Die Radlerszene ist bestürzt: Wieso finden die Verantwortlichen im Waiblinger Rathaus keine andere Lösung, als mit einem festen Gitter die Weiterfahrt zu unterbinden?

Sommerzeit ist bekanntlich Radlerzeit – im doppeldeutigen Sinne. Erst mal bei prächtigem Wetter Dutzende Kilometer hinter sich bringen, dann ein kühles Blondes gegen den Durst, das hat was. Und wo treten die Menschen in dieser Republik am liebsten in die Pedale?

 

Eine Studie förderte kürzlich das nicht gerade überraschende Ergebnis zutage: Vor allem Radwege entlang von Wasserstraßen bescheren die meisten Glücksgefühle – sei’s entlang der Elbe, der Donau, der Mosel oder auf dem Bodensee-Radweg.

Remstalradweg hat viele Fans

Nicht ganz nach oben in der Liste geschafft hat es eine Strecke, die allerdings zumindest in der Region Stuttgart viele Fans hat: Es geht um den insgesamt knapp 80 Kilometer langen Remstalradweg.

Das radelnde Vergnügen hat allerdings vor einiger Zeit einen erheblichen Dämpfer erfahren: Der Starkregen samt Hochwasser Anfang Juni 2024 hat das Remsufer schwer in Mitleidenschaft gezogen. Ein Hangabbruch wurde ausgelöst, im Uferbereich sind Teile des Radwegs weggebrochen.

Die Gefahren seien zu beträchtlich, als dass man Radler dort weiter fahren lassen dürfe, erklärte die Stadt Waiblingen. Reparaturarbeiten allerdings sind schwierig und teuer – und sind offenkundig die nächsten Jahre oder gar Jahrzehnte nicht umsetzbar.

Remstalradweg seit März nicht mehr passierbar

Die Folge: Der nordwestliche Teil des Remstalradwegs zwischen Waiblingen-Hohenacker und Neckarrems (Kreis Ludwigsburg) ist seit März dieses Jahres dauerhaft gesperrt. Weil die anfänglichen mobilen Hinweisschilder zumeist ignoriert und umkurvt wurden, hat die Stadt etwa 400 Meter nördlich der Vogelmühle im März einen etwa zwei Meter hohen, nahezu unüberwindbaren Zaun fest im Boden einbetonieren lassen. Ein Schild „Lebensgefahr“ auf gelbem Grund hängt mittendrin. Links könnte man sich vielleicht vorbei schlängeln, sofern man sich des Risikos, samt Rad in der Rems zu landen, aussetzen will.

Rechts am Hang hat der Bauhof neben den Zaun eine Vielzahl an Holzstämmen kreuz und quer gelegt, sodass auch hier niemand vorbeikommt.

Direkt an der Vogelmühle weist mittlerweile nur noch ein simpler Mast samt drei anmontierten Verbotsschildern darauf hin, dass hier die verbotene Zone beginnt.

Auf einer dortigen Bank hat sich beim Vorort-Besuch unserer Redaktion gerade ein Mittvierziger zum Ausruhen hingesetzt. Er wohne in Waiblingen, berichtet der Mann, und er sei auf der Strecke Richtung Remseck oft unterwegs – gewesen, muss man inzwischen sagen, denn das geht ja seit einiger Zeit nicht mehr.

Hier könnte man sich mit gewisser Risikobereitschaft an der Absperrung vorbeischlängeln. Foto: Dirk Herrmann

„Das nervt mich kolossal“, sagt der Radler, der gerade seinen Helm abgenommen hat und sich den Schweiß von der Stirn wischt. „Und ausgerechnet das absolut schönste Stück des Remstalradwegs ist gesperrt. Hätte man da nicht doch etwas kreativer sein können, als einfach so ein Gitter in die Gegend zu stellen?“

Die Stadt Waiblingen tüftelt derzeit an Alternativrouten. Doch die möglichen Umleitungsstrecken gen Remseck führen ziemlich bergauf, was E-Bike-Radler kaum zum Schnaufen, Menschen mit sogenannten Bio-Bikes aber gewaltig ins Schwitzen bringt.

Der Frust über die Sperrung „auf ewig“ ist auch bei der Kreisgruppe Rems-Murr des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC) erkennbar. Der Verein hatte kürzlich die Pro-Velo-Gemeinderats-Radtour entlang der Rems organisiert, bei der durch eine Bemerkung des Waiblinger Oberbürgermeister Sebastian Wolf überhaupt erst bekannt wurde, dass die Sperrung dauerhaft bleiben wird.

„Der Remstalradweg ist unter Familien mit Kleinkindern sehr beliebt“, äußert sich Andreas Schwager, politischer Sprecher des ADFC Rems-Murr, erst mal grundsätzlich, „da dieser in der Region die längste Strecke ist, welche man Kfz-frei fahren kann.“

Für den Radverkehr ein schwerer Verlust

In der Bundesrepublik gebe es 450 getötete Radfahrer jährlich. Aber: „Uns ist kein Unfall mit Todesfolge bekannt, der von einem abrutschenden Radweg verursacht wurde“, sagt Schwager. Nun sei der einzige vom Kfz-Verkehr über eine längere Strecke separate Radweg gesperrt. „Das ist für den Radverkehr ein sehr schwerer Verlust.“

Bei den durch das Hochwasser im Frühsommer 2024 verursachten Unterspülungen und Schäden an der Rems handele er sich „um vier Stellen, die circa zehn Meter lang sind“, erklärt Schwager. Zur vorgesehenen Alternativstrecke sagt er: „Diese Sperrung zwingt den Radfahrer, genau dort zu radeln, wo er sich gefährdet fühlt.“

Es möge sein, „dass man auf der einen oder anderen Verwaltungsstube hier Haftungsfragen befürchtet“ – dies ist für einen Radfahrer nicht mehr nachvollziehbar, da ja diese Haftungsängste bei all der „bescheidenen Radwege-Infrastruktur“ in Deutschland „auch keinen Handlungsdruck verursachen“.

An anderen Orten, auch in Naturschutzgebieten, würden Holzstege errichtet, um die „dynamischen Bodenverhältnisse“ für einen Radweg zu überbrücken. Schwager: „Diese lassen sich schnell errichten und können bei späterem Hochwasser an die neuen Gegebenheiten angepasst werden.“

Remstalradweg: Sanierung scheitert am Naturschutz

Auch in einschlägigen Foren oder in Leserbriefen an die Zeitungen machen immer wieder Radfahrer ihrem Ärger Luft. „Das kann doch nicht wahr sein! Da wird ein wunderbarer und beliebter Wander- und Radweg an der Rems entlang durch Hochwasser beschädigt, und man repariert ihn nicht, sondern macht ihn einfach zu“, erklärt einer.

Ein anderer äußert sich so: „Man kann nur staunen, was es doch für Vorschriften gibt. Die Sanierung des Radwegs scheitert also am Naturschutz.“ Wenn nicht mal mehr ein Radweg saniert werden könne, „stimmt was nicht“, so die Einschätzung eines Radlers aus Schwaikheim.