Variante beschäftigt Gesundheitsexperten weltweit. Sie verbreitet sich schnell, verläuft bisher aber harmlos. Wie Stuttgarter Klinikchefs die Lage einschätzen.

Britische Wissenschaftler warnen vor einer neuen, hochansteckenden Corona-Variante: Nimbus. Der Stamm (N.B.1.8.1) hat sich aus dem hochansteckenden Omicron entwickelt und bereits in China, Singapur und Hongkong zu einem Anstieg der Fälle geführt. Auch in Europa gibt es wieder mehr Fälle, wobei die Corona-Lage zuletzt ruhig war. Die Symptome des neuen Stamms sind Müdigkeit, Fieber, Muskelschmerzen und vor allem heftige Halsschmerzen.

 

Doch wie sieht die Lage in Deutschland aus? Wie schätzen Stuttgarter Experten die Gefahr ein, dass nun eine Sommerwelle droht? „Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Nimbus inzwischen zwar als ,Variante unter Beobachtung’ eingestuft“, sagt Jan Steffen Jürgensen, der Ärztliche Direktor des Klinikums Stuttgart. „Sie gilt aber nicht als besorgniserregend.“

Sein Kollege Mark Dominik Alscher, Geschäftsführer des Robert-Bosch-Krankenhauses (RBK), sieht es ähnlich: Man müsse die Variante im Auge behalten - „Es gibt aber keinen Grund zur Panik.“ So gebe es etwa keine Hinweise auf schwerere Verläufe. „Die Pandemie wurde ohnehin schon länger und zu Recht als beendet erklärt“, betont Jürgensen. Und auch das Robert-Koch-Institut (RKI) gibt Entwarnung: Es schätzt die neue Virusvariante nicht als gefährlicher ein als die bisher zirkulierenden Typen.

Nimbus erstmals Ende März in Deutschland nachgewiesen

In Deutschland wurde Nimbus nach Angaben des RKI erstmals Ende März nachgewiesen. Letzten Erhebungen zufolge war die Variante Ende Mai bei rund 21 Prozent der Fälle die Erkrankungsursache. Allerdings hält sich die Zahl der gemeldeten Fälle in Grenzen, zuletzt waren es gerade mal um 600.

Steffen Jürgensen Foto: Lichtgut

„Es gibt sicher eine Dunkelziffer“, ist sich Jürgensen sicher. Denn inzwischen testeten sich die wenigsten auf Corona, wenn sie leichten Schnupfen oder Halskratzen haben - „zu Recht“, wie der Klinikum-Chef findet. Als Folge blieben jedoch viele Corona-Infektionen „unter dem Radar“. Klar sei bisher, dass die Variante mehrere Veränderungen im Erbgut aufweise, die ihr offensichtlich Vorteile verschaffen: „Sie ist ansteckender und kann dem Immunsystem besser entgehen.“

Impfungen nur bei manchen Gruppen sinnvoll

Muss man sich daher wieder impfen lassen? Nach Ansicht von Jürgensen lautet die Antwort mit Ausnahme von Risikogruppen und medizinischem Personal: nein. „Die meisten Menschen haben inzwischen mehrere Impfungen und mehrere Erkrankungen hinter sich“, so der Facharzt für Innere Medizin. Die Immunität sei somit besser, als sich von den Impfquoten ablesen lasse.

Auch RBK-Chef Alscher sieht derzeit keinen Grund für Impfungen. „Von September bis November ist es aber ratsam, wenn man über 60 oder immungeschwächt ist oder im Gesundheitswesen arbeitet.“ Durch regelmäßiges Impfen lasse sich das Risiko für schwere Verläufe sowie Post und Long Covid „deutlich verringern“, so der Internist weiter.

Mark Dominik Alscher Foto: Lichtgut

In den Stuttgarter Kliniken sind derzeit stationär nur sehr wenige Patienten mit Corona in Behandlung - im RBK etwa liegt die Zahl im einstelligen Bereich. Von einer Sommerwelle, die auf Deutschland und Stuttgart zurollt, wollen die Klinikchefs daher nicht reden. Es sei wie bei Influenza - „saisonal kommen und gehen Viruserkrankung nun mal“, so Jürgensen. Anders als die Grippe, verbreite sich das Corona-Virus auch bei feucht-warmer Witterung. „Im Sommer ist man aber viel draußen“, betont Alscher - weshalb die Ansteckungsgefahr deutlich geringer sei.

Gefährlicher werde es allerdings im Herbst und Winter: „Nicht wegen steigender Patientenzahlen, sondern weil dann große Ausfälle beim Personal drohen“, warnt Alscher. Bereits im letzten Winter sei das RBK dadurch vor Herausforderungen gestanden.

Um sich und andere vor Ansteckungen zu schützen, raten die beiden Klinikchefs auch bei Nimbus dazu, die gängigen Hygienemaßnahmen einzuhalten: regelmäßiges, gründliches Händewaschen, in die Armbeuge niesen, Abstand halten, sofern man Symptome hat. Diese einfachen Regeln sollte inzwischen jeder verinnerlicht haben.