Oldtimer-Auktion in Stuttgart Oldtimer-Markt in Stuttgart – „Die Leute wollen mehr PS“
Die erste Automobil-Auktion in Stuttgart seit Jahrzehnten zeigt: Das Geschäft braucht einen langen Atem. Der Trend geht zu jungen PS-starken Klassikern.
Die erste Automobil-Auktion in Stuttgart seit Jahrzehnten zeigt: Das Geschäft braucht einen langen Atem. Der Trend geht zu jungen PS-starken Klassikern.
Das Geschäft mit Oldtimern bietet so manche Fallstricke. Das musste kürzlich auch das Stuttgarter Auktionshaus Nagel erfahren, das nach 30 Jahren wieder eine Automobil-Auktion veranstaltet hat. Einen „Versuchsballon“ wollte das Auktionshaus, dessen Kerngeschäft eigentlich der Kunst- und Antiquitätenhandel ist, mit der Versteigerung von hochpreisigen Klassiker-Fahrzeugen im September starten. Ziel war, in ein neues, hoch umkämpftes Marktsegment vorzustoßen. Mit ins Boot genommen hatte Nagel Thomas Kamm, den ehemaligen Deutschlandchef des britischen Auktionshauses Bonhams.
Geplatzt ist der Ballon zwar nicht, doch bei der Auktion im schicken Waldbaur-Areal in Stuttgart-West erreichten die Gebote kaum die festgesetzten Limits, geschweige denn die zuvor kalkulierten Schätzpreise. Zu allem Überfluss waren einige Fahrzeuge kurz vor Auktionsstart von ihren Besitzern auch wieder zurückgezogen worden. Vier Wochen Zeit blieb dem Auktionshaus danach, die nun nötigen Nachverhandlungen mit Käufern und Verkäufern zu führen, um die Autos doch noch loszuwerden. Ergebnis offen.
„Wir wussten, dass der Oldtimer-Markt schwächelt“, sagt Nagel-Chef Fabio Straub jetzt, rund drei Wochen nach der Auktion. Einen Grund, warum beim ersten Versuch dieser Art in Stuttgart seit Jahrzehnten der Verkaufsmotor erst einmal stotterte, sieht Straub aber vor allem in der Notwendigkeit, bei dieser ersten Auktion Limits zuzulassen. Soll heißen: Mindestverkaufspreise.
Es war eine vertrauensbildende Maßnahme des Neulings, um potenzielle Einlieferer anzulocken. ‚No Reserve‘, wie der Verzicht auf solche Limits branchenintern heißt, ist bei den Flaggschiffen der Automobilauktionen, bei RM Sotheby’s, Broad Arrow oder Bonhams, durchaus üblich. „Das hätten wir beim ersten Mal gar nicht anbieten können“, sagt auch Thomas Kamm im Rückblick. Dass die Limits dann nicht erreicht wurden, hänge auch an den Vorstellungen des Einlieferers.
Hört man sich bei anderen Experten für hochwertige Automobile vergangener Jahrzehnte um, bestätigt sich das Bild vom aktuell schwergängigen Oldtimer-Markt. „Die Hochphase des Oldtimergeschäfts war zuletzt zwischen 2015 und 2018“, sagt Nils Pfeifer, Geschäftsführer des Stuttgarter Klassiker-Händlers Carola Daimler Cars. Mit der Corona-Pandemie kam der Preiseinbruch.
Pfeifer hatte die Angebote bei Nagel im Blick. Für ihn waren die Schätzpreise für die Fahrzeuge zum Teil „Vergangenheitspreise“. „Vor zwei bis drei Jahren waren sie zu erreichen“, sagt Pfeifer. So habe ein Mercedes 220 E Ponton, Baujahr 1960, mit einem Gebot von 95 000 Euro zwar einen „marktgerechten Preis“ erzielt. Mit einem Katalogschätzpreis von 125 000 bis 150 000 Euro sei er jedoch überbewertet gewesen.
„Alles außer Ikonen und Rennfahrzeuge sind im Sturzflug“, sagt der Oldtimer-Händler mit Sitz in Plieningen. Eine Grundvoraussetzung, Top-Fahrzeuge an den Mann oder die Frau zu bringen, sei zudem inzwischen die Originalität des Automobils: „Gab es früher einen Hype um aufwendig restaurierte Oldtimer, stellen viele Sammler jetzt auf möglichst originale Automobile um.“ Matching Numbers heißt in diesem Zusammenhang das Zauberwort: Komponenten-Nummern, die beweisen, dass Chassis, Motoren oder Getriebe Originale sind. Der Kienle-Skandal lässt grüßen. Im Katalog der Nagel-Auktion hatte Pfeifer solche Matching Numbers vermisst.
Hinzu komme: Der Trend gehe zu jüngeren Klassikern. Wuchtige Oldtimer aus den 50er- und 60er-Jahren tun sich demnach aktuell besonders schwer. „Die junge Generation will es spritzig.“ Dass bei der Nagel-Auktion die Porsche aus den 80er- und 90er-Jahren vergleichsweise gut gingen, passt ins Bild.
Das sieht auch Thomas Kamm inzwischen so: „Wir brauchen beim nächsten Mal mehr dieser jüngeren Fahrzeuge“, sagt er. „Die Leute wollen mehr PS.“ Insgesamt glaubt der ehemalige Bonhams-Deutschlandchef, dass trotz dieser Anfangsschwierigkeiten Stuttgart ein guter Platz auch für markenübergreifende Automobil-Auktionen ist: „Hier gibt es einfach eine große Affinität und Kennerschaft bei dem Thema“, betont Kamm.
Er würde es gerne noch einmal versuchen. „Dann aber etwas anders“, sagt Kamm. Und ganz sicher ohne Nachbauten, sogenannte Recreation-Fahrzeuge. Viele von diesen unechten Oldtimern, wie der im Nagel-Katalog aufgelistete Maserati Monofaro oder der „Ur-Porsche“ Typ 60, entpuppten sich in Stuttgart als Ladenhüter oder wurden zurückgezogen. Der Handel mit Rekonstruktionen sei ein Geschäft für sich, meint auch Pfeifer. Die Zielgruppe vor allem in den USA und Asien zu suchen.