Der Chef des Stuttgarter Paradise Clubs findet problemlos Investoren – aus der Mitte der Gesellschaft. Jürgen Rudloffs potentester Investor gab ihm über fünf Million Euro – und wurde eines besseren belehrt.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Als die Ermittler am 30. November 2014 zur Razzia in den Bordellen des Stuttgarter Rotlichtunternehmers Jürgen Rudloffs anrückten, brauchten sie fast 1000 Einsatzkräfte. So weit verzweigt waren die Geschäfte und Geschäftsbeziehungen des heute 64-Jährigen. Seit März muss er sich vor dem Landgericht Stuttgart nicht nur wegen Beihilfe zum Menschenhandel und zur Zuhälterei, sondern auch wegen Betrugs verantworten.

 

An vier Standorten gleichzeitig, im österreichischen Graz, Frankfurt/Main, Saarbrücken und im Paradise in Leinfelden-Echterdingen, ruhten an diesem ersten Adventssonntag die Geschäfte für ein paar Stunden. Für deren reibungsloses Funktionieren hatte der in Stuttgart bestens vernetzte Selfmademan Rudloff, so legt es der Prozess nahe, immer wieder neue Investoren gewinnen können. Zu seinem 60. Geburtstag 2013 etwa lud er zur Jagd und zum Netzwerken nach Kitzbühel. So berichtete es Gisbert Sattler, ehemaliges Vorstandsmitglied von Hofbräu. Die Brauerei hatte das Paradise fünf Jahre lang mit ihrem Bier beliefert.

Geldgeber aus der Mitte der Gesellschaft

Der Mammutprozess gegen Rudloff, seinen Geschäftsführer, seinen Marketingchef und einen Frankfurter Juristen beschäftigt sich in den nächsten Monaten mit dem Betrugsvorwurf. Seit Anfang der Woche verfolgt ein Gutachter für Wirtschaftsforensik die Verhandlung. Vor ihm breitet sich ein Panorama der Gesellschaft aus. In einer Art Schneeballprinzip soll Rudloff Geld für den geplanten Bau weiterer Betriebe akquiriert haben – unter dem Versprechen einer Verzinsung von durchschnittlich zehn Prozent. Von einer Schadenssumme von 3,1 Millionen geht die Anklage aus. Mit 500 000 Euro gehört neben anderen Willy Weber, der ehemalige Manager Michael Schumachers, zu den Geschädigten. Rudloff, so wird im Laufe der Vernehmungen deutlich, war ein begnadeter Menschenfischer. Seine Vertragspartner kommen mitten aus der Gesellschaft, sind ohne Berührungsängste – und vertrauen ihm nach ein paar Begegnungen Geld an.

In Frühjahr 2008, noch vor der Fertigstellung des Paradise in Leinfelden-Echterdingen tat Rudloff den wohl potentesten seiner Geldgeber auf. Der Vorsitzende Richter nennt den Stuttgarter Kaufmann „einen finanziellen Eckpfeiler“ des Geschäftskonstruktes. Am Ende hält dieser sogar 70 Prozent der Paradise-Anteile. Thomas Rendlen hat gerade sein Familienunternehmen „Gewürzmüller“ verkauft. Der heute 67-Jährige erinnert sich: „Ich musste mich darum kümmern, was ich mit dem Vermögen anfange.“

Fünf Millionen in einem Jahr

Ein Bekannter stellte den Kontakt zu Rudloff her. Die beiden freunden sich schnell an. Ihm, so berichtet Rendlen, sei gerade ein anderer Investor abgesprungen. Erst habe er nur eine Kleinigkeit anlegen wollen. Aber Rudloffs Beschreibungen seiner Geschäftsidee von einer transparenten und sauberen Prostitution überzeugen Rendlen offenbar, sehr sogar. „Ich dachte mir, das ist das älteste Gewerbe der Welt, da kann nichts passieren“, sagt der Mann. Ende 2008 addiert sich die Summe, die Rendlen ins Paradise“steckt, auf 3,4 Millionen Euro. In fünf Tranchen gezahlt, mal als Darlehen, mal als Beteiligung. In Frankfurt investiert er noch einmal knapp zwei Millionen Euro. Dass bei Rudloffs Geburtstag ein Vertreter der Hell’s Angels ein Ständchen spielt, lässt ihn nicht auf Distanz gehen. Herzlich begrüßt er Rudloff bei Prozessbeginn. Dunkles Jackett mit Einstecktuch – so sitzt er am Zeugentisch. Er muss in den Verträgen nachlesen, um die genaue Summe seines Investments korrekt nennen zu können.

Mit dem operativen Geschäft, das der Paradise-Betriebsgesellschaft obliegt, will er nichts zu tun haben. Immer wieder betont er, dass er Verträge mit der Paradise-Besitzgesellschaft geschlossen habe. Zudem macht er Rudloff zu seinem Treuhänder, um die Distanz zu wahren. Rendlen verfährt nach dem Prinzip: nichts hören, nichts sehen, nichts wissen. „Meine Familie war natürlich nicht glücklich, dass ich mich da betätigt habe.“ Rudloff tilgt seine Darlehen bei ihm zwar, aber Rendlen beschreibt einen Betrieb, für den er nie richtige Zahlen gesehen habe. Er gewährt Rudloff ein weiteres Darlehen.

Nach der Razzia, die Rudloff im Ausland erlebt, ist sein Geschäftspartner erst einmal abgetaucht. Die Männer treffen sich schließlich in Zürich. Am Tag nach der Razzia schickt Rudloff eine SMS: „Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen, und ich lasse mir mein Lebenswerk nicht zerstören.“ Rendlen hat seine Anteile inzwischen abgestoßen – ohne Verluste, aber auch ohne Gewinn. Die Käufer hat ihm Jürgen Rudloff besorgt.