Der Teppich ist blau statt rot und wird von einer Schneekanone weiß berieselt. Die Bühne gefriert, Kostüme funkeln: Am Ende siegt die Liebe über die Kälte der Angst. Bei Disneys „Eiskönigin“ werden Erwachsene zu Kindern. Der Jubel bei der Premiere ist bombastisch.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Ist der Klimawandel nun auch im Musical angekommen? Am Wochenende herrschten in Stuttgart noch frühlingshafte Temperaturen, völlig untypisch für den November. Nun aber vereist ein sich rasant ausbreitender Winter die Bühne des Apollo-Theaters, die bei Disneys „Eiskönigin“ mit spektakulären Kulissen alle in Atem hält. Erst erwachen am Hofe opulente Kostüme aus dem 19. Jahrhundert zum Leben – dann langt Elsa, die nach dem Tod ihrer Eltern auf den Thron folgt, beim Zaubern unfreiwillig daneben. Sie hat magische Kräfte, die sie aber nicht kontrollieren kann. Die Folge ist, dass alles erfriert. Im Königreich Arendelle erstarren der Spaß und die Lebensfreude im Frost der Angst.

 

Olaf will kuscheln

Jedes Kind kennt ihre Geschichte: In Millionen von Kinderzimmern sind die ungleichen Schwestern Elsa und Anna präsent auf Bettdecken, auf Shirts, Tassen und Spielzeugen. Außerdem ist Olaf, der putzige Schneemann, ein Star der Show. Er liebt „Umarmungen“. Kuscheln kann helfen, wenn die Lebensenergie einfriert. Blau steht für Eis. Der sonst rote Premierenteppich ist am Dienstagabend dunkelblau. Die Stage Entertainment hat sich darüber hinaus einen Gag ausgedacht: Eine echte Schneekanone verteilt Kunstschnee – aus Schaum. Neben dem oscarprämierten „Let it go“ könnte man also noch einen berühmten Song anstimmen: „Leise rieselt der Schnee“.

Für Wommy ist die Show „Disney at his best“

Unter den 1800 Gästen im voll besetzten „Eispalast“, in den sich das Apollo-Theater womöglich auf Jahre verwandelt: Frl. Wommy Wonder. Stuttgarts führende Travestie-Lady trägt Türkis mit Strass und vernähten Schneeflocken. In 30 Jahren hat sie nur zwei Musicals auf den Fildern nicht gesehen. Auf die „Eiskönigin“ freut sie sich ganz besonders – vor allem auf die „geilsten Kostümwechsel in der Geschichte des Entertainments“.

Sängerin Jenny Marsala mit ihrem Freund, dem Musiker Ben Jud. /A.ENGELHARD

Wommy hat die Disney-Show mit Elsa und Anna schon in New York und in Hamburg gesehen. „Die ,Eiskönigin’ ist eine wunderbare Symbiose aus Märchen, Kostümen, Effekten und Tricktechnik“, jubelt sie, „die perfekte Mischung aus Lachen und Staunen, dazu noch mit grandioser Musik.“ Dies sei „Disney at his best“. Die Kunstfigur, hinter der Michael Panzer steckt, sagt außerdem: „Wie ich die Stage kenne, erhält Stuttgart eine Inszenierung de luxe.“ So kommt es dann auch!

In Deutschland war in Sachen „Frozen“ wie so oft erst einmal Hamburg dran. Stuttgart musste drei Jahre lang warten. Das Warten lohnt sich, meint Wommy, weil die Show immer weiter verbessert werde. Stage-Chefin Uschi Neuss – sie trägt einen blauen Anzug – sagt nach dem donnernden Schlussapplaus backstage, die Inszenierung von Möhringen sei tatsächlich besser als in Hamburg.

Was nach „Tarzan“ nach Stuttgart kommt? Streng geheim!

Die „Eiskönigin“ feierte 2017 Welturaufführung in Denver, blieb von 2018 bis 2020 nur zwei Jahre am Broadway, während sie es in Deutschland nach Corona, also in Hamburg, von 2021 bis 2024 auf drei erfolgreiche Jahre brachte. Was nach „Tarzan“ im Herbst 2025 ins Palladium-Theater auf die Filder kommt, verrät Uschi Neuss nicht. Doch wenig Hoffnung macht sie, dass es eine echte Deutschland-Premiere werden wird.

Dies enttäuscht Fans bei der After-Show-Party im Foyer. „Wenn man es richtig aufzieht, würde eine Premiere auch in Stuttgart funktionieren“, ist sich Model und Moderator Mustafa Göktas sicher. Die Musicalbegeisterung sei in Stuttgart so groß, meint ein anderer Gast, da müsse man das Publikum mit einer echten Premiere belohnen. „Es geht nicht, dass das Musicalunternehmen mit Sitz in Hamburg immer nur Hamburg bevorzugt“, sagt er, „und uns immer nur stiefmütterlich behandelt.“

Der Vorverkauf läuft „sensationell“

Für Stuttgart läuft der Vorverkauf „sensationell“, jubelt Uschi Neuss. Wer Karten (zu Preisen zwischen 69,99 und 149,99 Euro unter der Woche, sowie zwischen 109,99 und 211,99 Euro samstags) in diesem Jahr noch bekommen wolle, müsse sich ranhalten. Vor allem regionale Promis dominieren am Dienstagabend den blauen Teppich. Die bundesweite Beteiligung ist eher gering – die eigentliche Deutschland- Premiere war ja auch schon vor drei Jahren.

Immerhin laufen Olaf der Flipper („mein Unterschied zu Olaf vom Musical ist, dass ich nach dem Winter nicht schmelze“), der Stuttgarter Neu-Tarzan Alexander Klaws, OB Frank Nopper, DJ Robin, DJ Le Shuuk, die Schauspielerin Valentina Pahde sowie die Musikerinnen Lou Hoffner und Jenny Marsala über den blauen Teppich. Außerdem gesehen: Richy Müller vom „Tatort“, Astrid Fünderich von der „Soko“, der Schönheitschirurg Christian Fitz, Musicalstar Aisata Blackman, Veranstalter Christian Doll, Volksfestwirtin Sonja Merz, DJane Alegra Cole, die Modelschwestern Karlin und Caviar Obiango, die Schauspielerin Monika Hirschle, Jennifer Saro, die „Bachelorette“ von 2023. Etliche Gäste haben sich als Königin kostümiert oder einen Plüsch-Olaf mitgebracht .

„Manche Menschen sind es wert, dass man für sie schmilzt“

Die Stuttgarterin Jenny Marsala, die mittlerweile in Berlin lebt, kommt gerade mit ihrem Lebenspartner Ben Jud, ebenfalls ein Musiker, aus Los Angeles, wo sie ihren neuen Song „Weil du gut bist“ aufgenommen hat.

Lou Hoffner, die 2003 Deutschland beim Eurovision Song Contest in Riga vertrat, sagt, sie könne Olafs Spruch voll unterschreiben, der lautet: „Manche Menschen sind es wert, dass man für sie schmilzt.“ In ihrem nun 61-jährigen Leben habe sie „unglaublich viel Liebe“ erfahren dürfen. Damit könne man auch große Hürden nehmen. Wie in der Geschichte der Eiskönigin seien für sie „Mut, Mitgefühl und Liebe“ die Zauberworte des Lebens, lässt die Sängerin wissen. Die Liebe scheint manchmal mit Kitsch verwandt zu sein – ist aber gut so, bei allem, was sie damit bewirken kann. Der Jubel im Apollo-Theater ist jedenfalls riesengroß. Standing Ovation gibt es für eine Premiere, die 150-prozentig überzeugt.

Elsa und Anna – Stuttgart hat gleich zwei neue Musicalköniginnen

Lou Hoffner belegte vor 21 Jahren beim ESC den elften Platz. Ann-Sophie, die bei der Stuttgarter „Eiskönigin“ die Hauptrolle der Elsa spielt, musste sich 2015 beim ESC in Wien mit dem letzten Platz begnügen. So gut spielt sie nun die Thronfolgerin, dass diese Schmach von Wien endgültig Vergangenheit ist. Als Anna begeistert Abla Alaoui, die schon in Hamburg die Schwester von Elsa komödiantisch vortrefflich spielte. Der Riesenapplaus zeigt: Stuttgart hat gleich zwei neue Musicalköniginnen! Und einen Schneemann-King! Bei der After-Show-Party wollen alle die drei olaf-mäßig umarmen!