Die Klimakrise nimmt schon jetzt dramatische Ausmaße an. Forscher warnen davor, dass selbstverstärkende Prozesse wie bei einem Dominoeffekt ausgelöst werden könnten. Für den südamerikanischen Amazonas könnte es vielleicht schon zu spät sein.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Der Amazonas-Regenwald ist der größte seiner Art. Er ist als grüne Lunge der Erde für den Klimaschutz von zentraler Bedeutung. Unter dem ultrarechten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro hatte die Vernichtung dieses unschätzbaren Naturjuwels jedoch dramatisch zugenommen.

 

Die Folgen des Klimawandels treffen das ohnehin gestresste Biotop mit voller Wucht. Normalerweise kann der tropische Regenwald ausbleibende Niederschläge und Dürren relativ gut kompensieren. Doch es gibt in einigen Regionen des Amazonas Probleme, die sehr beunruhigend sind.

Soja-Anbau: Um Getreide für Tierfutter anzubauen, werden die Regenwälder im Amazonas abgeholzt. Foto: Marcelo Sayao/EFE/dpa

Der Regenwald im Amazonasgebiet zeigt eine Tendenz zu langsamerer Erholung nach einer Dürre. Analysierte Daten wiesen regional auf eine kritische Verlangsamung hin, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS).

Vernichtung der Waldfläche nimmt zu statt ab

Bei der kritischen Verlangsamung handelt es sich demnach um ein Phänomen, bei dem Natur-Systeme eine verlangsamte Erholung von kleinen Störungen zeigen, wenn sie sich einem Kipppunkt nähern.

Unter Kipppunkten versteht man in der Klimaforschung, wenn durch kleine Veränderungen ein Domino-Effekt ausgelöst wird, dessen Folgen unter Umständen nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Das Konzept der Kipppunkte und damit verbundene Unsicherheiten werden unter Wissenschaftlern weltweit intensiv und zum Teil konträr diskutiert. Im Amazonasgebiet droht der Regenwald dann unaufhaltsam zu Savanne zu werden, wie Wissenschaftler befürchten.

Abholzung: Ein Holzfäller fällt mit einer Kettensäge im Regenwald des Amazonas bei der brasilianischen Stadt Manaus einen Baum. Foto: dpa/Werner Rudhart
Raubbau: Holzstämme werden in Porto Velho in einem Sägewerk gestapelt, das von kürzlich verkohlten und abgeholzten Feldern umgeben ist. Foto: AP/Andre Penner/dpa
Goldsuche: Ein Hubschrauber der brasilianischen Umweltbehörde überfliegt ein illegales Bergbaulager während einer Operation zur Eindämmung des illegalen Bergbaus im Gebiet der Yanomami-Indianer im brasilianischen Bundesstaat Roraima. Foto: AP/Edmar Barros/dpa

„In den letzten 20 Jahren kam es im Amazonasgebiet zu drei Jahrhundert-Dürren. Ud es wird vorhergesagt, dass diese Extremereignisse aufgrund des Klimawandels häufiger und intensiver werden“, heißt es in der Studie.

Trend zu langsamerer Erholung

Das Team um Johanna Van Passel von der Katholischen Universität Löwen (Belgien) hatte Satellitenaufnahmen aus den Jahren 2001 bis 2019 sowie Daten aus einem Vegetationsindex kombiniert.

Für den Index wird der Umstand ausgenutzt, dass Pflanzen, die Fotosynthese betreiben, im nahen Infrarotbereich das Sonnenlicht sehr stark reflektieren. Auf diese Weise kann die Fotosynthese-Aktivität – und damit die Produktivität – von Pflanzen gemessen werden.

Grüne Lunge des Planeten: Wie lange wird sie noch intakt sein? Und ab wann ist sie irreversibel erkrankt? Foto: dpa/Jens Büttner
Bodenverseuchung: Die Carajas-Mine, eine der größten Eisenerzminen der Welt, in Parauapebas im Bundesstaat Pará in den Carajás-Bergen im Amazonas-Regenwald im Norden von Brasilien. Foto: XinHua/Wang Tiancong/dpa

Der Auswertung zufolge hat die Intensität einer Dürre einen größeren Effekt als die Dauer oder die Häufigkeit. Der Trend zu langsamerer Erholung zeigte sich bei etwa 37 Prozent der untersuchten Fläche, im Süden und im Südosten besonders gravierend.

Die Menge der Niederschläge schwankt dort im Jahresverlauf deutlich stärker als im zentralen Amazonasgebiet. Die Waldregionen müssen also ohnehin mit gelegentlicher Trockenheit zurechtkommen. „Da sie bereits an ihren physiologischen Grenzen arbeiten, sind sie möglicherweise anfälliger für Veränderungen als in den westlichen Regionen des Beckens“, schreiben die Forscher.

Jahrhundert-Dürre trocknet Amazonasgebiet aus

Dürre sorgt auf zweierlei Wegen für das Absterben von Pflanzen: Beim sogenannten Hydraulikausfall kommt es in Wasser leitenden Gefäßen infolge des Wassermangels zu Verengungen und Verstopfungen. Zudem schließen Pflanzen bei Trockenheit ihre Spaltöffnungen, damit weniger Wasser verdunstet.

Dürre: Boote stehen nebeneinander in einem schmalen Flussbett außerhalb der Gemeinde Parintins in Brasilien. Die Dürre bereitet den Flussbewohnern Schwierigkeiten beim Fischen, aber auch beim Verkehr. Dörfer sind in der Region über die Flüsse vernetzt. Foto: dpa/Aguilar Abecassis
Feuer: Bäume und Sträucher stehen in einem Feld im Amazonas-Regenwald in Flammen. Foto: AP/Andre Penner/dpa

Dadurch kann weniger Kohlendioxid aus der Umgebungsluft in die Pflanze gelangen, die das Gas für die Fotosynthese benötigt. Sie verbraucht dann mehr Energie als sie erzeugt und stirbt allmählich ab. Der Hydraulikausfall ist den Forschern zufolge besonders bei intensiven Dürren bedeutsam, der CO2-Mangel eher bei lang andauernden Dürren.

Natürlicher Lebensrhythmus gerät aus dem Takt

Der größte Regenwald der Erde hat globale Bedeutung: Er beherbergt eine einzigartige Artenvielfalt, beeinflusst die Niederschläge in ganz Südamerika und sein Schwinden setzt Treibhausgase frei, die zur Erderwärmung beitragen.

Lange zog der Amazonaswald Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Doch für die Zeit von 2010 bis 2018 wurde bereits gezeigt, dass er mehr freisetzte als er aufnahm. Gründe seien die Waldvernichtung und die stärker ausgeprägte Trockenzeit, hatte ein Team des brasilianischen Nationalen Instituts für Weltraumforschung (INPE) berichtet.