Für Verdienste um den christlich-jüdischen Dialog: In diesem Jahr erhalten die Auszeichnung Andreas Keller und Eberhard Zacher die Otto-Hirsch-Medaille.

Mit seiner Hilfe konnten Zehntausende von jüdischen Menschen durch Auswanderung gerettet werden, er selbst harrte in Pflichterfüllung aus und wurde am 19. Juni 1941 im KZ Mauthausen ermordet: Otto Hirsch, bedeutender Jurist in Diensten von Stadt und Land, Mitbegründer der Neckar-Aktiengesellschaft, Gründer des Jüdischen Lehrhauses und als Geschäftsführender Vorsitzender der Reichsvertretung der Deutschen Juden in selbstloser Fürsorge um die verfolgten Schicksalsgenossen zum Opfer der Shoah geworden.

 

1985, zum 100. Geburtstag von Hirsch, enthüllte der damalige Oberbürgermeister Manfred Rommel einen Gedenkstein in Hedelfingen. Im selben Jahr stifteten Stadt, Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) die Otto-Hirsch-Medaille, die unter anderen 1995 auch an Manfred Rommel und 2011 an Gunter Demnig, den Künstler und Schöpfer der Stolpersteine, verliehen wurde. 2013 wurde die Ehrung in die Otto-Hirsch-Auszeichnung umbenannt.

Andreas Keller har die 2006 eröffnete Gedenkstätte „Zeichen der Erinnerung“ am Nordbahnhof unterstützt. Foto: © die arge lola / Kai Loges und Andreas Langen

2017 war es der Verein Zeichen der Erinnerung in Verbindung mit Lernort Gedenkstätte und dem Stadtjugendring Stuttgart, der die Auszeichnung erhielt. Mit dem diesjährigen Adressaten Andreas Keller findet die Würdigung ihre Fortschreibung, denn der Musikwissenschaftler und langjährige Intendant der Internationalen Bachakademie Stuttgart hat das Engagement des Architekten Roland Ostertag (1931-2018) für die 2006 eröffnete Gedenkstätte „Zeichen der Erinnerung“ am Nordbahnhof unterstützt und 2017 den Vorsitz des gleichnamigen Vereins von Ostertag übernommen. Gedacht wird dort der mehr als 2500 Juden aus Württemberg und Hohenzollern und der 250 Sinti und Roma, die von hier aus in den Tod deportiert wurden. Keller, 1944 in Stuttgart als Sohn einer Pianistin und eines Organisten, Bachforschers und späteren Rektors der Musikhochschule Stuttgart geboren und auf vielen Ebenen ehrenamtlich aktiv, hält die Erinnerung mit Gedenkveranstaltungen wach. 2019 gründete er den „Förderverein Brenzkirche Stuttgart“, um ein „schweres Unrecht aus der NS-Zeit wiedergutzumachen“. Die Nazis hatten die Kirche im Bauhausstil nach vorherrschendem Geschmack verschandelt. Bis 2027 soll sie ihre Renaissance erleben, zu den Gesamtkosten von acht Millionen Euro will Keller, seit 2004 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt, mit einer Fundraising-Kampagne eine Million beisteuern.

Eberhard Zacher steht für Kontinuität

Das Stichwort Kontinuität gilt auch für Eberhard Zacher, den zweiten Empfänger der Otto-Hirsch-Auszeichnung. Denn er setzt in Buttenhausen auf der Alb die Arbeit von Walter Ott fort, der nach einem Zufallsfund jüdischer Akten die jüdische Vergangenheit der Gemeinde freigelegt und den Friedhof, Grabstein für Grabstein, renoviert hatte. Dafür war ihm 1997 die Otto-Hirsch-Medaille verliehen worden. Vor etwa 50 Jahren unternahm Eberhard Zacher, Geschichtslehrer an einer Realschule, mit seiner Schulklasse eine Exkursion nach Buttenhausen auf den Spuren jüdischen Lebens. „Im Ort wollte kaum jemand über die jüdische Geschichte sprechen“, erinnerte er sich im Gespräch mit der Zeitung „Jüdische Allgemeine“. Umso glücklicher war wohl das Zusammentreffen mit Ott: „Gemeinsam knüpften sie ein Netz der Erinnerung, zu dem auch der Kontakt zu den Nachfahren der Buttenhauser Juden gehört“, heißt es in dem Buch „Jüdisches Leben in Württemberg gestern und heute“.

Zur Konzeption des Jüdischen Museums beigetragen

Heute kämen Besucher aus aller Welt, um etwas über ihre Ahnen zu erfahren. Als Kind in Worms habe er, nichts von dessen Bedeutung ahnend, auf dem jüdischen Friedhof gespielt, erzählt Zacher (85). Erst das Studium der Geschichte in Tübingen bei Professor Hans Rothfels habe ihn aufgeklärt. Zum 2013 eröffneten Jüdischen Museum von Buttenhausen hat er Wesentliches zur Konzeption wie auch zur wissenschaftlichen Begleitung beigetragen. Auch Zacher wurde, wie schon Ott, 2023 mit dem Bundesverdienstkreuz dekoriert.

Die Verleihung der Otto-Hirsch-Auszeichnungen findet am 8. Juli, 18 Uhr, im Großen Sitzungssaal des Stuttgarter Rathauses statt.