Ein Podiumsgespräch zum Bildungspaket bringt die Nöte dieser Schulart ans Licht. Die Gemeinschaftssschulen sehen das mit Sorge. Und die Beteiligten sind sich einig: eine spezifische Ausbildung für Lehrer wäre sehr sinnvoll.

Die kommende Bildungsreform sieht nicht nur eine Rückkehr zu G9 vor, sondern krempelt auch alle anderen Schularten um. Insbesondere die Gemeinschaftsschulen blicken auf das Bildungspaket der Landesregierung mit Sorge. Bei einem Podiumsgespräch in der Schickhardt-Gemeinschaftsschule in Stuttgart wird nun erneut deutlich: Was diese Schulart eigentlich braucht, hat die geplante Strukturreform nicht auf der Agenda.

 

Die Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) machte kürzlich in der Heusteighalle keinen Hehl daraus, warum sie Kulturministerin Theresa Schopper (ebenfalls Grüne) zum Gespräch in die Schickhardt-Gemeinschaftsschule nach Stuttgart-Süd eingeladen hat: Die Schule mit einer Hauptstelle in der Schickhardtstraße und einer Außenstelle in der Heusteigstraße, wo auch das Podiumsgespräch stattfindet, zeigt, was Gemeinschaftsschulen leisten können, wenn man sie lässt und vieles richtig läuft.

Muhterem Aras ist ein Fan dieser Schulart

Die Schickhardtschule ist nicht nur die einzige Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg mit einem bilingualen Profil, sondern auch die einzige in Stuttgart mit einer gymnasialen Oberstufe. Rund 60 Schüler machen dort derzeit ihr Abitur. Kaum einer des letzten Abiturjahrgangs, so betont Aras, hatte ursprünglich eine Gymnasialempfehlung. Rund 70 Prozent der etwa 900 Schüler an der Schickhardt-Gemeinschaftsschule haben einen Migrationshintergrund. Aras, so viel wird schnell klar, ist ein Fan dieser Schulart für Bildungsaufsteiger.

Erfolgreich, sagt die Schulleiterin Sandra Vöhringer, sind Gemeinschaftsschulen aber vor allem dann, wenn die Durchmischung stimmt, also wenn schwächere mit stärkeren Schülern gemeinsam unterrichtet werden. Ihre Sorge: Mit der Wiederkehr von G9 werden noch mehr Kinder in die Gymnasien drängen. „Sie nehmen uns die Kinder weg, die wir brauchen“, sagt Vöhringer.

Coachingstunden werden an den Gemeinschaftsschulen ausgebaut

Was das sogenannte Bildungspaket den Gemeinschaftsschulen Neues bringt, hat Kultusministerin Theresa Schopper an diesem Abend vergleichsweise schnell beschrieben. Denn anders als im gymnasialen Bereich ist es nicht allzu viel: Zum einen sollen die sogenannten Coachingstunden ausgebaut werden, bei denen Lehrer auf die individuelle Lernentwicklung von Schülern eingehen können. Zum anderen können Gemeinschaftsschulen künftig Verbund-Oberstufen mit beruflichen oder allgemeinbildenden Gymnasien oder Gemeinschaftsschul-Oberstufen bilden, „um die Attraktivität an dieser Stelle zu gewährleisten“, sagte Schopper.

Fragt man in den Gemeinschaftsschulen nach, drückt der Schuh freilich woanders: So betont die Lehrerin Annegret Hertweck, dass die Lernbegleiter an den Gemeinschaftsschulen vor allem eines brauchen: mehr Zeit für den einzelnen Schüler. „Wir unterrichten auf drei Niveaus, korrigieren auf drei Niveaus, wir melden nicht mit Noten, sondern Berichten zurück“, sagt Hertweck. Zudem komme die Pflicht zur Differenzierung zwischen Förderniveaus und Sprachniveaus.

Die Ausbildung halten viele für „nicht optimal“

Aras hatte im Vorfeld der Podiumsdiskussion weitere Gemeinschaftsschullehrer befragen lassen, deren Statements in der Heusteighalle per Video eingespielt wurden: Darin kommt unter anderem zum Ausdruck, dass auch die bisherige Ausbildung für Gemeinschaftsschullehrer nicht optimal ist. So erklärt eine Lehrerin, dass „eine gemeinschaftsschulspezifische Ausbildung es sehr erleichtern würde, mit dieser völlig anderen Schulart zurechtzukommen“. Schulleiterin Vöhringer unterstützt die Forderung und unterstreicht, dass hier dringend etwas geändert werden müsse.

Zuletzt erinnerte Bruno Kreuzhage mit Blick auf die Debatten über das neunjährige Gymnasium daran, dass ganz grundsätzlich nicht jeder Abitur machen müsse: „Wir können nicht alle Dichter und Denker sein, wir brauchen auch Elektriker“, sagte der Schüler der Kursstufe 2.