Petition fordert mehr Gedenken Als im Kreis Böblingen Frauen brannten
Im 16. und 17. Jahrhundert loderten auch im Kreis Böblingen die Scheiterhaufen. Zahlreiche Frauen fielen dem Hexenwahn zum Opfer. Eine Böblingerin fordert mehr Gedenken.
Im 16. und 17. Jahrhundert loderten auch im Kreis Böblingen die Scheiterhaufen. Zahlreiche Frauen fielen dem Hexenwahn zum Opfer. Eine Böblingerin fordert mehr Gedenken.
Ein verregneter Sommer, eine schlechte Ernte, eine schwere Krankheit: Unglücksfälle, für die früher Schuldige gesucht – und in vermeintlichen Hexen gefunden wurden. Vor allem Frauen fielen in der Frühen Neuzeit solchen Verdächtigungen zum Opfer. Sie wurden der Hexerei angeklagt, schrecklicher Folter unterzogen und hingerichtet – auch im heutigen Kreis Böblingen.
Tanja Norman lassen diese Schicksale nicht los. Sie hat auf der Plattform Change.org eine Petition gestartet, in der sie fordert, Denkmäler für die Opfer der Hexenverfolgung im Kreis Böblingen zu errichten – über den bestehenden Hexenpfad in Sindelfingen und die Denkmäler für Katharina Kepler in Leonberg hinaus.
Sie will den Blick nicht nur auf die Ereignisse in der Vergangenheit lenken, sondern auch auf die Gegenwart. So werden laut dem katholischen Hilfswerk Missio Aachen noch heute in 46 Ländern, vor allem im globalen Süden, Frauen wegen vermeintlicher Hexerei verfolgt. Die geforderten Denkmäler im Kreis Böblingen könnten laut Norman ein „starkes Zeichen gegen aktuelles Unrecht“ und eine Mahnung in der Region sein, dass sich so etwas „nie mehr wiederholt“.
Im heutigen Kreis Böblingen erreichte der Hexenwahn Anfang des 17. Jahrhunderts einen Höhepunkt. Allein in Sindelfingen wurden zwischen 1615 und 1616 zwölf Frauen hingerichtet. Dort führte ein Vogt die Amtsgeschäfte, der sich als besonders fanatischer Hexenjäger hervortat: Wendel von Maur, erklärt Horst Zecha, Leiter des Stadtarchivs Sindelfingen. Für dessen Amtszeit habe die Stadt die Gerichtsprotokolle im Original im Archiv, sagt Zecha. „Wir können sehr genau nachvollziehen, wie die Prozesse abgelaufen sind.“
Grundsätzlich war eine Anklage laut Zecha nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Es gab immer wieder Fälle, in den Frauen freigesprochen wurden. Der in der Region wohl bekannteste: Der Freispruch von Katharina Kepler, Mutter des Astronomen Johannes Kepler. Sie wurde 1615 wegen Hexerei angeklagt und nach Prozessen in Leonberg und Gültlingen dank der Verteidigungsstrategie ihres Sohnes freigesprochen.
Solche Fälle sollen aber nicht davon ablenken, dass auf eine Anklage nur allzu oft der Tod folgte. Es traf meist Außenseiterinnen, alte und alleinstehende Frauen, Frauen, die einen schlechten Ruf in der Stadtgesellschaft hatten. In Sindelfingen etwa die Witwe Barbara Breuninger, die mit über 80 Jahren hingerichtet wurde oder Agatha Eberwein, ebenfalls alt und verarmt, die angeblich ein Kind mit einem Schadenszauber belegt hatte.
Nicht nur in Sindelfingen fanden Hexenprozesse statt, sondern auch in Böblingen, Leonberg, Herrenberg und Weil der Stadt. Im Vergleich zu Sindelfingen ist allerdings beispielsweise in Böblingen die Quellenlage schlechter. Dort wurden die Gerichtsprotokolle beim Bombenangriff 1943 zerstört. Als Anhaltspunkt dienen stattdessen die Aufzeichnungen des Pfarrers Georg Reipchius (1529-1598), auf die der ehemalige Böblinger Stadtarchivar Christoph Florian verweist. Aus ihnen geht etwa hervor, dass in Böblingen 1563 zwei Frauen aus Schönaich, Mutter und Tochter, als Hexen verbrannt und mindestens ein Mann der Zauberei bezichtigt und hingerichtet wurde.
Für das damalige Amt Herrenberg sind laut Stadtarchivarin Stefanie Albus-Kötz Fälle von insgesamt 16 Frauen belegt, die in der Stadt selbst und den umliegenden Dörfern zwischen 1591 und 1704 der Hexerei beschuldigt wurden. Vier von ihnen wurden demnach zum Tode verurteilt.
Wie könnte man diesen Opfern, über das hinaus, was bereits gemacht wird, angemessen gedenken? Eine Frage, auf die es wohl keine einfache Antwort gibt. Stadtarchivar Zecha betont die Komplexität des Themas und die Wichtigkeit, es in den historischen Kontext zu setzen. Für Sindelfingen beispielsweise sieht er die Hexenverfolgung inzwischen gut und umfassend aufbereitet. Auf dem Hexenpfad werden nun – neben Infos zu den Prozessen – die Namen aller bekannten Opfer genannt. Andere Namen hingegen sind noch in den Archiven verborgen.