Querschnittsgelähmter Eishockey-Profi aus Stuttgart Erstes Interview seit Prozessauftakt – Ziehen Sie die Klage durch, Mike Glemser?

Mike Glemser mit seiner Partnerin Lara Lindmayer Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Seit einem tragischen Unfall vor zwei Jahren sitzt Mike Glemser im Rollstuhl. Er verklagt seinen damaligen Gegenspieler auf Schadensersatz in Höhe von mindestens 650 000 Euro – und spricht nun erstmals über den Verhandlungsauftakt.

Die Fahrt nach Garmisch-Partenkirchen war mühsam, trotzdem brachte die Reise Mike Glemser nicht weiter. Der Gütetermin vor der dortigen Außenstelle des Arbeitsgerichts München war Ende Januar schon nach fünf Minuten wieder vorbei – es wird nun zu einem Kammertermin kommen. Was nichts daran ändert, dass der seit einem tragischen Unfall vor zwei Jahren vom Hals abwärts gelähmte frühere Eishockeyprofi, der seither im Rollstuhl sitzt, die Sache durchziehen will. Mike Glemser (27), der aus Stuttgart stammt und nun mit seiner Freundin Lara Lindmayer in Pforzheim lebt, verklagt seinen damaligen Gegenspieler Jan-Niklas Pietsch, von dem er in der Partie seiner Starbulls Rosenheim am 3. Februar 2023 beim SC Riessersee gefoult worden war, auf ein Schmerzensgeld von mindestens 650 000 Euro. Insgesamt beläuft sich der Streitwert der Klage auf 822 000 Euro. Gegenüber unserer Zeitung hat sich Mike Glemser nun erstmals seit dem Prozessauftakt in Garmisch-Partenkirchen geäußert.

 

Herr Glemser, wie haben Sie den Gütetermin in Garmisch-Partenkirchen erlebt ?

Es war zu erwarten, dass es dort zu keiner Einigung kommen wird. Unser eigentliches Ziel war, wie schon von meinem Anwalt während des Termins erwähnt, außergerichtlich mit der Haftpflichtversicherung von Jan-Niklas Pietsch zu verhandeln. Bis dahin gab es von der Haftpflichtversicherung aber kein Entgegenkommen, deshalb sind wir davon ausgegangen, dass es auch bei dem Gütetermin zu keiner Einigung kommt.

Warum haben Sie sich nach der Verhandlung nicht geäußert – und warum machen Sie es jetzt?

Wir wollten die gesamte Sache eigentlich nicht öffentlich austragen und auch über niemanden negativ sprechen, da wir von Anfang an Jan-Niklas Pietsch schützen wollten und nicht wollten, dass noch ein Leben zerstört wird. Allerdings wird von Beginn an von der gegnerischen Seite alles über die Presse ausgetragen, sodass es uns gegenüber vermehrt zu Hassnachrichten und Hasskommentaren kam. Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschlossen, nun doch etwas zu sagen – um einige Dinge klarzustellen und meine Intention mitzuteilen.

Der Anwalt von Jan-Niklas Pietsch hat nach dem Gütetermin erklärt, Ihre Darstellung, sein Mandant habe sich nie bei Ihnen gemeldet, sei „kategorisch falsch“. Was sagen Sie dazu?

Seit meinem Unfall sind schon zwei Jahre vergangen – und ich hatte seither keinen einzigen Kontakt mit Jan-Niklas Pietsch. Es gab lediglich eine Nachricht an meine Partnerin, die sich einen Monat nach dem Unfall bei ihm gemeldet hatte, da sie sich um ihn Sorgen gemacht hat. Zu diesem Zeitpunkt war aber noch kein Besuch bei mir oder ein Gespräch mit mir möglich, da ich weder sprechen noch selbstständig atmen konnte. Zum Glück habe ich, zumindest was die Beatmung und das Sprechen angeht, nach einiger Zeit Fortschritte gemacht, trotzdem wurde ich bis heute nie von ihm kontaktiert. Und vor Gericht ist er nun auch nicht erschienen.

Mike Glemser in der Reha-Klinik in Pforzheim Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Sie haben stets erklärt, Jan-Niklas Pietsch nicht persönlich schaden zu wollen. Nun sagte sein Anwalt, es gebe keine Versicherung, die für seinen Mandanten einspringen würde. Im Falle einer Verurteilung müsse dieser deshalb mit seinem privaten Vermögen haften. Ändert dies irgendetwas für Sie?

Mir war es immer wichtig, dass es für meinen damaligen Gegenspieler keine Nachteile oder persönliche Schädigungen gibt. Ich habe mich sogar erkundigt, ob sich für ihn eine Erhöhung der monatlichen Rate oder ähnliche Nachteile ergeben könnten. Dies hat meine Partnerin ihm schriftlich und telefonisch mitgeteilt, als sie ihn nach den Daten seiner Haftpflichtversicherung gefragt hat. Leider wollte er uns diese nicht aushändigen. Auch sein Anwalt hat uns bis zum Gütetermin trotz mehrmaligen Nachfragens keine Daten der Versicherung übermittelt. Üblicherweise haftet nach Personenschäden und daraus resultierenden Schadensersatzansprüchen die Haftpflichtversicherung, sei es die private Haftpflichtversicherung oder die Haftpflichtversicherung des Vereins. Aus juristischen Gründen kann die Versicherung allerdings nicht direkt verklagt werden, weshalb ich den Weg über die private Klage gehen muss.

Haben Sie von der Versicherung von Jan-Niklas Pietsch mittlerweile etwas gehört?

Tatsächlich wurde unserem Anwalt einige Tage nach dem Gütetermin, nachdem wir länger als eineinhalb Jahre vergeblich nachgefragt hatten, ein Schreiben der Haftpflichtversicherung ausgehändigt.

Was stand darin?

Nach Auffassung der Privathaftpflichtversicherung ist die Sporthaftpflichtversicherung des Vereins von Herrn Pietsch zuständig.

Dessen Anwalt erklärte in Garmisch-Partenkirchen, dass es Fouls wie das, das zu dem tragischen Unfall von Ihnen führte, in jedem Eishockeyspiel 70 bis 100 gebe – verbunden mit der Einschätzung, dass sein Mandat deshalb nicht verurteilt werden könne. Was sagen Sie zu dieser Argumentation?

Es ist Fakt, dass in keinem Eishockeyspiel 70 bis 100 Bandencheck-Fouls passieren. Sonst würde es allein deshalb in jeder Partie 70 bis 100 Zeitstrafen geben. Das habe ich in meiner gesamten Laufbahn nicht einmal erlebt. Deshalb stimmt die Aussage, dies passiere in jedem Spiel derart häufig, nicht.

Was ist dann richtig?

In meinem Fall handelte es sich nicht nur um einen Check, sondern um einen Bandencheck – mit Beinstellen und Check von hinten. Dies erkennt man allerdings erst, wenn man sich das Foul in Zeitlupe anschaut.

Werden Sie die Klage durchziehen, oder gibt es nach dem Gütetermin Überlegungen Ihrerseits, den Fall zu beenden?

Wenn ein vernünftiges Angebot der Gegenseite kommt, sind wir durchaus vergleichsbereit. Ansonsten sind wir gezwungen, die Klage durchzuziehen.

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