Die Leinwände für das Public Viewing während der EM sind längst aus dem Stadtbild verschwunden. Nun gibt es auf der Königstraße den nächsten Publikumsmagneten – das Public-TikTok-Viewing. Was es damit auf sich hat.

Digital Desk: Nina Scheffel (nse)

Wer die vergangenen Tage auf der Unteren Königstraße nahe des Stuttgarter Hauptbahnhofs unterwegs gewesen ist, hat es möglicherweise schon selbst beobachtet: Passantinnen und Passanten bleiben vor einem Aufsteller mitten auf der Stuttgarter Königstraße stehen und schauen auf einem Bildschirm gemeinsam Videos.

 

Dabei handelt es sich nicht etwa um Werbung oder den neuesten Nachrichtenüberblick, wie man es beispielsweise von Infobildschirmen im Stuttgarter Stadtraum kennt. Nein, hier flimmern tatsächlich Videos der Social-Media-Plattform TikTok über die Leinwand.

Erst kürzlich ging auf X (ehemals Twitter) das Posting eines Nutzers viral, der diese Szenerie fotografierte. Das offenbar neue Spektakel sorgt für Gesprächsstoff auf der Nachrichtenplattform. Doch was steckt hinter dem neuen Public-Viewing-Format?

Was auf den ersten Blick wie ein Gag wirkt, soll viel mehr sein als das. Hinter dem Projekt, das mit dem Bildschirm-Aufsteller auf Höhe der Königstraße 1A von sich reden macht, steckt Architekt und Stadtplaner Johannes Heynold, der bereits in der Vergangenheit verschiedene Projekte im öffentlichen Raum initiiert hat. So zeigte er etwa Nachbarschaftsgeschichten im Stadtraum, indem er Stuttgarterinnen und Stuttgarter beim „Stäffele Speed-Dating“ auf den Treppen der Landeshauptstadt zusammenbrachte. Mit seinen Projekten, die er im „Studio JoHey!“, einem „Studio für Dialog und Raum“, vereint, will der Stuttgarter Menschen im öffentlichen Raum in einen Dialog bringen.

TikTok-Bubbles durchbrechen

„Mir ist es wichtig, dass das Projekt im öffentlichen Raum stattfindet“, erklärt Heynold. „Denn um zu verhandeln, wo wir gemeinsam hinwollen, dafür braucht es den öffentlichen Raum – und der verändert sich. Mit TikTok hat man eine große Öffentlichkeit, die aber durch verschiedene Bubbles gleichzeitig sehr individuell ist.“ Heynold findet es spannend zu sehen, was passiert, wenn Inhalte der virtuellen Plattform in den öffentlichen Raum gelangen, wo sich Menschen den Inhalten gegenüber dann auch anders verhalten, wie er sagt. „Wir experimentieren mit den Schnittstellen zwischen öffentlichem und digitalem Raum und schauen, was beide voneinander lernen können.“

Public-TikTok-Viewing – so geht’s

Beim Public-TikTok-Viewing soll das so funktionieren: Mit der Genehmigung der Stadt Stuttgart lädt Johannes Heynold neugierige Passantinnen und Passanten vor Ort dazu ein, aktuelle TikTok-Trends zu verfolgen und mit anderen Hobby-TikTokern ins Gespräch zu kommen. Dabei bestimmen die aktuellen TikTok-Trends, was das Publikum auf dem Bildschirm sieht. „Die Passantinnen und Passanten sehen auf dem Bildschirm das, was gerade in Deutschland trendet“, erklärt Heynold.

Gemeinsam Trends verfolgen und diskutieren

Gleichzeitig können Passantinnen und Passanten aber auch selbst aktiv werden. So soll „aus der individuellen Algorithmus-Bubble wieder eine kleine, gemeinsame Öffentlichkeit“ werden.

Beim Public-TikTok-Viewing swipet man nicht mehr alleine durch Videos. Foto: dpa-Zentralbild/Jens Kalaene

Das Team bestehend aus Heynold und seinem Freundeskreis ist zur Moderation des Events vor Ort, teilt blaue (zum Pausieren und Diskutieren des Videos) und gelbe Karten (zum Weiterswipen) an das Publikum aus.

So sind bereits Diskussionssituationen innerhalb des Publikums entstanden, erzählt Heynold. „Da gab es beispielsweise bei einem Gurken-Video schon den Hinweis aus dem Publikum, dass Gurken wegen des Trends in manchen Ländern nicht mehr erhältlich sind“, sagt Heynold. „Oder auch die Bitte, weiter zu swipen, weil ein Video sexistisch ist.“

Mehrere Public-Viewing-Termine im September

Bei den Leuten in Stuttgart kommt das Format an, sagt Heynold. Einen Public-Viewing-Termin fand bereits am 4. September statt, vorerst drei weitere Termine im September sollen folgen. So können Stuttgarterinnen und Stuttgarter sowohl am Donnerstag, 12. September, als auch am Mittwoch, 18. September und am Montag, 23. September jeweils von 19 bis 21 Uhr vor dem Königstraße 1A gemeinsam TikTok-Trends verfolgen und sich darüber austauschen.

Für den Termin am kommenden Donnerstag hat Heynold einige Neuerungen im Gepäck – unter anderem soll die Mobile Jugendarbeit Stuttgart dabei sein. „Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt“, sagt er.

Public-TikTok-Viewing 12./18./23.09., 19-21 Uhr, vor der Königstraße 1A, S-Mitte, Studio JoHey!