Die Ateliergemeinschaft am Stuttgarter Nordbahnhof trennt sich mit einer letzten Party nun endgültig von ihrem alten Gelände – und somit vor allem von ihrem Vereinsraum, der dort noch steht. Wie es für die Kunst- und Kulturszene künftig weitergeht.

Volontäre: Rouven Spindler (rsp)

Für die Kunst- und Kulturszene in der Stadt bricht zeitnah ein bedeutsamer Ort weg – da ist sich Lena Engelfried sicher. „Es geht auf jeden Fall ein Stück Stuttgarter Subkultur-Geschichte zu Ende“, sagt die Projektleiterin von Stups, dem Trägerverein des Bauzug-Projekts am Stuttgarter Nordbahnhof.

 

Die dortige Ateliergemeinschaft muss umziehen. An diesem Samstagabend nimmt sie mit einer Party Abschied von ihrem alten Gelände – und somit vor allem vom Vereinsraum „Alter Schwede“. Der steht derzeit noch auf der Fläche, die die Deutsche Bahn an die Gemeinschaft vermietete. Seit 1999 nutzen Künstler und Studenten alte Waggons. In diesen können sie sich ausprobieren. Bevor sie leer standen, hatten sie als Bauzug für dort stationierte Arbeiter gedient. Später kam dann die Künstlerszene.

Waggons wurden bereits 2023 verlegt

Das Ganze „hat sich in letzten 25 Jahren von Arbeitsräumen hin zu einer vielseitigen Ateliergemeinschaft entwickelt“, erklärt Lena Engelfried, deren 70-Prozent-Stelle von der Stadt finanziert wird. Ein Teil des Bauzugs wurde schon im Laufe der Jahre ganz entfernt. Zwölf verbliebene Waggons sind dann 2023 vom alten Gelände auf eine städtische Fläche nebenan verlegt worden. Auf die soll die Gemeinschaft bekanntermaßen künftig ziehen – noch immer dauert laut der Projektleitung aber der Bauantrag an.

Im April muss auch noch die verbleibende Fläche neben den alten Gleisen endgültig geräumt werden – und bevor dort der Rückbau des kleinen Vereinsgebäudes ansteht, wird noch einmal gefeiert. Am Abend füllt sich der Bereich mit Besuchern, unter anderem ist Livemusik geboten. Es sei schon immer eine Qualität dieses Orts gewesen, dass „hier sehr viele verschiedene Menschen zusammenkommen“, sagt Lena Engelfried. „Hier treffen auch Generationen aufeinander“, weiß Patricia Paryz. „Ich glaube, dass ist ein sehr nostalgisch behafteter Abend“, fügt die 34-jährige Künstlerin hinzu.

Matthias Knöller, Patricia Paryz und Lena Engelfried vor dem „Alten Schweden“ Foto: Lichtgut / Ferdinando Iannone

Matthias Knöller sieht auch etwas Positives in dem Ganzen. „Es ist ein Abschied, aber hoffentlich auch ein Anfang für mindestens weitere 25 Jahre“, sagt der Architekt, der zunächst als Besucher, seit 2010 dann über den Trägerverein mit der Gemeinschaft verbunden war. Bis dieser Anfang aber wirklich erfolgen kann, wird es noch dauern. Derzeit seien die Künstler in Ausweichquartieren.

Die drei neuen Gebäude, die die zwölf Waggons auf dem städtischen Gelände ergänzen sollen, stehen noch nicht. Um genau zu sein: Der Bauantrag läuft nach Angaben der Verantwortlichen des Projekts seit bald zwei Jahren.

Das Gelände befinde sich direkt neben dem Nordbahnhof. Foto: Lichtgut / Ferdinando Iannone

Laut Matthias Knöller soll – finanziert durch die Stadt – im Zentrum des neuen Geländes ein Gemeinschaftsgebäude entstehen. Zudem seien zwei Gebäude geplant, die Platz für insgesamt 14 Ateliers bieten sollen. „Wir sind im Transformationsprozess“, sagt der 48-Jährige.

Weil sich der Zeitplan sehr verzögert habe, würden die von der Stadt bewilligten Personalmittel – der Gemeinderat gewährte 1,5-Vollzeitstellen – ausgehen, sagt Lena Engelfried. Sie sind laut der 34-Jährigen auch schon Ende vergangenen Jahres ausgelaufen. Neben ihrer Stelle gebe es derzeit aber noch eine weitere 20-Prozent-Stelle bei dem Projekt. Das sei möglich, weil bei der Verteilung gespart worden sei und so noch ein Puffer zur Verfügung stehe.

Weitere Stellen-Bewilligung noch offen

Dass wegen der Verzögerung des Baus der Bedarf nach Personalmitteln weiterhin besteht, hat die Projektleitung nach eigenen Angaben dem Gemeinderat und dem Kulturamt kommuniziert. Die Bewilligung für ein weiteres, dann viertes Jahr steht laut Lena Engelfried noch aus. Erhält die Projektleitung diese nicht, müsse das restliche Vorhaben mit dem Umzug ohne Leitung und stattdessen ehrenamtlich abgeschlossen werden.

In einer anderen Angelegenheit herrscht bei der Ateliergemeinschaft hingegen Klarheit: Sie will den Vereinsraum in nächster Zeit „möglichst behutsam zurückzubauen“, sagt Lena Engelfried. Und so kann der „Alte Schwede“ auf dem neuen Gelände womöglich in Teilen weiterleben.