Vor dem Landgericht Stuttgart muss sich ein Mann aus Welzheim wegen rund 160 Fällen des sexuellen Missbrauchs verantworten. Der 60-Jährige ist zudem wegen Besitzes von kinderpornografischen Inhalten angeklagt.

Der Mann auf der Anklagebank des Stuttgarter Landgerichts macht mit seinen grauen Schläfen einen seriösen Eindruck. Doch es gibt offenbar noch eine andere Seite an ihm, wenn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zutreffen, die dem 60-Jährigen aus Welzheim schweren sexuellen Missbrauch an seiner Nichte in mehr als 160 Fällen vorwirft.

 

Laut Anklage bestand zwischen dem Onkel und seiner im Mai 2004 geborenen Nichte ein sehr enges Verhältnis. „Sie nannte ihn Opa und übernachtete mehrmals pro Woche in seiner Wohnung in Welzheim“, trug Staatsanwältin Ines Gospodaric vor. Zwischen 2011 und 2019 soll es dann regelmäßig zu sexuellen Übergriffen gekommen sein, ganz überwiegend, als die Nichte zwischen acht und 14 Jahren alt war.

„Opa-Enkelin-Liebe“ sei normal

Begonnen habe es im Mai 2012, als der Angeklagte die damals Achtjährige in seiner Computerecke auf den Schoß nahm, sie über den Po streichelte und ihr erklärte, dass „eine Opa-Enkelin-Liebe“ etwas ganz Normales sei. Er habe ihr damals auch einen erotischen Comicfilm am PC gezeigt. Kurz darauf, als seine Frau im Urlaub gewesen sei, hat der 60-Jährige laut Anklage das Mädchen zu sich ins Bett geholt und an sich den Handverkehr bis zum Samenerguss ausüben lassen, was diese angeekelt habe.

Noch vor ihrem zehnten Geburtstag im Jahr 2014 habe er dann im Urlaub in der Türkei seine Nichte zu sich in die Ferienwohnung geholt und sie mit seinem Finger penetriert. Als das Mädchen zehn Jahre alt war, sei er erstmals mit seinem Penis in sie eingedrungen und ihr dafür im Gegenzug ein Smartphone versprochen. Zwischen Mai 2015 und Mai 2018 kam es laut Anklage mindestens einmal pro Woche zu Anal- und Vaginalverkehr mit dem Mädchen gegen dessen Willen – in der Wohnung des Angeklagten oder in der Ferienunterkunft in der Türkei. Auch zu Zungenküssen soll es gekommen sein.

„Der Angeklagte erklärte dem Mädchen, es werde die Familie zerstören, wenn sie jemand anderem davon erzähle“, sagte die Staatsanwältin. Sie habe es daher für sich behalten – auch, weil sie ein enges Verhältnis zur Frau des Angeklagten hatte. Die Folgen für das Mädchen seien gravierend gewesen: Sie habe Schmerzen im Unterleib gehabt, vor allem auf der Toilette. Ebenso habe sie unter Schlafproblemen gelitten und Probleme, Vertrauen zu Männern zu fassen. Von den Nadelstichen an den Unterarmen habe sie noch Wunden, sie habe oft an Suizid gedacht und einmal einen solchen auch versucht.

Polizei findet bei Durchsuchung kinderpornografische Bilder

Der 60-Jährige ist zudem wegen Besitzes von kinderpornografischen Inhalten angeklagt, da die Polizei bei einer Wohnungsdurchsuchung im Januar 2022 auf seinem PC rund 900 kinderpornografische Bilder fand, unter anderem auch von seiner Nichte.

Nach der Anklageverlesung wurde der Prozess unterbrochen und die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Zur Person und zur Sache wollte sich der Angeklagte am ersten Verhandlungstag nicht äußern. Hinter verschlossenen Türen wollten sich Richter, Staatsanwaltschaft und Verteidigung später zu Verständigungsgesprächen zusammensetzen. Ein mögliches Ergebnis soll am nächsten Verhandlungstag am 18. November bekannt gegeben werden.