RAF-Podcast-Launch im White Noise Gudrun, DJ Gysi und kollektive Radikalisierung

Christian Müller, Lea Krug (StZ), Felix Frey (StZ) und Ida Liliom vom Citizen Kane Kollektiv. Foto: Katrin Maier-Sohn

Am Montag hat das Citizen Kane Kollektiv mit Redakteur:innen unserer Zeitung zum Release des neuen Podcasts „Gudrun Ensslin. Terror, Haft, Tod“ ins White Noise geladen. Viele junge Menschen kamen zum übervollen Event, um über Fragen von Radikalisierung und den Menschen Gudrun Ensslin zu sprechen.

Bänke und Stühle müssen nochmal nachgeholt werden, so viele Gäste sind am Montagabend in die Bar des White Noise gekommen, um beim Auftakt der neuen sechsteiligen Podcast-Reihe „Gudrun Ensslin. Terror, Haft, Tod“ dabei zu sein. Vor allem junge Menschen sind da, um sich mit dem Citizen Kane Kollektiv und den Podcast-Macher:innen der Stuttgarter Zeitung mit dem Menschen Gudrun Ensslin, Formen der Radikalisierung und der dunklen Geschichte des linksterroristischen Widerstands der 1970er Jahre um die Gruppierung der Roten Armee Fraktion (RAF) zu befassen. 

 

50. Jahrestag des RAF-Prozessauftaktes

Anlass ist der 50. Jahrestag des RAF-Prozessauftaktes am 21. Mai 1975 gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe in Stuttgart-Stammheim. „WTF happened to Gudrun?“ lautete es in der Vorankündigung des Citizen Kane Kollektivs. Wer war Gudrun Ensslin? Was hat sie in der RAF gemacht und – provokant – was hatte sie dabei an? Welche Rolle oblag ihr als Frau? War sie nur die Geliebte Andreas Baaders und ließ sich mitziehen, oder weshalb radikalisierte sich die Intellektuelle und was machten die Medien daraus? 

Von der Pfarrerstochter zur RAF-Terroristin

Gegen 20 Uhr läuft auf alten Röhrenbildschirmen der Einspieler des Films „Citizen Kane“ (1941), im Hintergrund das großflächige Bild einer gemalten Gefängniszelle, vorne eine Schreibmaschine, Symbol für Briefe aus der Haft. Und dann beginnen Christian Müller und Ida Liliom vom Citizen Kane Kollektiv mit den ersten Fragen zum Podcast-Projekt der Redakteur:innen Lea Krug und Felix Frey, die den Podcast ausgestaltet haben. Es sind Fragen an eine deutsche, eine schwäbische, an eine Stuttgarter Terroristen-Geschichte, zu deren Symbolfigur Gudrun Ensslin wurde. Fragen, die aufwühlen, emotionalisieren und beschäftigen. Wie und weshalb radikalisierte sich eine Pfarrerstochter, die als eines von sieben Kindern im kleinen Dorf Bartholomä auf der Schwäbischen Alb aufwuchs, die Jugend in Bad Cannstatt verbrachte, das Abitur am Königin-Katharina-Stift machte, in Tübingen Germanistik studierte und eigentlich Lehrerin werden wollte?

 

Welche Schuld, welche Tat, welche Ängste gab es zu entdecken?

Eine Spurensuche: via Einspieler besuchen die Künstler:innen das frühere Wohnhaus der Familie Ensslin in Bad Cannstatt und später das Grab von Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe auf dem Dornhaldenfriedhof. Die Redakteur:innen Lea Krug und Felix Frey berichten von ihren monatelangen Recherchen, Befragungen von Zeitzeug:innen und Wissenschaftlern. Welche Schuld, welche Tat, welche Ängste gab es zu entdecken? Ebenfalls zu Gast sind die Journalistin und Aktivistin Janka Kluge und Dr. Peter Müller vom Staatsarchiv Ludwigsburg, die über Radikalisierung, ihre persönlichen Erfahrungen und das Strafverfahren des „Baader-Meinhof-Prozesses“ berichten, das zu den spektakulärsten der deutschen Nachkriegsgeschichte zählt. Anlässlich der Jährung ist nun vom 6. April bis 14. September im Haus der Geschichte die Ausstellung: „Stammheim 1975 – der RAF-Prozess“ zu sehen. 

Würden Sie sich radikalisieren?

Und dann richten sich die Fragen an die Anwesenden: Wie schnell würden wir uns radikalisieren? Welche Rolle spielten im sogenannten deutschen Herbst Politik und Medien, welches Rollenbild sprach man Gudrun Ensslin objektiv als Frau zu und wer war sie wirklich? Am Abend kann der erste Teil des Podcasts per QR-Code abgerufen werden. 22 Minuten: „Gudrun Ensslin – die Pfarrerstochter“. Ab Mittwoch, den 14. Mai, ist der Podcast über die Website der Stuttgarter Zeitung sowie über Spotify und Apple Music zu hören. Es lässt sich erahnen: im Verlauf von zweieinhalb Stunden wird viel diskutiert, gefragt, überlegt und auch getrauert. Würden auch wir uns radikalisieren? Was braucht es dazu? Starke Konfrontation der Anwesenden. 

DJ Gysi legt auf

Um aus der Vergangenheit auch wieder zurückkehren zu dürfen, legt am Ende des Abends noch DJ Gysi auf. Der bekannte DJ mixt Technosounds mit den Reden des Linken-Politikers, trägt dabei eine 161-Sturmmaske, die Erkennungsziffer für antifaschistische Aktivst:innen. Schließlich wird getanzt. Doch bei allem bleibt die Frage: Gudrun, Warum? 

Podcast: „Gudrun Ensslin. Terror, Haft, Tod“. Die erste Folge des Podcasts erscheint am 14. Mai – jeweils mittwochs erscheint dann die neue Folge, abrufbar hier auf unserer Seite und über Spotify. 

Ausstellung: „Stammheim 1975 – der RAF-Prozess“, Haus der Geschichte, Konrad-Adenauer-Str. 16, 6.4.-14.9., Di-Mi + So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr

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