Der Gemeinderat segnet den Verwaltungsvorschlag, die Stadtbahn-Endhaltestelle zu verschieben, ab. Damit ist der Weg frei für eine umfassende Umgestaltung der Bereichs am Rathaus. 2025 könnte es losgehen.

Der gelegentlich bereits als „Jahrhundertentscheidung“ apostrophierte Beschluss war es nicht, aber eine Vorstufe davon: Der Fellbacher Gemeinderat hat mit klarer Mehrheit beschlossen, die Stadtbahn-Endhaltestelle um rund 100 Meter nach Westen auf Höhe der Mauer des Alten Friedhofs zu verlegen. Mit diesem Votum ist der Weg frei für die von der Rathausspitze um Oberbürgermeisterin Gabriele Zull forcierte Umgestaltung des Stadtzentrums. Der am Wochenende veröffentlichte Protest der Ortsgruppe Fellbach des Verkehrsclubs Deutschland gegen die Verlegung wegen der dann schlechteren Anbindung an den Nahverkehr fand somit kaum Widerhall.

 

Als „Institution, die alles ausgelöst hat“, bezeichnete Baudezernentin Beatrice Soltys die Stuttgarter Straßenbahnen AG. Denn die von der SSB vorgesehene Verlängerung der Stadtbahnen auf 80-Meter-Züge macht auch einen Ausbau der Haltestellen erforderlich. Dies lässt sich bei der Endhaltestelle Lutherkirche allerdings nicht so einfach durch ein paar Meter zusätzlich vorne oder hinten bewerkstelligen. Vorne ginge es zu dicht an die Kreuzung Seestraße und Cannstatter Straße heran, und hinten wäre die wichtige Fußgängerführung unterbrochen.

Die „geschichtliche Wiege“ Fellbachs

Aus diesem Grund sucht man bei diesem „ganz spannenden Thema“ (Zull) die große Lösung für die Neue Mitte, wie das Projekt genannt wird. Das Areal an der „Schnittfläche zwischen dem Oberdorf und dem Einzelhandelsbereich“ sei „die geschichtliche Wiege Fellbachs“ und „ein zentraler Platz“, wie Soltys ausführte. Für die Zufahrt zur Rathaus-Tiefgarage gibt es künftig eine Verschwenkung. Direkt an der Endhaltestelle soll ein sogenannter Mobility Hub, ein Mobilitätsknotenpunkt, errichtet werden.

Die genauen Entwicklungen auf diesem Areal sollen in einem städtebaulichen Wettbewerb konkretisiert werden. „Die Nachteile der Verlängerung der Umstiegswege und -zeiten sind nicht einfach wegzudiskutieren“, räumt die Verwaltung ein. Deshalb steht noch die Klärung an, ob die Buslinie 60 gen Untertürkheim künftig an der Schwabenlandhalle und dem F3-Kombibad vorbei durch die Esslinger Straße geführt wird und ob deshalb ein zusätzlicher Citybus sinnvoll wäre. „Ein ergänzender Citybus könnte die Anbindung des Oberdorfs qualitativ deutlich verbessern“, heißt es in verkehrsplanerischen Erläuterungen.

Auch die Stuttgarter Straßenbahnen AG ist zufrieden

Die Stuttgarter Straßenbahnen AG, so war zu hören, sei zufrieden mit der von der Stadt vorgelegten Planung. In einer zur Sitzung aufgelegten Stellungnahme vom 7. November 2022 erklärt Volker Christiani, Leiter Stabsbereich Planung der SSB: „Aus rein betrieblicher Sicht des Verkehrsunternehmens SSB ist die Kombination der Haltestellen ,U1 – neue Lage’ und ‚Bus 60 – alte Lage’ akzeptabel.“ Inzwischen schätze die SSB die Sache weniger nüchtern und deutlich positiver ein, heißt es aus dem Rathaus.

Der Reutlinger Architekt, Stadtplaner und Diplomingenieur Wolfgang Riehle, der auch im Gestaltungsbeirat für das Fellbacher Großprojekts sitzt, schwärmte in der Sitzung: „Ich sehe eine große Chance in der Neuen Mitte.“ Sicher, „Stadtplanung ist ein mühsames Geschäft, denn eine Entscheidung baut auf der anderen auf“. Doch in Fellbach sei ein „Befreiungsschlag für alle“ in Sicht. Wichtig sei auch, dass der vorgesehene Mobility Hub die Trennung der Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer ermögliche. Die angestrebte Lösung bedeute zudem „mehr Respekt vor der Lutherkirche und Ihrem wunderbaren Rathaus“, sagte der Experte und erwartet eine neue „Aufenthaltsqualität“. Weitere Bäume versprächen mehr Grün und seien für das Klima gut.

Stadträtin: hoch spannend und zukunftsweisend

Tatsächlich „geht es nicht nur um den Umbau einer Haltestelle, sondern um weitreichende Veränderungen für die nächsten Generationen“, erklärte CDU-Fraktionschef Franz Plappert. Die Stadtplanung dort sei für sie weniger „mühsam“, griff Aileen Hocker (Freie Wähler/Freie Demokraten) den Begriff des Architekten Riehle auf, sondern „eher hoch spannend und zukunftsweisend“. Auch SPD-Fraktionschef Andreas Möhlmann zeigte sich zufrieden: Künftig erhalte Fellbach eine „durchgehend attraktive Stadtmitte vom Rathaus-Carrée bis zum Wüst-Areal“. Für das evangelische Gemeindehaus und den Weltladen seien sicher noch gute Lösungen zu finden. Allerdings, den auf Visualisierungen bereits eingezeichneten Mobility Hub „können wir uns auch noch etwas schlanker vorstellen“. Garantiert müsse sein, „dass das Rathaus nicht in die zweite Reihe rückt“. Grundsätzlich müsse an der Kreuzung „deutlich weniger Autoverkehr“ herrschen, „das Ziel muss sein, auf die Ampel zu verzichten“. Die Grünen dringen auf eine nachhaltige Lösung mit Wasserläufen und schattenspendenden Bäumen. Die Mehrheit ihrer Fraktion werde sonst gegen die Verschiebung der Haltestelle stimmen, so Stadträtin Agata Ilmurzynska.

Der Zeitplan sieht vor, dass die Haltestelle Lutherkirche im Jahr 2025 für circa 18 Monate außer Betrieb genommen wird, die Stadtbahnen enden dann an der Schwabenlandhalle. Die Finanzplanung sieht folgende Posten vor: Die Verlegung der Haltestelle sowie der städtebauliche Wettbewerb kommen auf rund 6,4 Millionen Euro, die Verlegung der Tiefgaragenzufahrt und der Bau des Mobility Hubs auf 10,9 Millionen Euro. Vom Land seien nach „konservativer Schätzung“ rund drei Millionen Euro als Unterstützung zu erwarten, sagte Soltys.

Nähere Erläuterungen zum Projekt unter www.fellbach.de/de/haltestellenverlegung-Lutherkirche