Paul Lechler aus Stuttgart Ohne ihn würde es weder Elring-Klinger noch das Tropeninstitut geben

Paul Lechler: Auf ihn geht das Unternehmen Elring-Klinger zurück, in einer Stiftung lebt seine christlich-soziale Wertvorstellung weiter. Foto: Imago/Arnulf Hettrich, cf/Archiv

Der Autozulieferer Elring-Klinger hat sich zum Weltunternehmen entwickelt. Die Basis dafür legte Paul Lechler, der aber vor allem Wohltäter war – und Initiator des Hymnus-Knabenchors.

Automobilwirtschaft/Maschinenbau: Peter Stolterfoht (sto)

Um Paul Lechler auf die Spur zu kommen, fängt man wahrscheinlich am besten mit der Bibel an – und zwar mit dem Evangelium nach Matthäus, in dem es heißt: „Habt aber acht, dass ihr eure Gerechtigkeit nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden (...). Auf dass dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.“ In der schwäbischen Übersetzung heißt das: tu’ Gutes, aber schwätz net groß drüber. Nach diesem Grundsatz lebte Lechler und schuf gleichzeitig auch noch die Basis für den Autogroßzulieferer Elring-Klinger.

 

Paul Lechler ist Schwabe und als solcher tief verwurzelt im evangelischen Glauben. Reichtum gilt dort dann gottgefällig, wenn auch die Bedürftigen davon in hohem Maße profitieren. Zeitlebens spendet Lächler beträchtliche Summen von seinem Gewinn für karitative Zwecke. Dazu ist er ein Sozialreformer. Und trotzdem steht Paul Lechler bis heute im Schatten von Robert Bosch, der nicht nur als Inbegriff des fairen Unternehmers gilt, sondern auch als erster Verfechter einer sozialen Marktwirtschaft. Paul Lechler, der Mann mit dem vielleicht noch exakteren Wertekompass wird dabei oft vergessen.

Ein Konto im Geist des biblischen Zehnten

Paul Lechler kommt 1849 in Böblingen zur Welt und damit zwölf Jahre vor Robert Bosch. Er ist 22, als er in das Unternehmen seines Vaters einsteigt, der Lacke und Schmieröl herstellt. Das Unternehmen in Stuttgarter-Feuerbach wird dank des unternehmerischen Gespür des Sohnes immer erfolgreicher. Dieser kann seinen Vater im Jahr 1875 überreden, künftig zehn Prozent des Gewinns „zugunsten der Armen und Bedürftigen zu verwenden“, wie es in der Vereinbarung zwischen Christian und Paul Lechler heißt. Es wird ein Wohltätigkeitskonto im Geist des biblischen Zehnten angelegt. Paul Lechler hält daran ein Leben lang fest – als Ausdruck seiner christlich-sozialen Überzeugung.

1875 ist auch das Jahr der Heirat von Paul Lechler und seiner Frau Maria Hartenstein, die zusammen sechs Kinder bekommen werden. 1878 verkauft Paul Lechler die Lackfirma, nachdem sein Vater gestorben war, um sich ganz in den Dienst der Armenfürsorge zu stellen. Um für weiteres Geld zu sorgen, gründet er aber schon ein Jahr später in Stuttgart ein Handelsunternehmen für Dichtungen.

Die Tübinger Tropenklinik und das angeschlossene Krankenhaus sind nach Paul Lechler benannt. Foto: imago/Eibner

Daraus gehen später die Lechler GmbH und die Elring-Klinger AG hervor – wobei dieser Firmenname mit dem Einstieg eines Wieners Konstruktionsbüros in Verbindung steht. Die Firma Lechler, mit Sitz in Metzingen, beschäftigt als Spezialist für Düsentechnologie aktuell 750 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an 14 Standorten weltweit. Etwa 10 000 Beschäftigte hat aktuell der von Dettingen/Erms aus gesteuerte Autozulieferer Elring-Klinger, der neben Dichtungen für Verbrennermotoren auch Komponenten und Systeme für die Elektromobilität und Brennstoffzellentechnologie herstellt.

Auch der Stuttgarter Hymnus-Knabenchor geht auf Paul Lechler zurück. Foto: cf/Archiv

Nachdem er die Weichen in Richtung geschäftlicher Erfolge gestellt hat, widmet sich Paul Lechler wieder verstärkt der Sozialarbeit und gründet 1882 zunächst den Verein „Hilfe in außerordentlichen Notstandsfällen auf dem Lande“, um die dort herrschende Armut zu lindern und der bis heute als Stuttgarter „Nothilfeverein“ fortbesteht. Auch der ebenfalls 1882 entstandene Hymnus-Knabenchor geht auf die Initiative Lechlers zurück. Das gilt auch für die erste private und kostenlose Arbeitsvermittlung Stuttgarts. Außerdem setzte er sich in seiner Heimatstadt für den sozialen Wohnungsbau ein.

1898 kommt Paul Lechler in Kontakt mit der Basler Mission, die Ärzte in die medizinisch unterversorgte damalige britische Kronkolonie nach Indien entsendet. Der Unternehmer und Wohltäter reagiert auf seine Art. Er gründet einen Verein zur Ausbildung von Missionsärzten, der später in das Deutsche Institut für ärztliche Mission (DIFÄM) in Tübingen übergeht. Dort stellte Paul Lechler auch Grundstücke zur Verfügung, auf denen 1916 das Tropengenesungsheim entsteht. Heute ist in Tübingen das neben Hamburg führende deutsche Institut für Tropenmedizin beheimatet.

Das soziale Engagement dieser außergewöhnlichen Stuttgarter Persönlichkeit wird weitergeführt durch die Paul-Lechler-Stiftung. Dafür wirkt aktuell auch der Urenkel Volker Lechler als Vorsitzender des Stiftungsrats. Im Büro im Stuttgarter Bohnenviertel werden die Entscheidungen getroffen, welche Projekte gefördert werden sollen. Wie zum Beispiel der 2014 fertiggestellte Neubau des Hospitalhofes, das Zentrum der Evangelischen Kirche in Stuttgart.

Paul Lechler war bis zu seinem Tod 1925 Gemeindemitglied der Hospitalkirche. Seinem Leben hatte er das Motto gegeben: „Unser Christentum darf nicht nur Weltanschauung sein, sondern muss sich durch die Tat bewähren.“

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